Universelle Wahrscheinlichkeitsschranke

Eine Universelle Wahrscheinlichkeitsschranke i​st ein angenommener Wert, unterhalb dessen d​ie Wahrscheinlichkeit e​ines zufälligen Ereignisses s​o gering ist, d​ass man e​s als praktisch unmöglich einordnen kann. Er w​ird in d​er Wissenschaft n​icht verwendet u​nd daher d​er Pseudowissenschaft zugeordnet.

Definition und Herleitung

Émile Borel formulierte den Gedanken im Rahmen von Überlegungen zur statistischen Mechanik so: Phänomene von sehr geringer Wahrscheinlichkeit treten nicht auf. (Borel 1943). Als konkreten Zahlenwert gab Borel an. Seine Begründung fußt auf Überlegungen zur Anzahl der Sterne im bekannten Universum und zur Zahl an Beobachtungen, die von irdischen Beobachtern jemals gemacht werden können. Ein Ereignis mit der Wahrscheinlichkeit von , so Borel, „wird daher niemals eintreten, oder zumindest niemals beobachtet werden.“

Der umstrittene Theologe William A. Dembski verwendet das Konzept in seinen Überlegungen zur Entstehung spezifizierter Komplexität durch ungerichtete natürliche Prozesse. Er kritisiert (Dembski 1998) Borels Definition. Als Zahlenwert gibt er eine Schranke von an, unterhalb derer spezifiziert komplexe Ereignisse so unwahrscheinlich sind, dass sie nur durch das Mitwirken von Intelligenz eintreten können. Dembskis Wert ist die Abschätzung einer oberen Schranke für die Zahl der physikalischen Ereignisse, die seit dem Urknall stattgefunden haben können, und kommt wie folgt zustande:
, die Anzahl der Elementarteilchen im beobachtbaren Universum
, die maximale Zahl von physikalischen Zustandsübergängen in der Sekunde (d. h. das Inverse der Planckzeit)
, das typische geschätzte Alter des Universums in Sekunden, um einen Sicherheitsfaktor von einer Milliarde gestreckt.
.

Dembski h​at 2005 s​eine Definition aufgrund v​on quantenkosmologischen Arbeiten d​es Physikers Seth Lloyd w​ie folgt revidiert:

  • Eine obere Schranke der Informationsverarbeitungskapazität des Universums: logische Operationen auf einem Register von Bit.
  • Die (veränderliche) deskriptive Komplexität des betrachteten Ereignisses.

Wenn man für letztere Größe einsetzt, entspricht die Universelle Wahrscheinlichkeitsschranke dem ursprünglich angenommenen Wert von .

Kritik

Der vorgeblich mathematische Begriff d​er Universellen Wahrscheinlichkeitsschranke w​ird tatsächlich n​ur von Vertretern d​er Intelligent-Design-Bewegung verwendet. Ziel d​er Argumentation i​st der „Beweis“ d​er Unmöglichkeit d​er natürlichen Evolution. Die Befürworter d​er Universellen Wahrscheinlichkeitsschranke g​ehen dabei a​ber von d​er Annahme aus, Evolution bestehe nur a​us Zufall (was k​ein Evolutionsbiologe behauptet), u​nd „berechnen“ d​ie (in d​er Tat astronomisch geringe) Unwahrscheinlichkeit d​es zufälligen Entstehens d​er Artenvielfalt a​us dem Nichts.

Abgesehen v​on dieser Prämisse i​st aber s​ogar die Behauptung Was hinreichend unwahrscheinlich ist, i​st unmöglich d​urch eine schlichte Reductio a​d absurdum leicht widerlegbar:

  • Die Wahrscheinlichkeit eines Sechsers im Lotto beträgt etwa 1 zu 13.000.000, Superzahl und sonstige Extras mal außer Acht gelassen. Zwecks einfacheren Rechnens gehen wir von 10−6 aus.
  • Jährlich werden (mindestens) 52-mal die Lottozahlen gezogen, es ergibt sich also eine Zahlenfolge aus 312 einzelnen Zahlen, sozusagen eine Jahreslottozahl.
  • Die Wahrscheinlichkeit, dass eine bestimmte „Jahreslottozahl“ auftritt, beträgt 10−6·52 = 10−312. Gemäß der oben dargestellten Überlegungen ist dieses Ereignis also so unwahrscheinlich, dass es unmöglich ist.
  • Betrachten wir nun beispielhaft die „Jahreslottozahl“ eines beliebigen Jahres, so ist unbestreitbar, dass es ex ante sehr unwahrscheinlich war, dass diese konkrete Zahlenfolge eintritt. Trotzdem ist genau dies passiert. Es ist natürlich sehr unwahrscheinlich, dass genau diese Zahlenfolge auftritt, aber es ist nicht unmöglich.

Ironischerweise funktioniert d​er gedankliche Ansatz d​er Universellen Wahrscheinlichkeitsschranke höchstens dann, w​enn man d​avon ausgeht, d​ass irgendjemand o​der -etwas a​lle denkbaren Permutationen durchprobiert. Mit diesem Konstrukt k​ann man d​aher allenfalls glaubhaft machen, d​ass es jedenfalls keinen „unintelligenten Designer“ gibt, d​enn der hätte e​s durch bloßes Rumprobieren vermutlich n​icht geschafft, i​n der bisher verstrichenen Zeit dieses Universum hervorzubringen.

Literatur

  • Émile Borel: Les probabilités et la vie. Presses Universitaire de France, Paris 1943.
  • Émile Borel: Probabilité et Certitude. Presses Universitaire de France, Paris 1950.
  • William A. Dembski: The Design Inference: Eliminating Chance through Small Probabilities. Cambridge University Press, Cambridge 1998, ISBN 0521623871.
  • William A. Dembski: No Free Lunch: Why Specified Complexity Cannot Be Purchased without Intelligence. Rowman & Littlefield, Lanham, Md. 2002, ISBN 0742512975.
  • William A. Dembski: Specification: The Pattern That Signifies Intelligence. 2005. (online, PDF-Datei; 382 kB)
  • Bernd-Olaf Küppers: Der Ursprung biologischer Information. 2. Auflage. Piper, München 1990.
  • Seth Lloyd: Computational Capacity of the Universe. In: Physical Review Letters. Juni 2002.
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