Tortoise (Panzer)
Der A39 Tortoise (deutsch: Landschildkröte) war ein schwerer britischer Sturm-/Jagdpanzer und neben dem riesigen TOG das mit Abstand größte und schwerste Panzerfahrzeug, das jemals in Großbritannien gebaut wurde.
Tortoise | |
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A39 Tortoise auf 80-t-Anhänger mit zwei Diamond-T-Zugmaschinen in Deutschland (1948) | |
Allgemeine Eigenschaften | |
Besatzung | 7 Mann (1 Kommandant, 1 Richtschütze, 2 Ladeschützen, 1 MG-Schütze, 1 Funker/MG-Schütze, 1 Fahrer) |
Länge | 10,06 m |
Breite | 3,91 m |
Höhe | 3,05 m |
Masse | 79 t max |
Panzerung und Bewaffnung | |
Panzerung | 33–228 mm |
Hauptbewaffnung | 1 × 95-mm-Kanone L/65 32pdr QF |
Sekundärbewaffnung | 1 × 7,92-mm-MG im Aufbau links neben der Kanone
2 × 7,92-mm-MG in einem Drehturm hinter der rechten Luke |
Beweglichkeit | |
Antrieb | 12-Zylinder-Viertakt, Rolls-Royce Meteor V 600 PS (441 kW) |
Federung | Drehstabfederung |
Geschwindigkeit | 20 km/h |
Leistung/Gewicht | 7,5 PS/t |
Reichweite | 140 km |
Das gewaltige Gefährt war noch im Zweiten Weltkrieg speziell dazu entwickelt worden, die bisher überlegenen schweren deutschen Panzer und Jagdpanzer mit einer noch stärkeren Kanone und auch einer massiven Panzerung bezwingen zu können sowie stark befestigte Stellungen wirksam zu bekämpfen. Tatsächlich war seine Panzerung zum Zeitpunkt seiner Konstruktion gegenüber allen bekannten deutschen Kanonen praktisch unverwundbar. Allen Anstrengungen zum Trotz wurde das erste Exemplar erst nach Ende der Kampfhandlungen in Europa ausgeliefert und deshalb kam dieser monströse Panzer nicht mehr zum Einsatz. Der erste Tortoise wurde bereits im Sommer 1945 nach Deutschland transportiert und sogleich umfassend erprobt, wobei der überschwere Panzer durchaus überzeugen konnte. Die weiteren fünf Fahrzeuge erhielt die britische Armee erst im Jahre 1947. Die vorgesehene Serienproduktion fand nicht mehr statt; es blieb bei den sechs gebauten Tortoise.
Geschichte
Zwei Überlegungen veranlassten Großbritannien im Jahre 1943 dazu, die Konstruktion eines schweren Panzers in Angriff zu nehmen. Einerseits sollte der neue Panzer wegen der bereits in Planung befindlichen Landung der alliierten Streitkräfte in der Normandie die erwarteten starken deutschen Verteidigungsstellungen wirksam angreifen und andererseits die bisher weit überlegenen schweren deutschen Panzer bezwingen können. Dies setzte freilich eine schwere großkalibrige Kanone voraus, die Sprenggranaten wie Panzergranaten von entsprechender Größe und Gewicht verschießen konnte. Eine weitere unabdingbare Voraussetzung war eine sehr starke Panzerung, um hartnäckigen Widerstand von Infanterie mit Panzerabwehrkanonen und schweren Panzern überwinden zu können.
Anfangs wurde eine neue wesentlich stärker gepanzerte Version des Valentine mit dem Namen Valiant in Betracht gezogen und dann auch in zwei Prototypen gebaut. Der Valiant war technisch gesehen der erste „echte“ britische Kampfpanzer. Allerdings zeigte sich bald, dass dieses Fahrzeug die Erwartungen nicht so recht erfüllen konnte. Bewaffnung und Panzerung erschienen nicht ausreichend; es kam nicht zu der geplanten Serienproduktion.
Gleichzeitig wurde an einer ebenfalls in Bewaffnung und Panzerung verstärkten Version des Churchill gearbeitet, dieses Projekt wurde jedoch wegen mangelnder Eignung des Basisfahrzeugs für den angestrebten Zweck schnell wieder verworfen.
Damit war nunmehr auch den letzten Zweiflern klar, dass ein völlig neues Fahrzeug konstruiert werden musste. Es wurden insgesamt 18 Entwürfe der Firma Nuffield geprüft, wobei sich immer deutlicher abzeichnete, dass die beiden sich eigentlich völlig widersprechenden Ziele nur mit einem entsprechend großen und schweren Panzerfahrzeug erreichen ließen. Zudem sollte der neue Panzer möglichst auch gegen die Explosion von Minen Sicherheit bieten. Nach weiteren kleineren Änderungen und Anpassungen wurde Entwurf Nummer 16 am 9. Februar 1944 angenommen und damit offiziell als Heavy Assault Tank A39 Tortoise bezeichnet (deutsch: Schwerer Sturmpanzer A39 Schildkröte). Auffallend dabei ist, dass der Tortoise der erste britische Panzer ohne einen Drehturm war. Diese turmlose Auslegung wurde gewählt, um eine möglichst große Kanone mit einer möglichst starken Panzerung zu verbinden, ohne das Fahrzeug endgültig zu schwer und zu kompliziert werden zu lassen. Auch sollte die Höhe des Fahrzeugs in Grenzen gehalten werden, was offensichtlich darauf schließen lässt, dass der Tortoise nicht ohne einen Seitenblick auf die deutschen Sturmgeschütze konstruiert wurde.
Der neue Panzer wurde nach der nunmehr erfolgreichen Landung der Alliierten in der Normandie im Sommer 1944 letztlich schwerpunktmäßig dazu vorgesehen, die schweren deutschen Panzer (Tiger, Panther und Königstiger) und Jagdpanzer (Jagdpanther u. a.) im Kampf zu bezwingen. Der Tortoise stellte somit eher einen schweren Jagdpanzer dar, wenngleich er die Fähigkeit behielt, wirksame Sprenggranaten zu verschießen, falls der entsprechende Einsatz oder die Situation im Kampf es erforderte. Der Tortoise sollte es ermöglichen, starke gegnerische Frontlinien und befestigte Bereiche zu durchbrechen. Er ist also als eine besondere Kombination aus Jagdpanzer und Sturmpanzer zu werten, wobei Panzerung und Feuerkraft gegenüber der Mobilität eindeutig der Vorzug eingeräumt wurde.
Als Hauptbewaffnung wurde eine neue schwere britische 32-Pfünder-Kanone vorgesehen, die sowohl schwere Panzer als auch Befestigungen vernichtend angreifen konnte (eine ähnlich ambivalente Auslegung der Kanone gab es beispielsweise beim sowjetischen Kampfpanzer IS-2). Die starke Nebenbewaffnung bestand aus drei Besa-Maschinengewehren. Eines befand sich im Aufbau links der Kanone, die anderen beiden in einem kleinen Drehturm hinter der rechten Luke, was ein ungewöhnliches Konstruktions-Merkmal darstellte. Diese Nebenbewaffnung ermöglichte es, angreifende Infanterie wirksam zu bekämpfen, was den Tortoise noch schwerer zu bekämpfen machte.
Die Panzerung war derart stark bemessen, dass der Tortoise gegenüber allen bekannten deutschen Kanonen (sowohl KwK als auch PaK) praktisch unverwundbar war; selbst die Seitenpanzerung war fast doppelt so stark wie bei vergleichbaren deutschen Panzerfahrzeugen. Die Bezeichnung „Schildkröte“ war angesichts dieser Tatsachen sicherlich keineswegs verfehlt. Dabei wurde die mangelnde Beweglichkeit des Fahrzeugs in Kauf genommen, da Schlagkraft und Panzerung der absolute Vorrang eingeräumt wurde. Am Bug befanden sich drei Befestigungspunkte, an denen weitere Zusatzpanzerungen oder auch Minenräumgerät angebracht werden konnten.
Das Erscheinen des schweren deutschen Jagdpanzers Jagdtiger gegen Ende 1944 bis Anfang 1945 beschleunigte die Arbeiten am Tortoise, denn er sollte nunmehr das britische Gegenstück zum Jagdtiger werden. Allen Anstrengungen zum Trotz wurde das gewaltige Fahrzeug jedoch nicht mehr vor dem Ende des Krieges in Europa fertig; der Jagdtiger blieb damit das einzige Gefährt derartiger Ausmaße auf dem Schlachtfeld.
Dem Tortoise war nach seiner Erprobungsphase auf lange Sicht kein Erfolg beschieden. Die schweren Panzer wurden allgemein in ihren Abmessungen und Gewichten derart gewaltig, dass sie mehr logistische Probleme als realen taktischen Nutzen mit sich brachten. Die Grenze des Machbaren schien erreicht und die schweren und überschweren deutschen Panzer (Jagdtiger, Maus, E-100) wie auch die britischen TOG und eben auch der Tortoise erschienen nun ähnlich wie viele Jahrhunderte zuvor die Ritterburgen des Mittelalters langsam aber sicher überholt. Sämtliche Bestellungen für weitere Fahrzeuge wurden gestrichen, und die weiteren fünf Versuchsfahrzeuge wurden erst im Jahre 1947 an die britische Armee ausgeliefert. Von der geplanten Serienfertigung wurde daher letztlich abgesehen.
Ein Tortoise ist bis heute erhalten geblieben. Er befindet sich im Tank Museum in Bovington, England.
Einsatz
Der Tortoise hat zwar niemals auch nur eine einzige Schlacht gesehen, dennoch wurde noch im Sommer 1945 das erste Exemplar nach Deutschland verschifft, wo sogleich die Erprobungen begannen. Bei den Probefahrten auf der Straße und im Gelände erwies sich der schwere Panzer trotz anfänglicher Skepsis als mechanisch zuverlässig und bei den ballistischen Erprobungen als eine außerordentlich schlagkräftige wie auch sehr präzise Waffenplattform. Selbst die Fahreigenschaften überzeugten gegen alle Erwartungen; das aufwendige Laufwerk mit vier Rollenwagen pro Seite und zwei einzeln daran befestigten Rollenpaaren verhalf dem Panzer zu einem ausgezeichnet ruhigen Lauf. Die sehr breiten Ketten reduzierten den Bodendruck und verhinderten ein Einsinken auf weicherem Untergrund. Obendrein überstand das Laufwerk in der Tat die Explosion einiger Minen und der Panzer erschien mit vorgebautem Minenräumgerät ideal dafür geeignet, um Minenfelder zu räumen.
Allerdings hatte der Tortoise – bedingt durch die enorme Größe und das entsprechende Gewicht – auch seine Schattenseiten. Er verschlang Unmengen an Kraftstoff (Benzin), was seine Reichweite extrem einschränkte. Er ließ sich nur schwer transportieren und war seinerseits mit maximal nur 20 km/h auch äußerst langsam und unbeweglich. Dass er sich als mechanisch zuverlässig erwies, kann als ein Glücksfall gewertet werden, denn im Falle eines Defekts wäre das Abschleppen eines etwa 80 t schweren Fahrzeugs vor allem unter Einsatzbedingungen praktisch unmöglich gewesen. Außerdem besaß das komplizierte Fahrwerk über 200 Schmierstellen, was für das Wartungspersonal, vor allem unter Feldbedingungen, einen Alptraum dargestellt haben dürfte.
Technische Daten
- Bezeichnung: Heavy Assault Tank A39 Tortoise
- Klassifizierung: schwerer Sturmpanzer/Jagdpanzer
- Gewichte
- Gefechtsgewicht: 79.252 kg
- Bodendruck: 0,94 kg/cm²
- Abmessungen
- Länge über alles mit Rohr nach vorne: 10,10 m
- Länge der Wanne: 7,24
- Breite über alles: 3,91 m
- Höhe: 3,05 m
- Bodenfreiheit: 45,0 cm
- Rohrüberstand: 2,86 m
- Feuerhöhe: ?
- Antrieb
- Motor
- Typ: Rolls-Royce Meteor V
- Bauart: 12-Zylinder-Viertakt-Ottomotor (60°-V-Form), wassergekühlt
- Hubraum: 27.037 cm³ (27 l)
- Leistung: 600 PS (440 kW)
- Nenndrehzahl: 2250/min
- Einbaulage: im Heck
- Getriebe
- Typ: Merritt-Brown
- Bauart: mechanisches Sechsgang-Wechselgetriebe
- Anzahl Vorwärtsgänge: 6
- Anzahl Rückwärtsgänge: 2
- Antriebsart: Antrieb auf je ein vorderes Treibrad pro Seite
- Einbaulage: im Bug
- Motor
- Lenkung
- Zweiradien-Lenkgetriebe, Bedienung durch zwei Lenkhebel
- Einbaulage: Im Bug
- Wendekreis: ?
- Fahrwerk
- Bauart: Gleisketten-Laufwerk, vier Rollenwagen pro Seite mit jeweils acht Stahl-Laufrollen,
- Federung: Drehstabfederung mit längsliegenden Drehstäben
- Kettenbreite: 36" (91,4 cm)
- Spurweite: ?
- Kettenart: Scharnierkette
- Kettenteilung: ?
- Kettenauflagefläche: 4,60 m
- Fahrleistungen
- Höchstgeschwindigkeit Straße: ca. 20 km/h
- Höchstgeschwindigkeit Gelände: ca. 10 km/h
- Leistungsgewicht: 7,57 PS/t
- Steigfähigkeit: 30 %
- Neigungswinkel maximal: 30°
- Kletterfähigkeit: 90 cm
- Watfähigkeit: ?
- Grabenüberschreitfähigkeit: 250 cm
- Fahrbereich Straße: ca. 70–140 km
- Fahrbereich Gelände: ca. 40–80 km
- Kraftstoffverbrauch Straße: ?
- Kraftstoffverbrauch Gelände: ?
- Kraftstoffvorrat: ?
- Bewaffnung
- Hauptgeschütz: 1 × 95-mm-Kanone L/65 32pdr QF
- Mündungsgeschwindigkeit: 920 m/s
- Rohrgewicht mit Verschluss und Mündungsbremse: ?
- Rohrlänge mit Mündungsbremse: ?
- Höhenrichtfeld: ?
- Seitenrichtfeld: 20° links / 20° rechts
- Nebenbewaffnung
- 1 × 7,92-mm-Besa-MG im Aufbau links neben der Kanone
- 2 × 7,92-mm-Besa-MG in einem Drehturm hinter der rechten Luke
- Bei Bedarf zusätzlich 1 × 7,92-mm-Besa-Fla-MG auf dem Dach
- Zielmittel
- ?
- Munition
- 60 Schuss (40 Panzergranaten + 20 Sprenggranaten, auch andere Ausstattungen möglich)
- 4800 Schuss für 7,92-mm-Besa-MG
- Hauptgeschütz: 1 × 95-mm-Kanone L/65 32pdr QF
- Panzerung
- Bug 228 mm / rund
- Fahrerfront 279 mm / 75°
- Aufbau vorm 279 mm / 75°
- Seite oben 152–178 mm / 85°
- Seite unten 112 mm / 90°
- Seitenschürzen 101 mm / 90°
- Heck 101 mm / 42°
- Decke 33–50 mm / 0°
- Boden 35 mm / 0°
- Besatzung: 7 Mann (1 Kommandant, 1 Richtschütze, 2 Ladeschützen, 1 MG-Schütze, 1 Funker/MG-Schütze, 1 Fahrer)
- Hersteller: Nuffield Mechanisations & Aero Ltd.
- Bauzeitraum: 1944–1947
- Stückzahl: 6
Literatur
- Peter Chamberlain, Chris Ellis: British and American Tanks of World War Two. The Complete Illustrated History of British, American and Commonwealth Tanks, 1939–45. Cassell, London 2000, ISBN 0-304-35529-1.
- Peter Chamberlain, Chris Ellis: Tanks of the World 1915–1945. Cassell & Co., London 2002, ISBN 0-304-36141-0.
- George Forty: The Illustrated Guide to Tanks of the World. Hermes House, London 2006, ISBN 0-681-45905-0.
- Christopher F. Foss: The Encyclopedia of Tanks and Armoured Fighting Vehicles. The comprehensive Guide to over 900 Armoured Fighting Vehicles from 1915 to the Present Day. Spellmount, Staplehurst 2002, ISBN 1-86227-188-7.