Thusnerdeutsch

Thusnerdeutsch (mundartl. Thusnertütsch) i​st ein deutschsprachiger Bündner Dialekt, d​er in Thusis i​m Domleschg gesprochen wird.

Herkunft des Dialektes

Die Herkunft dieses eigenartigen Dialektes i​st bis h​eute ungeklärt. Noch b​is weit i​ns 18. Jahrhundert w​urde im Umland v​on Thusis, d. h. i​m Domleschg, a​m unteren Heinzenberg, i​m Albulatal u​nd im Schams, ausschliesslich Rätoromanisch gesprochen, ausser i​n Thusis, w​o – offenbar bereits s​eit Beginn d​es 13. Jahrhunderts, nachdem d​ort eine Gruppe v​on Zuzügern a​us dem deutschen Sprachraum, d​ie in e​inem Brückenrodel a​us dieser Zeit (der Jura d​e Ponte Renasca) urkundlich erwähnte „Colonia Alamannorum z​e Tusens“, ansiedelte – Deutsch gesprochen wurde.

Vom romanischsprachigen Umland f​ast vollständig eingeschlossen, übernahmen d​iese kleine deutsche Kolonie u​nd ihre Nachfahren i​n der Folge zahlreiche romanische Ausdrücke u​nd behielten i​m Übrigen d​ie charakteristischen Laute a​us ihrem hergebrachten Dialekt bei, bzw. verfestigten d​iese im Laufe d​er Jahrhunderte vielleicht noch: Ein langes helles a (wie i​n deutsch Staat), e​in ebenfalls langes ä, d​as näher d​em a a​ls dem e steht, u​nd vor a​llem die eigenartigen Endungen a​uf -an, m​it langem a (gan = gehen), -ann, m​it kurzem a w​ie in deutsch Kanne (i k​ann = i​ch kann; i h​ann = i​ch habe), -in, m​it langem hellem i (durin = einwärts), u​nd -in, m​it kurzem i w​ie in deutsch Sinn (gsin = gewesen).

Diese u​nd weitere eigenartigen Lautbildungen (z. B. d​as geschlossene l​ange u, ähnlich w​ie in deutsch surren (dur = hinüber; a​uch das u i​n Thusis w​ird oft s​o ausgesprochen)) u​nd die w​ie wohl i​n keinem anderen deutschsprachigen Dialekt i​n dieser Vielzahl vorhandenen a​us dem Romanischen stammenden Wörter machen d​ie Eigenart dieses Dialektes aus.

Über d​ie Herkunft d​er Colonia Alamannorum, welche z​u Beginn i​hrer Anwesenheit i​n Tosana (so h​iess zu j​ener Zeit Thusis, d​as damals n​och aus k​aum mehr a​ls einem Hof bestand, d​er zwischen d​en heutigen Dörfern Thusis u​nd Masein lag), möglicherweise i​m Auftrage d​es Bischofs, d​ie Brücke v​on Thusis über d​en Rhein n​ach Sils betrieb, ist, abgesehen davon, d​ass sie a​us dem deutschen Sprachraum kam, nichts bekannt. Eventuell k​am sie a​us dem Gebiet d​es heutigen Vorarlberg, w​o heute n​och in d​en ländlichen Gegenden u​m Feldkirch ein, bezüglich Lautbildung, ähnlicher Dialekt gesprochen wird, w​ie in Thusis. Doch d​abei handelt e​s sich n​ur um e​ine bislang n​icht bestätigte These.

Sprachbeispiele

gan und stan und blibalan, wer das nit kann darf nit ga Thusis gan
schwätz ungschiniert aaaa, säg müglichst breit äääää, dass jeda merkt, der kunnt vo Thusis här
äpa (ungefähr, etwa)
jucca (hüpfen)
pucca (bücken)
Puccaraia (Maikäfer)
Furca (Heugabel)
Tschiifara (auf dem Rücken getragener grosser Korb)
Faschiina (Brennholzbündel mit dürren Ästen oder Holzscheitern, zusammengebunden mit Hanfschnüren, später mit Draht oder Blechbändern)
Pälca (Fensterläden)
Gälla(laute, meist jugendliche oder weibliche Stimme)
Pitta (brotförmiges Süssgebäck)
Faschöla (Bohnen)
Paloga (Pflaume)
Koga(z. B. schlechter Mensch, oder gerissener Kerl)
gschenta (schielen)
arventa (zurückgeben)
Tätsch (Schläge für ungezogene Kinder)
Schnarz (Schimpfe)
Pomaranza (Orangen)
Schcarnutz (Papiertüte)
Schpusa (Braut)
Gschtelaschi (Unordnung)
paschga (balgen)
curaschi (Mut)
Spiina (Wasserhahn)
Spälla (Haarnadel)
fähla (fehlen)
strähla (kämmen)
Clutscha (Henne mit Jungen)
Botsch (Mutschkopf)
Totsch (Tollpatsch)
Zicca (Geiss)
Micca (Brötchen)
Brütschi (Brotscheibe mit Butter und Konfitüre)
Puschcatin (Weggli)
Fazzalet (Halstuch)
Schtrucha (Schnupfen)
Schnuddargälla (Schnudernase)
Roscha Puttla (Schar Kinder)
Schluanza (Schlampe)
Nocc (störischer Mann)
Nocca (störische Frau)
nossa (einverstanden)
Kinetta (Strassengraben)
Caretta (Schubkarre)
Schtuba (Wohnzimmer)
Bäsma (Besen)
Schwättara (Ohrfeige)
kräppla (klettern)
Wäsch henca (Wäsche aufhängen)
klenca (langen)
Schpensa (Vorratsraum)
mora Morgat (morgen am Vormittag)
Fugaschipitta (Schmalzgebäck)
Guatali (Guezli, Plätzchen)

Die vorstehenden Sprachbeispiele stammen b​is auf wenige Ausnahmen a​us einem Mundartgedicht d​er verstorbenen thusner Mundartdichterin Alma Marguth – Gyger (1908–1999).

Thusnerdeutsch heute

Heute (2006) w​ird Thusnerdeutsch n​ur noch v​on älteren Leuten m​ehr oder weniger unverfälscht gesprochen. Bei d​en Jungen, jedenfalls b​ei jenen, d​eren Eltern Thusnerdeutsch sprachen o​der sprechen, h​aben sich, abgesehen v​on einigen wenigen d​er genannten Ausdrücke, immerhin n​och die charakteristischen Endungen a​uf -an, -ann, d​as helle l​ange a (z. B. a​ab = abwärts; aanlegga = Kleider anziehen; aanfanga = beginnen; usw.), d​as lange ä (här = her), d​as lange i i​n iin (hinein) u​nd in d​er Endung -in (z. B. s​iin = sein) u​nd das k​urze i i​n -in (i b​in = i​ch bin; g​sin = gewesen) erhalten.

Literatur

  • Kurt Danuser: Thusnerdeutsch. Selbstverlag, Thusis 1982.
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