Theodor von Bischoff
Theodor Ludwig Wilhelm von Bischoff (* 28. Oktober 1807 in Hannover; † 5. Dezember 1882 in München) war ein deutscher Anatom, Embryologe und Physiologe.
Leben und Wirken
Er war der Sohn des Mediziners und Pharmakologen Christoph Heinrich Ernst Bischoff, studierte ab 1826 in Bonn Medizin und promovierte anschließend. Nach seiner Assistenzzeit habilitierte er sich 1833 und wurde außerordentlicher Professor für Anatomie in Bonn und ab 1835 in Heidelberg. 1839 heiratete er Kunigunde Tiedemann (1809–1889).[1] 1843 wurde Bischoff als ordentlicher Professor für Anatomie und 1844 auch für Physiologie an die Universität Gießen berufen, wo er den Aufbau und bis 1855 die Betreuung des Anatomischen und Physiologischen Institutes übernahm. Dort war er befreundet mit Justus von Liebig. Später folgte er dem Ruf für eine Professur für Anatomie und Physiologie nach München (1856–1878). Er schuf wichtige Grundlagen in den Forschungsbereichen Physiologie und Embryologie. Er erkannt die Bedeutung des Menstruationszyklus (die Bereitstellung eines befruchtungsreifen Eies) und lieferte wichtige Beiträge zur Ei-Entwicklung von Hund, Kaninchen u. a. Vom Darwinismus hielt er nichts und lehnte Ernst Haeckels embryologische Deutungen scharf ab.
Für seine Forschungen zeichnete ihn die Senckenbergische Naturforschende Gesellschaft mit dem Soemmering-Preis aus. Im Jahr 1843 wurde er außerdem zum Mitglied der Gelehrtenakademie Leopoldina gewählt, 1849 in die American Academy of Arts and Sciences, 1846 als korrespondierendes Mitglied in die Russische Akademie der Wissenschaften,[2] 1853 als korrespondierendes Mitglied in die Göttinger Akademie der Wissenschaften[3] und 1854 ebenfalls als korrespondierendes Mitglied in die Preußische Akademie der Wissenschaften aufgenommen.[4] Ab 1868 war er auswärtiges Mitglied der Royal Society.[5]
Der insbesondere weiblichen Nachwelt blieb Bischoff jedoch wegen seines vehementen Eintretens gegen ein Medizinstudium für Frauen in Erinnerung. Bischoff schloss aus Ergebnissen der vergleichenden Gehirn- und Schädelanatomie die intellektuelle Unzulänglichkeit der Frau für ein Studium und die Ausübung eines akademischen Berufes. Im Besonderen verweigerte er Frauen den Zugang zur Medizin, was er 1872 so begründete: „Die Beschäftigung mit dem Studium und die Ausübung der Medicin widerstreitet und verletzt die besten und edelsten Seiten der weiblichen Natur, die Sittsamkeit, die Schamhaftigkeit, Mitgefühl und Barmherzigkeit, durch welche sich dieselbe vor der männlichen auszeichnet.“ Bischoff war zudem der Meinung, dass Frauen auch vom Körperlichen her nicht zur Ausübung des Arztberufes geeignet seien, wobei er sich auf Messungen an Skelett, Kreislauf, Muskeln u. a. berief. Mit heute und auch zu seiner Zeit zweifelhaften naturwissenschaftlichen Methoden und ebenso viel ideologischem Aufwand trug Bischoff dazu bei, die alten geschlechtsspezifischen und hierarchischen Rollenmuster zu bewahren. Er reagierte dabei (auch unterstützt von seinem Nachfolger Nikolaus Rüdinger) auf Frauenemanzipations-Bestrebungen, zugleich regten seine Schriften auch Gegenschriften an u. a. Hedwig Dohm Die Antifeministen. Vgl. auch Carl Brühl (Wien).
Theodor von Bischoff war einer von vielen angesehenen Wissenschaftlern seiner Zeit, die gegen Frauen an Universitäten eintraten, es gab aber auch zahlreiche Professoren, die sich in der Studie von Arthur Kirchhoff Die Akademische Frau (1897) für eine Zulassung von Frauen zum Studium äußerten. Nach 1900 wurden Frauen nach und nach auch in den Ländern des Deutschen Reiches zum Studium zugelassen (in Bayern 1903, in Württemberg 1904, in Sachsen 1906, in Thüringen 1907, in Hessen und Preußen 1908 und in Mecklenburg 1909)
Grabstätte
Die Grabstätte von Bischoff befindet sich auf dem Alten Südlichen Friedhof in München (Gräberfeld 42, Reihe 13, Platz 14, Standort ). die Büste auf dem Grab stammt vom Bildhauer Christoph Roth (* 22. Juli 1840, Nürnberg † 22. März 1907, München) ein Schüler von Anselm Sickinger und Joseph Knabl. Ebenfalls im Grab bestattet ist Theodor von Bischofs Frau Kunigunde von Bischoff (geborene Tiedemann, * 3. März 1809, Nürnberg † 23. März 1889). Kunigunde hatte die Grabstelle 1861 ursprünglich für ihren Vater, den Anatom und Physiologen Friedrich Tiedemann (* 23. August 1781 in Kassel; † 22. Januar 1861 in München) erworben, bevor die Grabstelle beim Tod ihres Mannes 1883 in das Familiengrab Bischoff umgewandelt und vergrößert wurde.[6]
Quellen
- Edith Glaser: „Sind Frauen studierfähig?“ Vorurteile gegen das Frauenstudium. In: Elke Kleinau, Claudia Opitz (Hrsg.): Geschichte der Mädchen- und Frauenbildung. Band 2.
- Heinz-Jürgen Voß: Making Sex Revisited: Dekonstruktion des Geschlechts aus biologisch-medizinischer Perspektive. Transcript Verlag, Bielefeld 2010.
Literatur
- Robert Ritter von Töply: Bischoff, Theodor Ludwig Wilhelm. In: Allgemeine Deutsche Biographie (ADB). Band 46, Duncker & Humblot, Leipzig 1902, S. 570.
- Friedrich Mattick: Bischoff, Theodor von. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 2, Duncker & Humblot, Berlin 1955, ISBN 3-428-00183-4, S. 264–266 (Digitalisat).
- Michael Kutzer: Bischoff, Theodor Ludwig Wilhelm. In: Werner E. Gerabek, Bernhard D. Haage, Gundolf Keil, Wolfgang Wegner (Hrsg.): Enzyklopädie Medizingeschichte. De Gruyter, Berlin/ New York 2005, ISBN 3-11-015714-4, S. 184.
Einzelnachweise
- Kunigunde war in erster Ehe mit Vincenz Fohmann, in zweiter Ehe mit Theodor von Bischoff verheiratet.
- Ausländische Mitglieder der Russischen Akademie der Wissenschaften seit 1724. Theodor Ludwig Wilhelm Bischoff. Russische Akademie der Wissenschaften, abgerufen am 1. August 2015 (englisch).
- Holger Krahnke: Die Mitglieder der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen 1751–2001 (= Abhandlungen der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen, Philologisch-Historische Klasse. Folge 3, Bd. 246 = Abhandlungen der Akademie der Wissenschaften in Göttingen, Mathematisch-Physikalische Klasse. Folge 3, Bd. 50). Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2001, ISBN 3-525-82516-1, S. 40.
- Mitglieder der Vorgängerakademien. Theodor Ludwig Wilhelm von Bischoff. Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften, abgerufen am 23. März 2015.
- Eintrag zu Bischoff, Theodor Ludwig Wilhelm (1807–1882) im Archiv der Royal Society, London
- Claudia Denk, John Ziesemer: „Grabstätte 186“ in Kunst und Memoria, Der Alte Südliche Friedhof in München (2014), S. 497 ff und S. 506