Tay-Sachs-Syndrom

Das Tay-Sachs-Syndrom, auch unter den Bezeichnungen Morbus Tay-Sachs, Tay-Sachssche Krankheit und infantile amaurotische Idiotie (angeborene schwerste Intelligenzminderung mit Erblindung) bekannt, ist eine autosomal-rezessiv vererbte, mit Morbus Sandhoff zu den GM2-Gangliosidosen mit Hexosaminidasedefekt gehörende Fettstoffwechselstörung. Sie ist nach dem britischen Augenarzt Warren Tay und dem US-amerikanischen Neurologen Bernard Sachs benannt, welche die Krankheit erstmals in den Jahren 1881[1] bzw. 1898[2] dokumentierten. Die Krankheit führt zu progressiver Reduktion kognitiver Fähigkeiten, psychomotorischem Abbau, muskulärer Hypotonie, Lähmung, Spastik, Blind- und Taubheit, epileptischen Anfällen, zum kirschroten Fleck in der Makula und innerhalb weniger Jahre zum Tode.

Klassifikation nach ICD-10
E75.0 GM2-Gangliosidose
Tay-Sachs-Krankheit
ICD-10 online (WHO-Version 2019)

Epidemiologie

Die Häufigkeit der für die Krankheit verantwortlichen Mutation (Chromosom 15, Lokus 15q23-24, auch Alphakette genannt) ist bei aschkenasischen Juden osteuropäischer Herkunft auffällig erhöht. Sie kommt auch besonders häufig bei französischen Kanadiern, Iren und Cajuns vor.[3] Dort wird die Häufigkeit der heterozygoten Anlageträger mit 1:25 eingeschätzt.

Ätiologie

GM2-Ganglioside werden normalerweise kontinuierlich durch sequentielle Abspaltung der endständigen Zucker abgebaut. Den betroffenen Kindern fehlt das Enzym β-N-Acetylhexosaminidase, das für die Entfernung von terminalen N-Acetylgalactosaminresten zuständig ist. Daher ist der Gangliosidgehalt in Gehirn und Retina des Kindes drastisch erhöht. Nach Aufblähung der befallenen Nervenzellen kommt es schließlich zu deren Untergang.

Diagnose

Die Krankheit wird meistens zwischen dem dritten und achten Lebensmonat erkannt. Der Nachweis ist aufgrund verminderter Aktivität von Hexosaminidase A bzw. B in Blutserum, Leukozyten- oder Fibroblastenkulturen gegeben. Auch ein Heterozygotennachweis ist möglich (Pränataldiagnostik). Beim Morbus Tay-Sachs kann das Gangliosid GM2, welches ein wichtiger Bestandteil der Plasmamembran von Nervenzellen im Zentralen Nervensystem (ZNS) ist, auf Grund eines Mangels an Hexosaminidase A nicht abgebaut werden. Die Akkumulation führt zum Zelluntergang und Demyelinisierung, die sich durch Muskelschwäche und Sehverlust infolge einer Optikusatrophie äußern.

Symptomatik

  • Kirschroter Fleck auf der Makula bei über 95 % der Patienten
  • Zunehmende Muskelschwäche nach dem dritten Lebensmonat
  • Schreckreaktionen auf Schallreize
  • Psychomotorischer Abbau, Verlust des Sitz- und Stehvermögens
  • Zunehmende Schwerhörigkeit, Blindheit, Paresen sowie Spasmen
  • Puppenartiges Gesicht mit blasser durchscheinender Haut, langen Augenwimpern, feinem Haar und auffällig rosafarbener Gesichtsfarbe

Ergänzend hierzu:

Prognose

Die Patienten versterben in der Regel bis zum dritten Lebensjahr aufgrund einer rezidivierenden Pneumonie.

Therapie

Es können lediglich die Symptome therapiert werden.

Prävention

In besonders betroffenen Bevölkerungsgruppen werden zur Erfassung heterozygoter Anlageträger entsprechende Beobachtungsprogramme durchgeführt, so durch die Organisation Dor Yeshorim.[4][5] Diese können dazu dienen, die Trägerschaft der Eltern sowie das Risiko des Auftretens in der nächsten Generation zu bestimmen.

Um die Krankheit zu vermeiden, ist von einer Schwangerschaft abzuraten, falls beide Eltern als Träger bekannt sind. Familien, in denen die Krankheit bereits aufgetreten ist, nutzen die Möglichkeit einer genetischen Beratung im Vorfeld einer Schwangerschaft bzw. die pränatale Diagnostik (PND). Die Chorionzottenbiopsie kann zur Gewinnung von Biopsiematerial ab der zehnten Gestationswoche eingesetzt werden, auch die Amniozentese.[6]

Im Zuge der In-vitro-Fertilisation (IVF) kann eine Präimplantationsdiagnostik (PID) Aufschluss über das Risiko geben, wie bei anderen genetischen Dispositionen.[7] Hier sind rechtliche Beschränkungen zu beachten, außerdem ist die Prozedur aufwändig und daher kostenintensiv.

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. Warren Tay: Symmetrical changes in the region of the yellow spot in each eye of an infant. In: Transactions of the Ophthalmological Society of the United Kingdom. Band 1, 1881, ISSN 0078-5334, S. 55–57 (Digitalisat).
  2. Bernard Sachs: On arrested cerebral development, with special reference to its cortical pathology. In: The Journal of Nervous and Mental Disease. Band 14, Nr. 9/10, 1887, ISSN 0022-3018, S. 541–553 (Digitalisat).
  3. Tay-Sachs Diseases (englisch)
  4. Josef Ekstein, Howard Katzenstein: The Dor Yeshorim story: community-based carrier screening for Tay–Sachs disease. In: Advances in Genetics. Band 44, 2001, ISSN 0065-2660, S. 297–310, doi:10.1016/S0065-2660(01)44087-9, PMID 11596991.
  5. Nomi Stone: Erasing Tay–Sachs Disease. (Nicht mehr online verfügbar.) Archiviert vom Original am 22. Juni 2006; abgerufen am 16. August 2006.  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.dartmouth.edu
  6. Chorionic Villus Sampling and Amniocentesis: Recommendations for Prenatal Counseling. United States, Center for Disease Control, abgerufen am 18. Juni 2009.
  7. Molina B. Dayal: Preimplantation Genetic Diagnosis. eMedicine.com, 30. Dezember 2015, abgerufen am 18. Dezember 2017.

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