Tapa-Rindenbaststoff
Als Tapa, hawaiisch Kapa[1], bezeichnet man in Polynesien und Melanesien Stoffe, die aus Rindenbast hergestellt werden. Das Ausgangsmaterial stammt hauptsächlich vom Papiermaulbeerbaum (Broussonetia papyrifera aus der Familie der Moraceae), vereinzelt und lokal unterschiedlich aber auch von anderen Baumarten. Weitere häufiger verwendete Baumarten sind der Brotfruchtbaum (Artocarpus altilis), die Banyan-Feige und andere Feigenarten (Ficus spp.). Im Gegensatz zu weißem Tapa aus dem Papiermaulbeerbaum weist das Endprodukt dann eine orange-bräunliche Farbe auf.[2]
Herstellung
Die Rinde der jungen Bäume[3] wird großflächig abgezogen und der unter der äußeren Borke liegende Rindenbast abgelöst. Danach werden die Baststreifen gewässert und mit einem hölzernen Schlegel auf einem flach geschliffenen Stein oder einem Holzbrett in die Breite geklopft. Durch das Schlagen vergrößert sich nicht nur die Oberfläche, sondern die Fasern verfilzen auch miteinander, sodass ein fester Stoff entsteht. Die einzelnen Bahnen werden durch weiteres Schlagen miteinander verbunden oder mit Latex des Gummibaumes verklebt. Man bemalt die Tapa-Stoffe dann schwarz-weiß oder farbig mit traditionellen Motiven. Auf einigen Inseln Melanesiens prägt man auch erhabene oder vertiefte Muster mit Schablonen ein.
Verwendung
Tapa wird in der Südsee nicht nur zu traditionellen Kleidungsstücken verarbeitet, sondern auch vielfach anderweitig genutzt, ähnlich wie bei uns textiler Stoff. Schlafunterlagen, Vorhänge, Decken und andere Heimtextilien bestehen häufig aus Tapa-Stoffbahnen. In Polynesien werden Tote zur Aufbahrung in verzierte Tapa-Stoffe gehüllt oder wertvolle Geschenke in Tapa verpackt überreicht. Auf Vanuatu sind verzierte und bemalte Tapa-Gürtel traditionelle Rangabzeichen von Würdenträgern. Auf den Tonga- und den Fidschi-Inseln waren aufwendig verzierte Tapa-Tücher ein bedeutendes Ausstattungsdetail der königlichen Zeremonien und Feste.
Die Schutzpatronin der Baststoffhersteller auf Tahiti war die Mondgöttin Hina. Zudem war sie die Schutzherrin der weiblichen Fertigkeiten, zu denen auch die Tapa-Herstellung gehört. Der Legende nach kann man Hina im Vollmond sehen, wie sie Tapa klopft.[4] Die Oberpriester – als Zeichen ihres Ranges trugen sie weiße Gürtel aus Tapa-Rindenbaststoff – schälten bei Vollmond die Maulbeerbäume, die im Umfeld der Kultplattformen (Marae) wuchsen, um daraus Bekleidung für die Götterbilder herzustellen. Viermal im Jahr fand eine feierliche Zeremonie statt, in der die Statuen enthüllt, gesalbt und mit Tapa-Hüllen neu bekleidet wurden. Diesem Ritus durften nur Priester und Eingeweihte beiwohnen.[5]
Aus der Spätphase der Osterinsel-Kultur sind menschliche oder anthropomorphe Figuren (Paina) bekannt, hergestellt aus einem Gerüst aus elastischen Zweigen, mit Totora-Schilf ausgepolstert und mit bemaltem Tapa-Stoff bezogen. Es gibt Berichte über mehr als drei Meter hohe Paina-Figuren, die in Prozessionen vorangetragen wurden.[6]
Spätere Entwicklung
Mit Beginn der europäischen Einflussnahme im späten 18. und 19. Jahrhundert erweiterten und ergänzten sich die tradierten Muster um innovative Elemente, die von Europäern und Bewohnern anderer Inseln beeinflusst worden waren.[7] Dadurch entwickelten sich die Tapa-Arbeiten allmählich zu Souvenirs für Touristen und zu einer willkommenen Einkommensquelle für viele Südseeinseln.
Vergleichbare Produkte
Tapa aus gekochtem, in Streifen übereinandergelegtem Rindenbast, das auch im Mexiko des 18. Jahrhunderts v. Chr. nachgewiesen ist, gehört zu den Vorläufern des Papiers.[8]
Aus der Natalfeige Ficus natalensis wird in Uganda ein ähnliches Rindentuch hergestellt.[9][10]
Literatur
- Peter Mesenhöller, Oliver Lueb (Hrsg.): Made in Oceania. Tapa – Kunst und Lebenswelt / Tapa – Art and Social Landscapes. Nünnerich-Asmus Verlag, Mainz 2013, ISBN 978-3-943904-26-0.
- Matthias Claudius Hofmann, Vanessa Glisczynski (Hrsg.): And the Beat Goes On...: Rindenbaststoffe aus den Sammlungen des Weltkulturen Museums. Schriftenreihe Textil – Kultur – Mode, Band 3, BOD, 2017, ISBN 978-3-7448-9579-8.
Weblinks
Einzelnachweise
- kapa in Hawaiian Dictionaries.
- Roger Neich, Mick Pendergrast: Pacific Tapa. University of Hawai‘i Press, 2004, ISBN 0-8248-2929-8, S. 21.
- The optimal trees for making fine kapa are between 6' to 12' tall and harvested before they are two years old. (Die optimalen Bäume für die Herstellung von feinem Kapa sind zwischen 6' und 12' hoch und werden geerntet, bevor sie zwei Jahre alt sind.), siehe Kapa Making and Processing
- Roslyn Poignant: Ozeanische Mythologie. Emil Vollmer, Wiesbaden 1970, S. 41
- Hans Nevermann: Götter der Südsee – Die Religion der Polynesier. Spemann, Stuttgart 1947, S. 142.
- Kapitänleutnant Geiseler: Die Osterinsel – Eine Stätte prähistorischer Kultur in der Südsee. Berlin 1883, archive.org.
- John Onians (Hrsg.): DuMont Weltatlas der Kunst. Köln 2004, ISBN 978-3-8321-5333-5, S. 313.
- Michael Reiter: 600 Jahre Papier in Deutschland. In: Karl H. Pressler (Hrsg.): Aus dem Antiquariat. Band 8, 1990 (= Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel – Frankfurter Ausgabe. Nr. 70, 31. August 1990), S. A 340 – A 344, hier: S. A 340.
- Rindentuch auf materialarchiv.ch, abgerufen am 30. Juli 2017.
- Bark Cloth auf biooekonomie-bw.de, abgerufen am 30. Juli 2017.