Swatch-Internetzeit
Die Swatch-Internetzeit ist eine Dezimalzeit, die vom Uhrenhersteller Swatch vermarktet wurde und auch als Swatch Internet Time oder Biel Mean Time (BMT) bezeichnet wird.
Die Swatch-Internetzeit sollte nicht verwechselt werden mit der koordinierten Weltzeit (UTC) oder mit dem Network Time Protocol, über welches im Internet die Rechner-Uhren gestellt werden.
Die Swatch-Internetzeit wurde am 23. Oktober 1998 von Swatch und dem Entwickler des Systems Nicholas Negroponte ins Leben gerufen. Sie hat sich allerdings nicht durchgesetzt. Einige Uhren beherrschen noch die Anzeige als Zusatzfunktion. Swatch selbst äußert noch Hoffnung und nennt die Internetzeit einen quiet ghost (schlafenden Geist).[1]
Aufbau
Anstatt den Tag wie beim babylonischen System in 24 Stunden zu 60 Minuten zu 60 Sekunden zu unterteilen, wird der Tag in 1000 so genannte Beats eingeteilt. Ein solcher Beat ist damit 1 Minute und 26,4 Sekunden lang, zur weiteren Unterteilung kann man auch Nachkommawerte angeben. Notiert wird die Zeit durch ein At-Zeichen (@) und den Wert.
Die dezimale Einteilung erinnert an die Zeiteinteilung, welche zur Französischen Revolution eingeführt wurde, sich jedoch nicht durchsetzen konnte: Eine Minute in dieser Zeiteinteilung entspricht genau einem Beat.
Ein wesentliches Merkmal der Swatch-Internetzeit ist, dass sie nicht in unterschiedlichen Zeitzonen gemessen wird, sondern weltweit gleich ist. @417 in Berlin ist gleichbedeutend mit @417 in Chicago und Tokio. @0 ist gleichbedeutend mit 0 Uhr mitteleuropäischer Zeit, in der das Schweizer Biel/Bienne, Sitz der Swatch, liegt. Diese nennt die Internetzeit auch Biel Mean Time (BMT); dieser Sprachgebrauch ist ungenau, da man nach astronomischer Terminologie bei diesem Begriff – analog etwa zu Greenwich Mean Time – die mittlere Ortszeit in Biel erwarten würde, die gegenüber der MEZ um etwa 31 Minuten verzögert ist. Die Sommerzeit wird bei der Swatch-Internetzeit nicht berücksichtigt.
Vor- und Nachteile
Die zuvor angesprochene Allgemeingültigkeit der Zeitangabe wird von Swatch als Vorteil angepriesen. Durch die fortschreitende Internationalisierung und insbesondere das Aufkommen von Videokonferenzen und Chats mit Teilnehmern auf der ganzen Welt werden die Nachteile der unterschiedlichen Zeitzonen bei Terminabsprachen immer deutlicher, zumal die Zeitzonen auch die Datumsangabe betreffen. So ist es um 16 Uhr des 31. Oktobers in Chicago bereits 6 Uhr des 1. Novembers in Tokio. Dadurch, dass die Zeitzonen nicht nur um ganze Stunden von der UTC unterscheiden, sondern teilweise zusätzlich auch um eine halbe oder gar Viertelstunde, wird die Sache weiter verkompliziert. Die UTC ist jedoch bereits die Standardzeit im Internet. Zeitangaben im Internet, zum Beispiel im Header einer E-Mail, erfolgen üblicherweise entweder direkt in UTC oder unter genauer Angabe der Zeitzone, was zu UTC äquivalent ist. Somit erscheint der Sinn der Swatch-Internetzeit als fragwürdig.
Da es sich anders als beim babylonischen System um ein Dezimalsystem handelt, lässt sich mit der Swatch-Internetzeit besonders einfach rechnen. Wenn bekannt ist, dass ein Tag in 1000 Beats unterteilt ist, ist es für jemanden, der im Dezimalsystem rechnet, offensichtlich, dass ein Ereignis, welches 5500 Beats dauerte, fünfeinhalb Tage lang war. Von 132 Stunden auf denselben Zeitraum zu schließen, fällt hingegen nicht so leicht. Während aber die Umrechnung in Tage scheinbar erleichtert wird, wird die Umrechnung in die SI-Einheit Sekunde erschwert.
Allerdings gibt es auch weitere Nachteile der Internetzeit. Um widerspruchsfreie Zeitangaben zu ermöglichen, wurde der Datumswechsel nach der Internetzeit weltweit gleichzeitig auf @0 gelegt. Befindet man sich nicht in der mitteleuropäischen Zeitzone, liegt dieser Zeitpunkt je nach Standort nicht unbedingt in der Nacht. In New York ist dies beispielsweise um 18 Uhr der üblichen Zeitrechnung, was nicht unbedingt intuitiv ist. Auch wurde für das SI-Einheitensystem bereits die Sekunde als Basiseinheit für die Zeit festgelegt, von der zahlreiche andere Einheiten abgeleitet sind, zum Beispiel für Geschwindigkeit, Kraft oder Frequenz. Durch die Festlegung auf die mitteleuropäische Zeit als Referenzzeit wurde unnötigerweise ein weiterer Null-Meridian neben dem der koordinierten Weltzeit (UTC) eingeführt.
Durch die starke Bindung an den Hersteller Swatch wurde das Konzept als Werbemaßnahme und nicht als ernstzunehmendes technisches Konzept betrachtet.
Rezeption
Der Historiker Thomas Vogtherr sah in seinem Werk Zeitrechnung (2001, 2. Auflage 2006) nur geringe Erfolgsaussichten für die Swatch-Internetzeit. Unter dem „Etikett grösserer Klarheit“ komme, so Vogtherr, „nichts anderes als die seit langem immer wieder erfolglos versuchte Einführung des Dezimalsystems bei der Zeitrechnung“ daher.[2] Auch die europazentrische „Biel Mean Time“, die den Beginn der Beats-Zählung auf Mitternacht mitteleuropäischer Zeit legt, wurde von Vogtherr als Grund für ein wahrscheinliches Scheitern des Vorschlags genannt.[2]
Weblinks
Einzelnachweise
- Hodinkee: Recommended Reading: On The Media's TLDR Explains Swatch Internet Time, 22. Juni 2014.
- Thomas Vogtherr: Zeitrechnung. Von den Sumerern bis zur Swatch. 2. Auflage. C.H. Beck, München 2006, ISBN 978-3-406-44763-1, S. 119.