Struktur (erste Stufe)
Der Begriff der Struktur (englisch (first order) structures) ist ein Grundbegriff der mathematischen Teilgebiete der Modelltheorie und der universellen Algebra[1]. Eine Struktur ist dabei eine Menge, genannt Universum der Struktur, versehen mit Operationen auf dieser Menge. Eine Vielzahl mathematischer Strukturen (als informeller Begriff) lässt sich als eine solche Struktur auffassen, insbesondere jede algebraische Struktur und jede Ordnungsstruktur. Ein Beispiel für eine Struktur sind die natürlichen Zahlen versehen mit der Addition, der Multiplikation und dem Vergleich . In der Modelltheorie werden Strukturen mitunter auch Modelle genannt.
Definition
Eine Struktur ist eine Menge (genannt Universum, Grundbereich oder Träger von ) versehen mit
- Funktionen für eine beliebige natürliche Zahl , zu jedem aus einer Indexmenge
- und -stellige Relationen für eine beliebige natürliche Zahl , zu jedem aus einer Indexmenge ,
kann also als Tripel definiert werden. Eine nullstellige Funktion ist eine Konstante aus . Eine nullstellige Relation ist entweder oder und kann als Wahrheitswert gedeutet werden, Verum oder Falsum
Die jeweiligen Funktionen und Relationen können durch die Symbole einer geeigneten Symbolmenge bzw. Signatur dargestellt werden. Der Ähnlichkeitstyp oder Typ der Struktur ist dann gegeben durch eine Funktion die jedem Zeichen in die Stelligkeit der zugehörigen Funktionen sowie Relationen eindeutig zuordnet. Der Typ kann aber auch einfach durch die Familie aller Stelligkeiten angegeben werden. Eine Struktur mit der Signatur wird kurz -Struktur genannt. Enthält eine Struktur keinerlei Relationen, so wird sie algebraische Struktur genannt, enthält sie keinerlei Funktionen, dagegen relationale Struktur oder Relationensystem.
Varianten
Mitunter wird die Definition auf folgende Weisen modifiziert:
- Es wird gefordert, dass das Universum nicht leer ist.
- Es werden Konstanten explizit hinzugezählt.
- Nullstellige Relationen werden ausgeschlossen oder explizit hinzugezählt.
- Die Indexmengen müssen wohlgeordnet, also Ordinalzahlen sein.
Eine weitere Variante sind vielsortige Strukturen (englisch: many-sorted structures).
Die oben definierten Strukturen werden manchmal als einsortige Strukturen bezeichnet, um sie von den allgemeineren vielsortigen Strukturen zu unterscheiden: Eine vielsortige Struktur kann eine beliebige endliche Anzahl von Trägermengen haben, zusammengefasst in einer Familie . Deren Indizes werden Sorten genannt und bezeichnen die verschiedenen Trägermengen. Funktionen (ggf. auch partielle) und Relationen werden nicht mehr einfach durch ihre Gesamtstelligkeit (Anzahl der Argumente) beschrieben, sondern durch die Familie der Sorten all ihrer Argumente, bei den (partiellen) Funktionen kommt noch die Sorte des Funktionswerts (Bildbereich) hinzu. Diese Angaben definieren dann eine (komplexe) mehrsortige Signatur. Ein Beispiel dafür sind heterogene Algebren.
Bezug zur Logik
Die Modelltheorie untersucht die Beziehung zwischen logischen Formeln und Strukturen, für die solche Formeln in einem gewissen zu definierenden Sinne gelten. Die hier dargestellten Strukturen werden insbesondere in Bezug zur Prädikatenlogik erster Stufe untersucht. Prädikatenlogische Formeln werden als Elemente einer elementaren Sprache aufgefasst, welche die Verwendung gewisser Funktions- und Relationssymbole festgelegter Stelligkeit in den Formeln erlaubt. Diese Information wird als Signatur der Sprache bezeichnet. Stimmt diese mit der Signatur einer Struktur überein, so lässt sich die Struktur als Interpretation der Formel auffassen. Unter dieser Interpretation erhält die Formel nach bestimmten Regeln einen Wahrheitswert (informell gesprochen werden die jeweiligen Funktionen bzw. Relationen für die Funktions- bzw. Relationssymbole eingesetzt). Ist dieser das Verum, so heißt die Interpretation Modell der Formel.
Spezialfälle
In vielen Fällen ist eine Beschränkung auf relationale Strukturen möglich. Jede -stellige Funktion lässt sich als -stellige Relation auffassen. Dasselbe gilt für partielle Funktionen. Auch heterogene Algebren lassen sich als relationale Strukturen auffassen: Jede Grundmenge wird als einstellige Relation auf der Vereinigung der Grundmengen aufgefasst. Dabei ändern sich jedoch die Homomorphie- und Substrukturbegriffe. Jedoch sind die jeweiligen Eigenschaften (Funktion, partielle Funktion etc.) in der Prädikatenlogik erster Stufe definierbar. Somit lassen sich Überlegungen etwa bezüglich Axiomatisierbarkeit, elementarer Äquivalenz, Erfüllbarkeit oder Entscheidbarkeit auf relationale Strukturen beschränken. Der Begriff der elementaren Substruktur ändert sich nicht. Algebraische Strukturen dagegen bilden einen wichtigen Spezialfall, der insbesondere in der universellen Algebra untersucht wird. Über durch Gleichungslogik definierte Klassen algebraischer Strukturen lassen sich hier weitreichendere Aussagen machen als in der allgemeinen Modelltheorie der Prädikatenlogik erster Stufe. Falls eine Struktur nur nullstellige Relationen enthält, so heißt sie aussagenlogische Interpretation. Solche Strukturen erlauben eine modelltheoretische Betrachtung der Aussagenlogik.
Beispiele
Man betrachte eine Signatur bestehend aus einer Indexmenge und einer Indexmenge . und mögen die Stelligkeit besitzen, und dagegen die Stelligkeit . habe die Stelligkeit .
Die Struktur der natürlichen Zahlen besteht aus der Menge der natürlichen Zahlen, wobei dem Index bzw. Symbol die Addition auf den natürlichen Zahlen zugeordnet wird, die Multiplikation auf den natürlichen Zahlen , die Konstante , die Konstante und der Vergleich .
Analog lassen sich auf derselben Signatur etwa die Strukturen der ganzen Zahlen oder der rationalen Zahlen mit ihren bekannten Verknüpfungen definieren.
Homomorphismen
Konstruktion abgeleiteter Strukturen
Redukte und Expansionen
Durch Weglassen von Relationen oder Funktionen lässt sich aus einer Struktur eine neue Struktur bilden: Ist eine Struktur mit Signatur und , so existiert genau eine Struktur mit Signatur mit demselben Universum wie , die auf mit übereinstimmt, genannt Redukt von . Umgekehrt lassen sich Strukturen um zusätzliche Relationen oder Funktionen expandieren. Ist ein Redukt von , so heißt Expansion von . Ein in der Modelltheorie häufig auftretender Spezialfall ist die Expansion um Konstanten.
Unterstrukturen
Eine Unterstruktur oder Substruktur mit Universum einer Struktur mit Universum ist eine Struktur mit derselben Signatur wie , sodass sich die Relationen und Funktionen in durch Einschränkung der Relationen und Funktionen in auf das Universum ergeben. Für relationale Strukturen existiert zu jeder Teilmenge eine eindeutige induzierte Unterstruktur mit diesem Universum. Für allgemeine Strukturen ist dies nicht unbedingt der Fall, da nicht jede Teilmenge des Universums abgeschlossen unter den Funktionen der Struktur sein muss. Die Unterstrukturen einer Struktur bilden ein algebraisches Hüllensystem.
In der Modelltheorie spielen als Spezialfall elementare Unterstrukturen eine zentrale Rolle.
Produkte, Vereinigungen und Quotienten
Aus einer Familie von Strukturen lässt sich das direkte Produkt (kartesisches Produkt) (hier kurz ) bilden als Struktur über dem kartesischen Produkt der Universen als Universum, sodass für Relationssymbole gilt: (Funktionen seien als Relationen aufgefasst, dieses Produkt ist jedoch in diesem Fall wiederum eine Funktion). Diese Konstruktion liefert ein Produkt im Sinne der Kategorientheorie in der Kategorie der Strukturen über der gegebenen Signatur mit beliebigen Homomorphismen als Morphismen.[2]
Für relationale Strukturen lässt sich eine disjunkte Vereinigung einer Familie definieren, indem man die mengentheoretischen disjunkten Vereinigungen der Universen und der jeweiligen Relationen bildet, wobei die disjunkte Vereinigung von Relationen auf offensichtliche Weise mit einer Relation auf der disjunkten Vereinigung der Universen identifiziert wird.[3] Dies liefert ein Koprodukt in oben genannter Kategorie.
Auch lässt sich ein Quotient einer relationalen Struktur bezüglich einer Äquivalenzrelation bilden. Universum bilden dabei die Äquivalenzklassen von , die Relationen seien definiert durch . Die kanonische Surjektion liefert einen Homomorphismus . Umgekehrt liefert jeder Homomorphismus als Kern eine Äquivalenzrelation auf . Forderungen an den Homomorphismus, etwa, dass es sich um einen starken Homomorphismus handelt, lassen sich in Forderungen an die zugehörige Äquivalenzrelation übersetzen. Vergleiche hierzu auch die stärkere Forderung nach einer Kongruenzrelation im algebraischen Fall.[4]
Als spezielle Quotienten von direkten Produkten ergeben sich Ultraprodukte.
Literatur
- Heinz-Dieter Ebbinghaus, Jörg Flum und Wolfgang Thomas: Einführung in die mathematische Logik. Vierte Auflage. Spektrum Akademischer Verlag, Heidelberg 1996, ISBN 3-8274-1691-4.
- Wolfgang Rautenberg: Einführung in die Mathematische Logik. 3. Auflage. Vieweg+Teubner, Wiesbaden 2008, ISBN 978-3-8348-0578-2, doi:10.1007/978-3-8348-9530-1.
Einzelnachweise
- Bjarni Jónsson: Topics in Universal Algebra. Springer, Berlin 1972, ISBN 3-540-05722-6.
- Hodges: Model Theory, S. 413.
- Ebbinghaus, Flum: Finite Model Theory, S. 4.
- Michał Walicki, Marcin Białasik: Categories of relational structures. Recent Trends in Algebraic Development Techniques, Volume 1376 of the series Lecture Notes in Computer Science S. 418–433. doi:10.1007/3-540-64299-4_48.