Steuerflucht
Steuerflucht bezeichnet die Verlagerung von Einkunftsquellen, Betriebssitz, Wohnsitz oder Aufenthaltsort in andere Staaten oder Wirtschaftsgebiete aus steuerlichen Gründen. Zielländer sind häufig sogenannte Steueroasen (Niedrigsteuerland). Die Bezeichnung Steuerflucht wird sowohl für Fälle illegaler Steuerhinterziehung als auch bei legaler, von manchen jedoch als moralisch fragwürdig angesehener Steuervermeidung verwendet. Der Begriff fungiert auch als politisches Schlagwort.
Um Steuerflucht zu begrenzen, haben sich die G7-Staaten Mitte 2021 auf eine weltweite Mindeststeuer geeinigt.[1]
Abgrenzung
Insbesondere Kapitaleinkünfte sind einfach zu verlagern und daher oft Gegenstand von Steuerflucht. Eine solche Kapitalflucht ist jedoch vielfach nicht (allein) steuerlich motiviert, sondern auch aus anderen Gründen wie der Sorge um eine Abwertung der eigenen Währung.
Eine Abwanderung von Unternehmen findet aus steuerlichen Gründen statt, wenn die Wettbewerbsfähigkeit durch die Steuerbelastung beeinträchtigt wird. Transnationale Unternehmen verlagern Gewinne in Tochtergesellschaften (und seien es Briefkastengesellschaften) in Länder mit niedrigen Steuersätzen. Mit Regelungen über Hinzurechnungsbesteuerung, Verrechnungspreise u. ä. versuchen Hochsteuerländer dies einzugrenzen.
Nach deutschem Steuerrecht
Das deutsche Steuerrecht knüpft für die Besteuerung einer Person an deren (Wohnsitz oder Unternehmenssitz) oder bei natürlichen Personen an ihren gewöhnlichen Aufenthalt und bei Körperschaften an den Ort der Geschäftsleitung an. Im Gegensatz zu den USA hat die Bundesrepublik Deutschland, bis auf einige Spezialfälle, kein Besteuerungsrecht über seine Staatsbürger aufgrund ihrer Nationalität unabhängig von deren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt. Hat eine natürliche Person einen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland, dann ist sie grundsätzlich mit ihrem gesamten Welteinkommen in Deutschland steuerpflichtig (unbeschränkte Steuerpflicht). Um eine Doppelbesteuerung aufgrund gleichzeitig bestehender Besteuerungsrechte verschiedener Staaten zu vermeiden oder abzumildern, gibt es Doppelbesteuerungsabkommen.
Eine beschränkte Steuerpflicht kann sich auch ergeben, wenn eine natürliche Person zwar keinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in einem Land innehat, aber Einkünfte in diesem Land erzielt, beispielsweise das im Ausland gelegene und vermietete Haus; Dividende von ausländischen Unternehmen (Quellensteuer). Dann ist sie in dem Staat, in dem sich die Einkunftsquelle befindet, (und zwar nur) mit der dortigen Einkunftsquelle steuerpflichtig, wenn sich aus einem Doppelbesteuerungsabkommen nichts anderes ergibt.
Manche Staaten versuchen eine Steuerflucht zu erschweren, indem sie sich das Besteuerungsrecht (zumindest für eine gewisse Zeit noch) nach einem Wohnsitz- oder Betriebssitzwechsel ins Ausland sichern, Deutschland beispielsweise durch das Außensteuergesetz (AStG).
Umfang
2012 ergibt eine Studie der Organisation Tax Justice Network (Netzwerk für Steuergerechtigkeit) unter der Feder von James S. Henry, dass den Heimatstaaten bis zu 280 Milliarden Dollar an Einkommensteuern durch Steuerflucht verloren gehen. Finanzvermögen von 21 bis 32 Billionen Dollar sei in Steueroasen angelegt.[2] Andere Autoren, wie z. B. Gabriel Zucman betrachten diese Zahlen als unrealistisch. Er selbst errechnet eine Spanne von ca. 6–10 Billionen Dollar.[3]
Im sogenannten Offshore-Leaks berichteten im April 2013 weltweit Medien von einem Datensatz mit 130.000 Namen von Personen, die ihr Vermögen in Steueroasen angelegt haben sollen.[4]
Das Vermeiden von Steuern wird oft mit großen Konzernen wie Google und Amazon in Verbindung gebracht, wird aber auch vom sogenannten Mittelstand betrieben. Zahlreiche Familienunternehmen wie Liebherr oder die Unternehmensgruppe Theo Müller haben aus steuerlichen Gründen den Sitz des Unternehmens oder sogar den Wohnsitz ins Ausland verlegt.
Steuerflucht und Entwicklungspolitik
Im Jahr 2009 haben luxemburgische Nichtregierungsorganisationen, die zu wesentlichem Teil durch die Regierung Luxemburgs finanziert werden, kritische Berichte veröffentlicht. Darin wurde der Versuch unternommen, die Geldströme zwischen Steueroasen und Entwicklungsländern aufzuzeigen. Nachdem die Politik scharf reagiert hatte, hat man sich von den Berichten offiziell distanziert.[5]
Siehe auch
Weblinks
- Video ZDFzoom: Flucht in die Karibik (22. Mai 2013, 10:00 Uhr, 29:32 Min.) in der ZDFmediathek, abgerufen am 9. Februar 2014.
- PBS, 19. Februar 2004 Interview mit US-Senator Carl Levin zu seiner Gesetzesinitiative gegen Steuerflucht Stop Tax Haven Abuse Act
- spiegel.de (22. Juli 2012): Kapitalflucht-Studie: Reiche bunkern mehr als 20 Billionen Dollar in Steueroasen (Studienautor: James Henry)
- Steuerfrei - Die Story im Ersten: Steuerfrei - Wie Konzerne Europas Kassen plündern - Reportage und Dokumentation - ARD – Das Erste (Memento vom 23. August 2013 im Internet Archive) – Sendetermin 19. August 2013 (per Mediathek verfügbar)
Einzelnachweise
- tagesschau.de: Ein historischer Durchbruch
- derstandard.at: Reiche haben bis zu 32 Billionen Dollar in Steueroasen.
- Gabriel Zucman: La richesse cachée des nations: enquête sur les paradis fiscaux. Seuil: La République des idées. Paris 2013, ISBN 9782021114317.
- Süddeutsche Zeitung: Sueddeutsche: Geheime Geschäfte in Steueroasen enttarnt vom 4. April 2013.
- — (Memento vom 1. November 2012 im Internet Archive), http://www.lenk.lu/node/2681.