Sozialraumanalyse
Die Sozialraumanalyse ist ein Instrumentarium, welches sich der Methoden der empirischen Sozialforschung bedient, um zum Beispiel eine Vergleichbarkeit bestimmter Stadtteile zu erreichen. Kommunen nutzen die Sozialraumanalyse, um für die Kommunalpolitik den Hilfebedarf eines Stadtteils abzuschätzen.
Geschichte der Sozialraumanalyse
Die Geschichte der Sozialraumanalyse findet ihren Ursprung in den USA der 1960er Jahre. Wissenschaftler wie Eshref Shevky und Wendell Bell entwickelten die social area analysis als Instrument zur Analyse der Stadtkultur[1]. Basierend auf der Annahme, dass sich Gesellschaften auf eine größere Differenzierung und Komplexität hin entwickeln, wurden Indikatoren festgelegt, welche, angewendet auf die Stadt, als Indikatoren der Stadtentwicklung angesehen werden konnten. Im Vordergrund der Sozialraumanalyse stehen die theoretische Begründung und die Verallgemeinerbarkeit dieser Indikatoren. Die folgende Tabelle zeigt beispielhaft die Dimensionen und Indikatoren, welche damals festgelegt wurde, und noch wirksam ist.
Dimensionen | Indikatoren |
---|---|
Sozialer Raum |
|
Urbanisierung |
|
Ethnische Segregation |
|
Man geht also von mehreren festgelegten Dimensionen aus, welche mit bestimmten Variablen für jeden Teilbezirk berechnet werden. Im Modell von Shevky und Bell bilden die drei genannten Dimensionen die Grundlage der städtischen Strukturierung.[2]
Sozialraumanalyse heute
Das Feld sozialräumlicher Analysen ist in der Praxis sehr heterogen. Es existiert keine allgemein gültige Definition, sowie kein determiniertes Methodenpaket. Konsens ist jedoch heute wie früher, dass mithilfe statistischer Messdaten eine gewisse Vergleichbarkeit der ausgewählten Stadtteile städtischer Teilgebiete erreicht werden. Die Problemlagen der städtischen Entwicklung sind, wie man den folgenden Punkten entnehmen kann, komplexer geworden.
Die Ziele der Sozialraumanalyse belaufen sich demnach unter anderen auf:[3]
- die stadt- bzw. landkreisspezifische Darstellung kleinräumiger Strukturen, Probleme und Entwicklungsvorhaben,
- die Klärung geeigneter Sozialraumzuschnitte (also die Frage ab welcher Größenordnung geht der Lebensweltbezug verloren und inwieweit treffen offizielle Gebietsgliederungen faktische Lebenswelten?),
- die Darstellung von sozialer Ungleichheit und Unterversorgungslagen,
- die Ermittlung besonderer Bedarfsgruppen und vorrangiger Räume, denen in Zeiten knapper Finanzierung in erster Linie Unterstützung zukommen soll oder sollte,
- die Ermittlung von Ressourcen und Potentialen nachbarschaftlicher Hilfen, sozialer Netzwerke und bürgerschaftlichen Engagements in den Quartieren.
Aufgrund der beschrieben Zielsetzung der Sozialraumanalyse, ist sie auch für die städtische Sozialplanung interessant, da sie auch aufzeigen kann, ob und in welcher Dringlichkeit und mit welchem inhaltlichen Schwerpunkt soziale Dienstleistungen zu erbringen sind.
Im nächsten Schritt der Sozialraumanalyse werden Prozentzahlen gesammelt und mithilfe einer Standardisierungsformel vereinheitlicht. Hinter dieser Aussage verbirgt sich ein enormes Spektrum an möglichen Erhebungs- sowie Auswertungsmethoden der empirischen Sozialforschung, welcher sich -der jeweiligen Situation angemessen-, bedient werden kann. Dem entspricht auch die anfangs erwähnte Heterogenität.[4]
Neuere Ansätze (Riege/Schubert 2005, Spatscheck/Wolf-Ostermann 2016) verfolgen neben den genannten quantitativen Ansätzen auch qualitative Ansätze der Datenerhebung und Interpretation. Auf diese Weise werden subjektive und lebensweltlich bestimmte Bedeutungen von Sozialräumen erfasst und Prozesse der Raumaneignung und -gestaltung in ihren Qualitäten sicht- und rekonstruierbar. Diese Verfahren werden oft zur Konzept- und Konzeptionsentwicklung im Rahmen der sozialräumlichen Öffnung und Weiterentwicklung von sozialen, gesundheits- und bildungsbezogenen Diensten genutzt.
Als Beispiele moderner Methoden zu nennen sind beispielsweise in der Jugendarbeit eingesetzte Methoden wie die Sozialraumbegehung bzw. Stadtteilbegehung (basierend einer Idee von Norbert Ortmann wird eine Begehung auf einer von den Heranwachsenden vorgeschlagenen Route vorgenommen und zum Beispiel mit Fotodokumentation oder Diktiergerät dokumentiert), die Nadelmethode (Markierung von besonders bedeutsamen von Orten innerhalb eines Lebensraumes auf einer geographischen Karte) und weitere Methoden. Zu den Risiken dieser Ansätze gehört, dass falsche Erwartungen über eine Umsetzung der eigenen Wünsche bei den Heranwachsenden geweckt werden können oder auch dass je nach Umfang der Informationsweitergabe das gesammelte Wissen als Herrschaftswissen eingesetzt werden kann.[5]
Literatur
- Deutscher Verein für öffentliche und private Fürsorge (Hrsg.): Fachlexikon der sozialen Arbeit. 5. Auflage, Frankfurt am Main 2002, ISBN 3-17-006848-2, S. 909–910.
- Marlo Riege, Herbert Schubert (Hrsg.): Sozialraumanalyse, Grundlagen – Methoden -Praxis. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden 2005, ISBN 3-531-33604-5.
- Christian Spatscheck, Karin Wolf-Ostermann: Sozialraumanalysen. Ein Arbeitsbuch für soziale, gesundheits- und bildungsbezogene Dienste. UTB / Verlag Barbara Budrich, Opladen 2016, ISBN 978-3-8252-4580-1
- Michael Urban, Ulrich Weiser: Kleinräumige Sozialraumanalyse – Theoretische Grundlagen und praktische Durchführung. Dresden 2006, ISBN 3-937951-35-0.
Weblinks
Einzelnachweise
- http://www.socialareasofcincinnati.org/files/FifthEdition/Chapter01_color.pdf
- sotomo.geo.unizh.ch (Memento des Originals vom 18. September 2004 im Internet Archive) Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis. (PDF)
- vsop.de (Seite nicht mehr abrufbar, Suche in Webarchiven) Info: Der Link wurde automatisch als defekt markiert. Bitte prüfe den Link gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.
- Fachlexikon soziale Arbeit. 2002, S. 909–110
- Richard Krisch: Methoden einer sozialräumlichenLebensweltanalyse. Aus: Ulrich Deinet, RichardKrisch: Der sozialräumliche Blick der Jugendarbeit. Methoden und Bausteine zur Konzeptentwicklung und Qualifizierung, Leske und Budrich, 2002. S. 87–154.