Sozialgeld
Sozialgeld nach § 19 Abs. 1 Satz 2 SGB II ist in Deutschland eine Fürsorgeleistung im Rahmen der Grundsicherung für Arbeitssuchende und hilfebedürftige Personen, die nicht erwerbsfähig sind – und somit keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld II haben –, die aber mit einer erwerbsfähigen Person in einer Bedarfsgemeinschaft im Sinne des § 7 Abs. 3 SGB II leben, die selbst dem Grunde nach ALG II beanspruchen kann.
Durch die Gewährung von Sozialgeld durch das für das ALG II zuständige Jobcenter anstelle von Sozialhilfe durch das Sozialamt soll vermieden werden, dass für die einzelnen Angehörigen einer Bedarfsgemeinschaft unterschiedliche Behörden zuständig sind.
Kein Sozialgeld, sondern Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach § 41 SGB XII erhalten Personen, die voll erwerbsgemindert sind oder die Regelaltersgrenze erreicht haben.
Leistungsberechtigte
Sozialgeld erhalten hilfebedürftige Personen, die
- nicht erwerbsfähig sind, weil sie unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes nicht mindestens drei Stunden täglich arbeiten können, und
- mit einem erwerbsfähigen Hilfebedürftigen, der selbst dem Grunde nach Leistungen nach dem SGB II beanspruchen kann, in einer Bedarfsgemeinschaft im Sinne des § 7 Abs. 3 SGB II leben, und
- keinen Anspruch auf Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach § 41 SGB XII haben.
Der somit für das Sozialgeld in Betracht kommende Personenkreis umfasst folgende Personengruppen:
- Kinder bis zur Vollendung des 15. Lebensjahres, die in einer Bedarfsgemeinschaft leben,
1.699.413 (Stand Dezember 2018)[1] - dauerhaft erwerbsunfähige Minderjährige in einer Bedarfsgemeinschaft bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres oder
- volljährige Leistungsberechtigte in einer Bedarfsgemeinschaft, die weder voll erwerbsgemindert sind noch die Regelaltersgrenze erreicht haben.
Auch nicht erwerbsfähige, minderjährige Kinder von Auszubildenden, die eine nach dem BAföG oder nach §§ 51, 57, 58 SGB III (Berufsausbildungsbeihilfe) förderungsfähige Ausbildung absolvieren und deshalb nach § 7 Abs. 5 SGB II selbst keinen Anspruch auf ALG II haben, haben Anspruch auf das Sozialgeld.
Statistik
Im Mai 2019 gab es etwa 3 Millionen Bedarfsgemeinschaften nach dem SGB II in Deutschland, davon bezogen etwa 1/2 Million Sozialgeld. Es werden 75 Millionen Euro Sozialgeld pro Monat ausgezahlt. Eine Bedarfsgemeinschaft mit Anspruch auf Sozialgeld erhält im Durchschnitt 158 Euro Sozialgeld pro Monat. Der durchschnittliche Sozialgeldanspruch einer BG mit bis zu 2 Kindern unter 18 Jahren beträgt pro Kind 20 Euro in Alleinerziehenden-BG, 40 Euro in Partner-BG. Es gibt etwa 1 Million Bedarfsgemeinschaften mit Kindern, davon die Hälfte alleinerziehend.[1][2]
Umfang des Sozialgeldes
Das Sozialgeld umfasst die Leistung zur Deckung der folgenden Bedarfe:
- den Regelbedarf für Erwachsene, junge Erwachsene, Jugendliche oder Kinder nach §§ 20, 23 SGB II,
- die Mehrbedarfe nach §§ 21, 23 SGB II und
- die Bedarfe für Unterkunft und Heizung nach §§ 22 ff. SGB II.
Geschichte
Das Sozialgeld ist eine Leistung für Hilfebedürftige, die im Januar 2005 aus den Änderungen der Sozialgesetze nach dem Hartz-Konzept entstanden ist.
Nach den Vorstellungen der Hartz-Kommission war vorgesehen, dass das Sozialgeld die bisherige Sozialhilfe ersetzen und von den Sozialämtern, also durch die Kommunen, verwaltet werden solle.[3] Die Sozialämter sollten die Sozialhilfeberechtigten in einer Servicestelle unter dem Dach eines Jobcenter betreuen.[4]
Dieses weitreichende organisatorische Konzept wurde letztlich nicht umgesetzt. Dem Gedanken einer einheitlichen Anlaufstelle („one-face-to-the-customer“) wurde dadurch Rechnung getragen, dass die nicht erwerbsfähigen Hilfebedürftigen, die mit ALG II-Empfängern in einer Bedarfsgemeinschaft leben, keine Sozialhilfe durch das Sozialamt, sondern Sozialgeld von der gleichen Stelle erhalten sollten, die auch das ALG II erbringt. Für alle anderen Nichterwerbsfähigen blieb es bei der Sozialhilfe.
Die als Zusammenlegung der beiden Leistungen Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe bezeichneten Maßnahmen betreffen somit nicht alle bisherigen Sozialhilfe-Empfänger. Aus den beiden zusammengefügten Leistungen sind daher drei geworden: ALG II, Sozialgeld und (weiterhin) Sozialhilfe. Das Sozialgeld nach SGB II wird, anders als die Sozialhilfe, nicht von den Kommunen, sondern vom Bund gezahlt.[5]
Vermögensfreibeträge
Es gelten dieselben Freibeträge wie für erwerbsfähige Hilfebedürftige (→ ALG II-Freibeträge). Dies ist ein erheblicher Unterschied gegenüber der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung (Freibetrag 5.000 € → Vermögensanrechnung) und ebenso beim Wohngeld (dort „Vermögensfreigrenze“ genannt).
Anrechnung von Einkommen
Einkünfte werden wie beim Arbeitslosengeld II für erwerbsfähige Hilfebedürftige (→ Einkommensanrechnung) angerechnet. Zu den Einkünften zählen vor allem das Kindergeld, aber auch Kindesunterhalt, sowie die meisten anderen Sozialleistungen.
Siehe auch
- Hilfe zum Lebensunterhalt (HLU)
- Grundsicherung (GSi)
- relative Armut
Literatur
- AG TuWas Rainer Roth, Harald Thomé (Hrsg.): Leitfaden Alg II/Sozialhilfe (23. Aufl.). Frankfurt am Main: Digitaler Vervielfältigungs- und VerlagsService 2005 (ISBN 3-932246-50-0).
- Agenturschluss (Hrsg.): Schwarzbuch Hartz IV. Sozialer Angriff und Widerstand – Eine Zwischenbilanz. Hamburg, Berlin: Assoziation A 2006 (ISBN 3-935936-51-6).
- Peter Hartz et al.: Moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt. Vorschläge der Kommission zum Abbau der Arbeitslosigkeit und zur Umstrukturierung der Bundesanstalt für Arbeit. Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung. Berlin 2002 (Kurzfassung, 19 S.; Langfassung (Memento vom 27. September 2007 im Internet Archive) (PDF; 12,9 MB), 355 S.).
- Arbeitslosenprojekt TuWas [Udo Geiger, Ursula Fasselt, Ulrich Stascheit, Ute Winkler] (Hrsg.): Leitfaden zum Arbeitslosengeld II. Der Rechtsratgeber zum SGB II (2. Aufl.). Frankfurt am Main: Fachhochschulverlag 2006 (ISBN 3-936065-70-5).
Einzelnachweise
- Kinder in Bedarfsgemeinschaften
- Zahlungsansprüche von Bedarfsgemeinschaften
- Hartz 2002: 27; 129
- Moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt Vorschläge der Kommission zum Abbau der Arbeitslosigkeit und zur Umstrukturierung der Bundesanstalt für Arbeit, S. 193.
- AG TuWas 2005: 206