Septakkord
Ein Septakkord, auch Septimenakkord ist ein Vierklang. Zum Dreiklang aus Grundton, Terz- und Quintstufe der jeweiligen diatonischen Tonleiter tritt die Septstufe als Erweiterung um ein weiteres Terzintervall hinzu. Septakkorde gelten in der traditionellen Harmonik als dissonant und auflösungsbedürftig. Erst ab dem späteren 19. Jahrhundert (ca. letztes Drittel der Epoche) entwickelte sich der Septakkord allmählich zu einem Akkordtyp, der nicht mehr unbedingt einer Auflösung bedurfte. In der Jazzharmonik spielt der Septakkord in all seinen Formen eine zentrale Rolle und löst den Dreiklang als harmonisches „Basismaterial“ ab.
Dominantseptakkorde tauchen in Form von Durchgängen und Vorhalten erstmals etwa um 1600, also in der Musik der späten Renaissance auf. Als Akkorde mit eigener harmonischer Funktion finden sie sich erst bei Komponisten des Hochbarock.[1]
Bildung und Arten von Septakkorden
Mit den oben genannten Bezeichnungen Grundton, Terz, Quinte und Septime sind die Tonstufen der zugrundeliegenden diatonischen Tonleiter gemeint. Man kann die Septakkorde aber auch als „Schichtung“ von drei Terz-Intervallen übereinander beschreiben; die Arten von Septakkorden unterscheiden sich dann in der Verwendung von kleinen und großen Terzen. Die folgende Tabelle nennt die Namen der verschiedenen Septakkorde, welche Dreiklänge ihnen zugrunde liegen, welche Septime hinzugefügt ist, wie sie beispielhaft vom Ton c aus gebildet werden, wie sie als Akkordsymbole notiert werden und auf welchen Stufen der folgenden Tonleitern sie vorkommen: Dur, natürliches/äolisches Moll, harmonisches Moll, melodisches Moll aufwärts (abwärts ist das melodische Moll mit dem natürlichen identisch):
Name | Dreiklang | +Septime | Beispiel | Akkordsymbol (Jazzharmonik) |
Dur | nat. Moll | harm. Moll | mel. Moll aufwärts |
---|---|---|---|---|---|---|---|---|
Dominantseptakkord | Dur | klein | c–e–g–b | C7 | V | VII | V | IV, V |
Großer Septakkord | Dur | groß | c–e–g–h | Cmaj7, CΔ, C7+ | I, IV | III, VI | VI | – |
Mollseptakkord | Moll | klein | c–es–g–b | Cm7 | II, III, VI | I, IV, V | IV | II |
Mollseptakkord mit großer Septime | Moll | groß | c–es–g–h | Cmmaj7, CmΔ, Cm7+ | – | – | I | I |
Halbverminderter Septakkord | vermindert | klein | c–es–ges–b | CmØ, Cm7♭5, Cm5-/7 | VII | II | II | VI, VII |
Verminderter Septakkord* | vermindert | vermindert | c–es–ges–heses[Anm 1] | C°7, Cdim7, Cv7 | – | – | VII | – |
Übermäßiger Septakkord | übermäßig | groß | c–e–gis–h | C+7, Caug7, C5+/7+ | – | – | III | III |
* auch: „Ganzverminderter Septakkord“ oder „Vollverminderter Septakkord“
Umkehrungen von Septakkorden
Septakkorde können in der Grundstellung (mit drei Terzen) und in drei Umkehrungen (mit 2 Terzen und einer Sekunde) auftreten:
- Grundstellung – Septakkord
- 1. Umkehrung – Quintsextakkord
- 2. Umkehrung – Terzquartakkord
- 3. Umkehrung – Sekundakkord
Die Akkordbezeichnungen stammen aus dem Generalbass und leiten sich aus dessen Intervallschichtung über dem tiefsten Akkordton her.
Dominantische Septakkorde
Dominantseptakkord
Funktion
Der Dominantseptakkord wird meist, aber nicht immer als Dominante gehört und gedeutet. In seltenen Ausnahmefällen kann er in anderer Funktion erscheinen, so z. B. (als leitereigener Akkord) auf der IV. Stufe der aufwärtsführenden melodischen Molltonleiter in subdominantischer Funktion.
Auflösung
Bei der Auflösung des Dominantseptakkordes haben zwei Töne eine eindeutige Tendenz: Der Terzton des Dominantseptakkordes ist gleichzeitig der Leitton (VII. Stufe der Tonleiter) und wird aufsteigend (kleine Sekunde/Halbtonschritt) in den Grundton der I. Stufe (Tonika) aufgelöst; der Septton des Dominantseptakkords fällt als Gleitton (in Dur um eine kleine, in Moll um eine große Sekunde) in den Terzton der Tonika.
Wenn sich im vierstimmigen Satz der Grundton im Bass um eine Quarte aufwärts oder um eine Quinte abwärts zu jenem der Tonika bewegt, bleibt nur mehr der Quintton. Dieser fällt meistens zum Grundton der Tonika oder er steigt zum Terzton der Tonika. Somit ergibt die Auflösung eines vollständigen Dominantseptakkordes im vierstimmigen Satz einen unvollständigen Tonika-Dreiklang, bei dem der Quintton fehlt: Der Grundton ist entweder verdreifacht oder Grundton und Terzton sind verdoppelt.
Bei einem so genannten unvollständigen Dominantseptakkord ist der Grundton verdoppelt und dafür fehlt der am wenigsten charakteristische Ton, der Quintton. (Der Terzton ist entscheidend für die Dur-Moll-Charakteristik, der Septton macht den Akkord erst zum Septakkord. Das Fehlen der reinen Quinte hingegen fällt dem Ohr kaum auf). Dieser Akkord löst sich im vierstimmigen Satz in einen vollständigen Dreiklang mit Grundtonverdoppelung auf.
Verkürzter Dominantseptakkord
Beim verkürzten Dominantseptakkord wird der Grundton weggelassen. Statt eines Septakkordes erklingt also ein verminderter Dreiklang der VII. Stufe. Seine Leittonspannung lässt ihn jedoch in dominantischer Funktion erscheinen.
Im strengen vierstimmigen Satz wird er fast immer als Sextakkord verwendet, d. h. der Terz- oder der Quintton liegt im Bass und wird verdoppelt. Den Septimton zu verdoppeln verbietet sich, weil dann die satztechnisch korrekte Behandlung zu einer Prim- oder Oktavparallele führen würde.
Halbverminderter Septakkord
Der halbverminderte Septakkord kommt leitereigen in Dur auf der VII. Stufe und in (natürlich und harmonisch) Moll auf der II. Stufe vor. Außerdem erscheint er bei der aufwärts führenden melodischen Moll-Tonleiter auf der VI. und VII. Stufe.
- In Dur wird er von der Funktionstheorie als ein um seinen Grundton verkürzter Dominantseptnonakkord der V. Stufe gesehen und hat als solcher dominantische Funktion.
- Der halbverminderte Septakkord auf der II. Stufe des natürlichen und harmonischen Moll hat subdominantische Funktion, da sein Tonvorrat – wenn auch in anderer Reihenfolge – mit dem auf der Subdominante errichteten Sixte-ajoutée-Akkord übereinstimmt. Er ist, als Teil der II-V-I-Verbindung in Moll, häufig im Jazz anzutreffen.
- Beim melodischen Moll (aufwärts) ergibt sich die leicht paradox anmutende Situation, dass der Septakkord auf der VI. Stufe zwar strukturell ein um seinen Grundton verkürzter Dominantseptnonakkord ist, seine Funktion jedoch wegen der IV. Stufe als Grundton des vollständigen Akkords die einer Subdominante ist. Unproblematisch ist dagegen die funktionale Deutung des Septakkords auf der VII. Stufe als verkürzter Dominantnonakord, der hier – im Unterschied zu vorhin – auch wirklich in dominantischer Funktion auftritt.
Verminderter Septakkord
Der verminderte Septakkord besteht aus einem verminderten Dreiklang mit einer verminderten Septime. Dieser Akkord kann ebenfalls als ein um seinen Grundton verkürzter Dominantseptnonakkord aufgefasst werden und hat daher dominantische Funktion. Er tritt als leitereigener Akkord auf der VII. Stufe der harmonischen Molltonleiter auf.
Im Sinne der 12-Tonmusik, wo zwischen diatonischen und chromatischen Halbtönen nicht unterschieden wird, handelt es sich um einen Isointervallakkord, bei dem alle vorkommende Intervalle aus drei Halbtönen bestehen.
Auflösung des verminderten Septakkords
Im verminderten Septakkord wirken starke Spannungen aufgrund seiner Intervallbeschaffenheit. Das Rahmenintervall (verminderte Septim) tendiert mit beiden Tönen nach innen, ebenso die beiden verminderten Quinten. Dadurch ergibt sich bei einer Auflösung, die in ihrer Stimmführung alle Interspannungen berücksichtigt, die Verdoppelung des Terztones des Zieldreiklangs.
Vieldeutigkeit des verminderten Septakkords
Rheinberger bezeichnet den verminderten Septakkord als das „Chamäleon der Harmonielehre“. Er ist in sich absolut symmetrisch und seine Umkehrungen sind bei gleichstufiger Stimmung vom Aufbau und Klang her nicht von seiner Grundstellung zu unterscheiden. (Im Notenbild ändern sich bei Umkehrungen kleine Terzen in übermäßige Sekunden.) Dadurch kann jeder seiner Töne (ggf. nach entsprechender enharmonischer Verwechslung) als Leitton aufgefasst werden, so dass sich 4 tonartlich verschiedene Auflösungsmöglichkeiten dieses Akkords ergeben. Beispiel:
- |
- gleichstufige Stimmung: reine Stimmung [Anm 3]
Charakteristische Beispiele für das Auftreten des verminderten Septakkords im 18. und frühen 19. Jahrhundert: „Barrabam!“ in Bachs Matthäus-Passion, Auftritt des Komturs im zweiten Finale von Mozarts Don Giovanni, Samiel-Motiv in Webers Freischütz.
Im Impressionismus verliert er (wie viele Akkorde) seine funktionsharmonische Bedeutung und wird häufig als Klangfarbenakkord oder für chromatische Rückungen (Parallelführungen) eingesetzt. Vereinzelt wurden chromatische Rückungen des verminderten Septakkords aber auch schon weit früher (z. B. in Bachs Chromatischer Fantasie BWV 903) verwendet.
Tonsymbolik
Die ursprünglich (etwa im Barock) wichtige symbolische Bedeutung der Vierklänge (etwa des verminderten Septakkords als Ausdruck des Schrecklichen, Teuflischen, Dämonischen) geriet durch gehäufte Verwendung zunehmend in Vergessenheit und kam seit der Spätromantik nahezu abhanden.[2]
Literatur
- Jean-Philippe Rameau: Nouveau Système de musique théorique. Paris 1726
- Jean-Baptiste le Rond d’Alembert: Systematische Einleitung in die Musicalische Setzkunst nach den Lehrsätzen des Herrn Rameau. Aus dem Französischen übersetzt und mit Anmerkungen vermehret von Friedr. Wilh. Marpurg. Leipzig 1757
Weblinks
- Septakkorde mit Klangbeispielen
- Online-Tutorial zu Septakkorden auf musikanalyse.net
- Online-Tutorial zum verminderten Septakkord auf musikanalyse.net
- weitere Septakkordtypen
Anmerkungen
- Zuordnung: harmonisch des-moll (mit acht ♭). In harmonisch c-moll lautet der Septakkord auf der VII. Stufe h-d-f-as
- Durch den Differenzton C der reinen Terz c'e' wird der Bass c der Tonika in reiner Stimmung verstärkt, wie man hören kann. In gleichstufiger Stimmung entspricht der Diffenenzton dem Ton Cis. Er führt zu keiner Verstärkung von c.
- Die vorkommenden Intervalle sind:
reine kleine Terz (Frequenzverhältnis 6/5 entspricht 316 Cent)
pythagoreische kleine Terz (Frequenzverhältnis 32/27 entspricht 294 Cent, ein Terzkomma tiefer)
übermäßige Sekunde (Frequenzverhältnis 75/64 entspricht 274 Cent, noch ein Terzkomma tiefer)
Einzelnachweise
- D. de la Motte: Harmonielehre. Bärenreiter Verlag, 3. Auflage 1980, ISBN 3-7618-0540-3, Seite 54 f.
- Reinhard Amon: Lexikon Harmonielehre. ISBN 3-900695-70-9, S. 323