Selman Selmanagić
Selman Selmanagić (* 25. April 1905 in Srebrenica, Bosnien; † 7. Mai 1986 in Ost-Berlin) war ein bosnisch-deutscher Architekt und langjähriger Professor für Bau- und Raumgestaltung an der Kunsthochschule Berlin-Weißensee.
Leben
Selmanagić wuchs im seit 1876 von Österreich-Ungarn verwalteten und 1908 okkupierten Bosnien und ab 1918 im Königreich Jugoslawien auf. Nach einer Lehre als Tischler und seiner Gesellenprüfung arbeitete Selman Selmanagić zunächst 1923/24 als Tischler in der Waggonfabrik in Sarajevo und machte 1925 nach einjährigem Besuch der Gewerbeschule Ljubljana seinen Meister als Bau- und Möbeltischler. Dem schloss sich 1925/26 sein Militärdienst an. Zurück in seiner Heimatstadt Srebrenica arbeitete er dort von 1926 bis 1929 als Tischler.
Seinem großen Interesse an Architektur folgend begann er 1929 ein Studium am Bauhaus, das er 1932 mit dem Bauhausdiplom Nr. 100, unterschrieben von Ludwig Mies van der Rohe und Ludwig Hilberseimer, abschloss. Um Erfahrungen zu sammeln, arbeitete er nach seinem Studium bis 1939 in zahlreichen Architekturbüros in ganz Europa und im Nahen Osten: 1933/35 Istanbul, 1935 Jaffa, 1935–38 Jerusalem, zunächst als freier Mitarbeiter bei Richard Kauffmann, später als selbstständiger Architekt. Studienreisen führten ihn 1935/36 unter anderem in die Türkei, nach Ägypten und 1938 nach Italien.
1939 siedelte Selman Selmanagić nach Berlin um. Nach freiberuflicher Mitarbeit bei Egon Eiermann arbeitete er von 1939 bis 1942 in der Bauabteilung und anschließend bis 1945 als Filmarchitekt bei der UFA. In diesen Jahren beteiligte er sich aktiv am antifaschistischen Widerstandskampf.
Nach dem Zweiten Weltkrieg war Selmanagić in Hans Scharouns Planungskollektiv zur Erarbeitung des „Kollektivplans“ tätig und wurde später zum Verantwortlichen für Kultur- und Erholungsstättenplanung beim Magistrat von Groß-Berlin. In dieser Funktion war er unter anderem für den Bau des Walter-Ulbricht-Stadions verantwortlich. Parallel begann er ab 1945 eine lang andauernde Zusammenarbeit mit den Deutsche Werkstätten Hellerau.[1] 1949 hörte Selman von den Plänen der FDJ-Organisation, den Abriss der Neuen Wache voranzutreiben. Als Architekt legte er Einspruch beim Leiter der sowjetischen Kulturkommandantur Alexander Lwowitsch Dymschitz ein. Der Kulturoffizier erkannte, dass dieses Schinkelsche Kulturgut erhalten werden musste.[2]
Von 1950 bis zu seiner Emeritierung 1970 war er Leiter des Fachgebietes Architektur an der Kunsthochschule Berlin-Weißensee. Seit 1951 hatte er dort eine Professur für Bau- und Raumgestaltung inne. 1956 wurde der von ihm federführend geplante Erweiterungsbau der Kunsthochschule in Weißensee fertiggestellt. Das Bauensemble gilt als bedeutendes Beispiel der Nachkriegsmoderne in Berlin und ist das einzige noch bestehende Bauwerk von Selmanagić in Deutschland.[3]
Er wurde zu Gastvorlesungen an die Technische Universität Graz eingeladen. 1950 wurde er Deutscher und erhielt damit 1967 die Staatsbürgerschaft der DDR.
Selmanagić war mit der Architektin Emira Selmanagić verheiratet. Die drei gemeinsamen Töchter arbeiten ebenfalls als Architektinnen.
Auszeichnungen und Preise
- 1964 Verdienstmedaille der DDR
- 1970 Vaterländischer Verdienstorden in Bronze
- 1979 Vaterländischer Verdienstorden in Gold
- 1985 Ehrenspange zum Vaterländischen Verdienstorden in Gold
- 2019 Gedenktafel an der Kunsthochschule in Berlin für einen der „bedeutendsten Designer der DDR“[4]
Werke (Auswahl)
- 1931 Wohnhaus für die Eltern, nahe Srebrenica
- 1935–1938 Wohnhäuser in Jerusalem
- 1946–1950 SED-Parteihochschule „Karl Marx“, Kleinmachnow
- 1957–1950 Verwaltungsakademie Forst Zinna
- 1950 Walter-Ulbricht-Stadion (ab 1973 Stadion der Weltjugend)
- 1956 Erweiterungsbau der Kunsthochschule Berlin-Weißensee in der Bühringstraße
- 1959–1960 Städtebauliche Planung für Schwedt
- 1975/76 Leiter der Restaurierungsarbeiten am Bauhaus Dessau
Literatur
- Selman Selmanagić, Kunsthochschule Berlin, Beiträge 10, Festgabe zum 80. Geburtstag am 25. April 1985, 72 S., 66 Abb.
- Michael Kasiske: Selman Selmanagic zum 100. Geburtstag. In: Bauwelt 21, 27. April 2005, 96. Jahrgang
- Aida Abadžić Hodžić, Ines Sonder: Ein kommunistischer Muslim im Lande Israel. In: Bauhaus 2, November 2011, 68–75
- Aida Abadžić Hodžić: Selman Selmanagić und das Bauhaus (Die Bauwerke und Kunstdenkmäler von Berlin, hg. vom Landesdenkmalamt Berlin, Beiheft 40), Berlin 2018, ISBN 978-3-7861-2794-9
- Selman Selmanagić auf bauhaus-online.de (am 19. Oktober 2012 abgerufen)
- Simone Hain: Selmanagic, Selman. In: Wer war wer in der DDR? 5. Ausgabe. Band 2. Ch. Links, Berlin 2010, ISBN 978-3-86153-561-4.
Weblinks
- Werkverzeichnis, zusammengestellt von der Kunsthochschule Berlin-Weißensee.
- Azemina Bruch Selmanagić: Beiträge zum Wiederaufbau Berlins. (pdf) 10. April 2018, abgerufen am 31. Januar 2019.
- Selman Selmanagić bei bauhauskooperation.de
Einzelnachweise
- Aida Abadžić Hodžić: Selman Selmanagić(1905–1986): An European Biography. 9. April 2018 (berlin.de [PDF; 148 kB]).
- Beiträge zum Wiederaufbau Berlins Azemina Bruch Selmanagić, Freie Landschaftsarchitektin Berliner Denkmaldialog am 10. April 2018 Selman Selmanagić eine europäische Biographie Bauhaus-Archiv / Museum für Gestaltung, Südhalle Selman Selmanagić nach 1945 siehe Vortrag mit Bildern (3,5 MB) S. 11
- Selmanagic-Symposium 2019. Weißensee Kunsthochschule Berlin, abgerufen am 17. Oktober 2019.
- „DDR-Designer Selmanagić wird mit Gedenktafel gewürdigt“ auf welt.de vom 17. Oktober 2019