Schmiedel (Diakonische Einrichtung)
Die Schmiedel e. V., bis 2015 Schmiedelanstalten, in Nannhausen bei Simmern im Hunsrück sind eine evangelische diakonische Einrichtung, die ihren Ursprung in der Jugendfürsorge hatte. Heute sind sie auch für Familienhilfe, Behinderte und alte Menschen engagiert.
Geschichte
1848 gab der Hamburger Pfarrer Johann Hinrich Wichern in einer spontan gehaltenen Rede auf dem Wittenberger Kirchentag den Anstoß zur Gründung des Centralausschusses für Innere Mission der deutschen evangelischen Kirche sowie in der Folge von Landes- und Provinzialvereinen. Der Provinzialausschuss für das Rheinland wurde am 27. Juli 1849 in Bonn gegründet. Der Kirchenkreis Simmern war durch den Simmerner Pfarrer und späteren Superintendenten Julius Reuß beteiligt.[1]
Anlass war die zunehmende Verwahrlosung und Verelendung von Teilen der Bevölkerung in Deutschland im Zuge der Industrialisierung. Auf Initiative von Reuß und des Horner Vikars Schöler gründeten 1849 evangelische Bürger in Simmern einen Verein der Inneren Mission mit dem Ziel, auf dem Hunsrück ein Rettungshaus für Kinder aus verwahrlosten Verhältnissen aufzubauen.
Nach einem ersten Haus für zwölf Kinder in Michelbach (1850), das der Alterkülzer Pfarrer Bartels gegründet hatte,[2] konnte das Werk 1851 in ein billig erworbenes, mit Schmielen bewachsenes sumpfiges Gelände, daher der Flurname Auf dem Schmiedel, zwischen Simmern und Nannhausen verlegt werden und dort ein erstes „Mutterhaus“ genanntes Gebäude errichten, das dann am 13. September 1851 für einen Hausvater und zwölf Jungen eingeweiht wurde. Die Mittel beschaffte man durch Sammlungen und Ausgabe von Aktien im Wert von fünf Talern. Nach der Flurlage wurde die Anstalt dann auch benannt. Nach dem Bau des zweiten Hauses konnten ins Mutterhaus, das auch die Küche der Anstalt beherbergte, Mädchen einziehen.
Pfarrer Reuß war als Vorsitzender des Vereins zugleich für die Anstalt, die er zu seinem Lebenswerk machte, verantwortlich. Er wurde auf seinen Wunsch nach seinem Tode am 4. Februar 1883 auf dem Anstaltsfriedhof begraben. Sein Grab wird noch heute in Ehren gehalten.
Die Anstalten wurden in der Folge auch dank höchster kaiserlicher Zuwendungen – deshalb heißt ein Gebäude von 1854 nach dem Kronprinzen Wilhelm Wilhelmhaus – stetig erweitert. Von Anfang an war der Schmiedel als Gemeinschaftswerk für die Kirchenkreise des gesamten „Rheinischen Oberlandes“ und darüber hinaus gedacht.
Anlässlich des 300-jährigen Jubiläums der Einführung der Reformation im Herzogtum Pfalz-Simmern durch Kurfürst Friedrich den Frommen wurde 1857 eine Konfirmandenanstalt in Zusammenarbeit mit dem Gustav-Adolf-Werk eröffnet, die zur evangelischen Erziehung von Konfirmanden im Alter von 12 bis 14 Jahren aus den vorwiegend katholischen Gebieten des Rheinlandes, der Eifel und bis 1914 des Elsass diente; seit 1879 war diese Arbeit im Gustav-Adolf-Haus angesiedelt.
Von 1869 bis 1901 bestand auf dem Schmiedel eine private Präparandenanstalt für etwa 20 bis 30 Zöglinge zur Vorbildung von Absolventen der Volksschulen für eine Volksschullehrerausbildung an den Lehrerseminaren, wie zum Beispiel in Neuwied. Von den 286 hier unterrichteten Zöglingen, worunter sich auch fünf Mädchen befanden, wurden zwölf später Schul-Rektoren. Seit 1873 leitete der Lehrer Friedrich Saynsche (* 1837 in Koblenz), der zugleich hier mit dem Hausvater Karl Röhrig (* 1836, † 1907) auch Lehrer für die evangelischen Kinder in den Schmiedelanstalten und von Nannhausen war, die Präparandenanstalt. Zudem unterrichtete er nebenamtlich in den Wintermonaten auch an der Landwirtschaftsschule in Simmern.[3]
Mit der Einführung der – nur selten ausgesprochenen – staatlichen Fürsorgeerziehung 1922/24 im Reichsjugendwohlfahrtsgesetz verlor die Rettungsanstalt einen Teil ihrer Bedeutung. 1939 wurde die kirchliche Anstalt im Zuge der „Entkonfessionalisierung“ in der Endzeit des Kirchenkampfs durch die NS-Regierung aufgelöst. Nach dem Kriege wurde ein Häuserblock bis 1949 als Kolonie für französische Ferienkinder genutzt. Danach diente er als Kindererholungsheim.
Der Schmiedel heute
Heute arbeitet der Trägerverein mit Einrichtungen auch dezentral mit Wohngruppen in vielen benachbarten Orten des Kirchenkreises.
1986 entschied sich der Verein, in Kastellaun ein Wohnheim für Menschen mit geistiger Behinderung zu bauen. 1998 konnte dann das Julius-Reuß-Wohnheim eröffnet werden.
In einem Gebäude auf dem Schmiedel hat die kreuznacher diakonie ein sozialpädiatrisches Zentrum eingerichtet. Ein weiteres wurde für Kurzzeitpflege über mehrere Jahre hinweg bis Ende 2008 von der Evangelischen Altenhilfe und Krankenpflege Nahe-Hunsrück-Mosel, einer gemeinsamen Einrichtung von kreuznacher diakonie und den Kirchenkreisen Simmern-Trarbach und An Nahe und Glan, genutzt.
Schmiedelpark
Nach Aufgabe des verpachteten landwirtschaftlichen Betriebes entstand der Plan, hier auf 60.000 m² einen Erlebnispark mit freiem Eintritt für die Integration von jungen, alten, gesunden und behinderten Menschen zu schaffen. Spielgeräte sollen die Motorik in ihrer Beweglichkeit eingeschränkter Menschen spielerisch verbessern. Am 17. Mai 2002 konnte dank der Hilfe von vielen Seiten und Sponsorengeldern ein erster Teilbereich den Heimbewohnern und der Öffentlichkeit des nahen Simmern übergeben werden. Da Teile des Parks naturbelassen blieben, gibt es auch ruhige und „erholsame“ Ecken.
Literatur
- Verein der Schmiedelanstalten (Hrsg.): Schmiedel gestern und heute. Argenthal, 2007
Weblinks
- Schmiedel-Website
- Karl Röhrig: Reminiscere! 50 Jahre der Rettungsanstalt auf dem Schmiedel: 1851–1901. (pdf; 41 MB) Verlag der Rettungsanstalt auf dem Schmiedel, Bad Honnef, 1901 .
Einzelnachweise
- Angaben nach Artikel. Friedrich Saynsche: Die Anstalten auf dem Schmiedel; in Albert Rosenkranz: Das Evangelische Rheinland, ein rheinisches Gemeinde- und Pfarrerbuch; Schriftenreihe des Vereins für Rheinische Kirchengeschichte, 3; Düsseldorf: Kirche in der Zeit, 1956; S. 555 f.
- Ernst Gillmann: Zum Reformationsjubiläum des Hunsrück 1557/1957; Simmern 1957; S. 40, Kap. „Die Liebestätigkeit in unserer Heimat“.
- Walter Göhl (Hrsg.): Ein Bauer im Hunsrück, Erinnerungen und Gedanken des Hunsrücker Bauern Heinrich Weirich [aus Nannhausen]; Simmern, Pandion Verlag 2000 (³2009); S. 135 f., Anmerkungen 24 und 25.