Schlacht bei Fulford
Die Schlacht bei Fulford fand am 20. September 1066 bei der Ortschaft Fulford in der Nähe von York statt. Sie ist die erste von drei Schlachten im Kampf um den englischen Thron nach dem Tod König Eduards des Bekenners. Der norwegische König Harald, genannt Hardråde (dt.: „der Harte“), und sein angelsächsischer Verbündeter Tostig Godwinson, ein Bruder des englischen Königs Harold Godwinson, landeten in der ersten Septemberhälfte des Jahres 1066 mit schätzungsweise mehr als 8.000 Kämpfern in Nordengland. Ihnen stellten sich Morcar, der Earl of Northumbria, und sein Bruder Edwin, der Earl of Mercia, mit ihrem Aufgebot entgegen. Nach einer den Quellen zufolge sehr blutigen Schlacht blieben die Norweger siegreich.
Ausgangslage
Nachdem Eduard der Bekenner am 5. Januar 1066 ohne legitimen Erben gestorben war, wurde Harold Godwinson, der Earl von Wessex, zum englischen König gewählt. Der norwegische König stellte selbst einen Anspruch auf die englische Königskrone, verbündete sich dazu mit Harolds Bruder Tostig, der seit Ende 1065 im Exil lebte, und verließ Norwegen mit vermutlich bis zu 300 Schiffen. Schon kurz nach der Landung in Riccall (heute zum Selby District in der Grafschaft North Yorkshire gehörig) stellten sich ihm und Tostig die beiden Brüder Morcar und Edwin mit ihrem Aufgebot entgegen.
Die Schlacht
Alle Schilderungen der Schlacht sind äußerst unklar und widersprechen sich hinsichtlich ihrer Details. Nicht weniger unklar sind auch die Umstände, die dazu führten, dass es bei Fulford überhaupt zur Schlacht kam. Aufgrund des Quellenmangels lassen sich darüber allenfalls Mutmaßungen anstellen, weswegen Forscher dieser Frage auch nicht selten aus dem Weg gingen.[3]
Vermutet wurde, dass Edwin und Morcar es fertiggebracht hätten, die norwegische Armee und ihre Verbündeten abzufangen, bevor sie York erreichen konnten.[4] Umgekehrt wurde auch angenommen, dass es den Norwegern und ihren Verbündeten gelungen sei, die Armee der beiden Earls zu stellen, bevor sie sich in York zur Verteidigung einrichten konnte. Eine andere Vermutung geht dahin, dass Edwin und Morcar, die auf sich allein gestellt waren, sich entschieden hätten, die Norweger an einem sorgfältig ausgesuchten Ort, an dem sie ihre zahlenmäßige Überlegenheit nicht voll zur Geltung bringen konnten, zur Schlacht zu stellen. Dabei wird dieser Versuch zum Teil als eine Art Verzweiflungsakt einer hoffnungslos unterlegenen angelsächsischen Truppe, zum Teil als Kalkül zweier Armeeführer angesehen, deren Truppe zwar kleiner als die ihres Gegners war, aber dennoch hinsichtlich ihrer Kampfkraft nicht zu unterschätzen gewesen sei.[5]
Was die Schlacht betrifft, so legen moderne Rekonstruktionsversuche folgenden Ablauf nahe: Die Streitmacht Harald Hardradas hatte sich taktisch günstig auf einer Anhöhe postiert, von der aus er das Schlachtfeld gut überblicken konnte. Die Angelsachsen hingegen standen am Fuß dieser Anhöhe und mussten bergauf kämpfen. Edwin startete dennoch den Angriff auf den schwächeren Teil der norwegischen Streitmacht und konnte sie zunächst ins unwegsame Marschland abdrängen. Dieser Erfolg verpuffte jedoch, als Harald frische und kampfstärkere Truppen einsetzte, welche die Angelsachsen zurückdrängten.
Harald reagierte unverzüglich, indem er noch mehr Männer zur rechten Flanke schickte, um auch das gegnerische Zentrum attackieren zu können. Die hier kämpfenden Angelsachsen wurden von der Hauptstreitmacht abgeschnitten und zogen sich in ein Dorf zurück, wo sie eine letzte Stellung bezogen, aber auch diese Stellung fiel, genauso wie das Zentrum. Die Angelsachsen waren besiegt. Morcar und Edwin überlebten den Kampf im Zentrum jedoch und konnten sich in Sicherheit bringen.
Bedeutung und Folgen
Fulford, die erste der drei großen Schlachten, die 1066 ausgefochten wurden, galt und gilt als die „vergessene Schlacht“.[6] Dabei habe sie, so eine gängige Lesart, bereits eine erste Vorentscheidung für den weiteren Verlauf des Ringens um den englischen Thron gebracht. In Verbindung mit dem nachfolgenden Sieg bei Stamford Bridge habe die Schlacht bei Fulford letztlich nicht unerheblich zum Untergang Harold Godwinsons beigetragen.
Hätten, so wurde argumentiert, die beiden Earls Edwin und Morcar mit ihrem Angriff abgewartet, wäre es ihnen vermutlich möglich gewesen, sich mit Harolds aus Südengland heraneilender Armee zu vereinen und die Schlacht gegen die norwegischen Invasoren mit diesem gemeinsam zu schlagen. Der Sieg wäre für die verbündete angelsächsische Armee dann wohl leichter und in Summe mit bedeutend weniger Verlusten zu erringen gewesen. So aber hätten die starken Verluste der Angelsachsen in der Schlacht bei Fulford faktisch dazu geführt, dass die von Edwin und Morcar geführte Armee in Nordengland als militärischer Faktor für die kommende Entscheidungsschlacht gegen Wilhelm den Eroberer quasi ausgeschaltet worden sei;[7] und die nachfolgende Schlacht bei Stamford Bridge habe zudem auch die von König Harold geführte angelsächsische Armee aus dem Süden nicht unerheblich geschwächt.
Für Wilhelm den Eroberer habe sich das als ein nicht zu unterschätzender Vorteil in der Schlacht bei Hastings, der dritten und letzten Schlacht des Jahres 1066, erwiesen. Während Wilhelms Truppen dem Kommenden relativ frisch und ausgeruht entgegensehen hätten können, wären Harolds Kämpfer durch den Gewaltmarsch nach Norden und wieder zurück nicht nur physisch in Mitleidenschaft gezogen, sondern durch die vorangegangene Schlacht bei Stamford Bridge auch einigermaßen dezimiert und damit eindeutig im Nachteil gewesen.[8]
Solchen Überlegungen liegt eine scheinbar immer gültige militärische Logik zugrunde, die von (Militär-)Historikern gerne dann bemüht wird, wenn die Quellen allzu viele Lücken aufweisen.[9] Tatsächlich ist die der Schlacht bei Fulford zugrunde liegende Quellenbasis dermaßen schmal, dass alle Analysen der Schlacht und ihrer Folgen unweigerlich in den Bereich der Spekulation führen. Den Quellen lassen sich beispielsweise keinerlei handfeste Daten entnehmen, die es erlauben würden, den jeweiligen Wissensstand der Protagonisten auf angelsächsischer und norwegischer Seite und die diesem zugrundeliegenden Entscheidungsprozesse derselben zu rekonstruieren. Weder ist bekannt, wo sich Edwin und Morcar zur Zeit der Landung der Norweger bei Riccall aufhielten, noch ob sie überhaupt Kenntnis von deren Herannahen hatten und welche konkreten Pläne sie daraufhin fassten. Unbekannt ist auch, welche Pläne der norwegische König und sein Verbündeter Tostig Godwinson vor und nach ihrer Landung verfolgten und welche Informationen sie über ihre beiden Gegner hatten.[10] Ferner ist nicht zu eruieren, ob es überhaupt eine realistische Chance für Edwin und Morcar auf der einen sowie König Harold auf der anderen Seite gegeben hat, ihre im Norden und Süden Englands ausgehobenen Armeen zu vereinen und den Norwegern gemeinsam entgegenzutreten und ob diese Option überhaupt jemals erwogen wurde.[11]
Fest steht nur, dass die gewonnene Schlacht dem norwegischen König vorerst einmal York als Basis für seine weiteren Pläne sicherte. Letztlich stellte diese Schlacht – der letzte Sieg einer skandinavischen Armee auf englischem Boden – nur einen sehr kurzfristigen Erfolg dar. Schon fünf Tage später wurde die norwegische Armee in der Schlacht von Stamford Bridge nahezu völlig aufgerieben. Die „Gefahr im Norden“ war damit für König Harold Godwinson gebannt. Wie hingegen die Chancen für die beiden Earls Edwin und Morcar standen, die Norweger aus eigener Kraft mit Aussicht auf Erfolg abzuwehren, lässt sich aufgrund der oben gemachten Darlegungen nicht beantworten. Sicher ist, dass es zur Schlacht kommen musste, wollten Edwin und Morcar verhindern, dass sich der norwegische König Yorks als Basis für sein weiteres Vorgehen bemächtigt. Das hätte nämlich auch unweigerlich den Verlust ihres Herrschaftsgebiets bedeutet.
Onlinespiel
Auf der Gaming-Plattform Kongregate ist das kostenlose Browserspiel 1066 abrufbar (Stand: Januar 2021). Es beinhaltet die drei großen Feldschlachten (Fulford, Stamford und Hastings), die in jenem Jahr auf der britischen Hauptinsel stattfanden.
Literatur
- Matthew Bennett: Campaigns of the Norman Conquest. Osprey Publishing, London 2001, ISBN 1-57958-376-8, S. 35 (eingeschränkte Online-Kopie in der Google-Buchsuche).
- Charles Jones: The forgotten Battle of 1066. Fulford. Tempus Verlag, Stroud 2007, ISBN 978-0-7509-5674-1.
- Charles Jones: Finding Fulford. The search for the first battle of 1066. The report on the work to find the site of the Battle of Fulford. WPS, London 2011, ISBN 978-1-78018-050-2.
- Frank McLynn: 1066. The Year of the three Battles. Pimlico, London 1999, ISBN 978-0-7126-6672-5.
- Jörg Peltzer: 1066. Der Kampf um Englands Krone. C.H. Beck, München 2016, ISBN 978-3-406-69750-0.
- Guy Schofield: The Third Battle of 1066. In: History Today 16 (October 1966), S. 688–693. Abrufbar unter: http://www.fulfordbattle.com/a_third_battle.htm.
- Kelly DeVries: The Norwegian Invasion of England in 1066 (= Warfare in History). The Boydell Press, Woodbridge 2003, ISBN 978-1-84383-027-6.
- Dominik Waßenhoven: 1066. Englands Eroberung durch die Normannen (= C.H.Beck Wissen 2866). C.H.Beck, München 2016, ISBN 978-3-406-69844-6.
Weblinks
Anmerkungen
- Basis für alle Angaben zur Heeresstärke der Norweger sind die in den Quellen genannten Zahlen der aufgebotenen Schiffe, die von 200 bis über 500 reichen, wobei letztere Zahl als deutlich überhöht gilt. Die meisten Historiker gehen von 200 bis 300 Schiffen aus, die Harald Hardråde für seine Invasion zur Verfügung gestanden haben dürften. Die Zahl dieser (angenommenen) Schiffe wird dann mit einer ebenfalls angenommenen Anzahl von Besatzungsmitgliedern pro Schiff multipliziert. Entsprechende Daten für die Besatzung eines Schiffes der Wikingerzeit lassen sich aus den Schiffsfunden von Roskilde und Skuldelev herleiten. Vgl. dazu u. a. Peltzer (2016), S. 203–206, der davon ausgeht, dass Harald Hardråde „wohl deutlich mehr als 8000 Mann nach England [begleiteten]“ (S. 206) und DeVries (2003), S. 241f. Eine Reihe von vor allem populärwissenschaftlichen Autoren nehmen aber auch deutlich höhere Zahlen für die norwegische Flotte und die Besatzungsmitglieder pro Schiff an. Dementsprechend kommen sie auf eine norwegische Heeresstärke von weit über 10.000 Mann. McLynn (1999), S. 196, beispielsweise geht von nicht weniger als 18.000 norwegischen Kämpfern aus, die 1066 in England gelandet sein sollen – eine Zahl, die mit Sicherheit zu hoch gegriffen ist, weil sie in keiner vernünftigen Relation zur (geschätzten) Bevölkerungsgröße und zum Rekrutierungspotential des Landes im 11. Jahrhundert steht.
- Vgl. dazu Jones (2011), S. 202, der dieser Schätzung einerseits die von der Forschung angenommene Zahl der Kämpfer zugrunde legt, die von den beiden Earls in ihrem Herrschaftsbereich zu rekrutieren gewesen seien, andererseits aufgrund von Geländeuntersuchungen, die seines Erachtens mit hoher Wahrscheinlichkeit zur Auffindung des tatsächlichen Schlachtfelds geführt hätten, zum Schluss kommt, dass es militärisch keinen Sinn gemacht hätte, die für die Schlacht gewählte Ausgangsstellung der Angelsachsen mit weniger Mann behaupten zu wollen.
- Ein gutes Beispiel dafür ist die Darstellung bei Bennett (2001), S. 27f. und 35, wo hinsichtlich der Schlacht und ihrer Vorgeschichte nur die wenigen ziemlich sicheren Fakten referiert werden.
- Vgl. dazu Waßenhoven (2016), S. 49f.
- Vgl. dazu DeVries (2003), S. 255–259 und Peltzer (2016), S. 213–215, wo auch auf die Bedeutung Yorks als mögliche Basis für die norwegischen Invasoren hingewiesen wird.
- Vgl. dazu Charles Jones: The forgotten Battle of 1066. Fulford.
- Vgl. dazu Frank M. Stenton: Anglo-Saxon England. Clarendon Press, Oxford 1947, S. 528 und Schofield (1966).
- Vgl. dazu UK Battlefields Resource Centre: Battle of Fulford. Auch die Darstellung des Skandinavisten Rudolf Simek: Die Geschichte der Normannen. Von Wikingerhäuptlingen zu Königen Siziliens. Verlag Reclam, Ditzingen 2018, ISBN 978-3-15-011174-1, S. 172, vertritt diesen zweifelsohne plausiblen Standpunkt.
- Diese IMP-Hypothese (IMP = inherent military probability) wurde vom Militärhistoriker Alfred Burne (1886–1959) ausformuliert. Sie besagt, dass bei unklaren oder zweifelhaften militärischen Aktionen früherer Zeiten jene als die wahrscheinlichste angenommen werden könne, die auch ein heutiger Militär ergreifen würde bzw. ergriffen hätte. Kritiker wandten dagegen u. a. ein, dass solcherart eine unzulässige Gleichsetzung der Denkweisen von Heerführern früherer Jahrhunderte mit denen heutiger professionell ausgebildeter Berufsmilitärs erfolgen würde.
- Vgl. dazu Peltzer (2016), S. 212–214 und Waßenhoven (2016), S. 48–50. Zu den Plänen des Norwegerkönigs und seines Verbündeten Tostig Godwinson vgl. vor allem DeVries (2003), S. 230–255. Anzumerken ist, dass die Schlussfolgerungen des Mediävisten und Militärhistorikers Kelly DeVries zwar überaus aufschlussreich und spannend zu lesen sind, angesichts der bereits skizzierten Quellenlage aber nicht selten als hoch spekulativ anzusehen sind.
- Vgl. dazu Schofield (1966), der die Vermutung äußert, König Harold Godwinson habe versucht, seinen beiden Earls im Norden so rasch als möglich zu Hilfe zu kommen, nachdem er von der Stärke der norwegischen Armee genauere Kenntnis erhalten hatte.