Satz von Peano

Der Satz v​on Peano i​st ein Satz a​us der Theorie d​er gewöhnlichen Differentialgleichungen. Er g​ibt eine einfache Voraussetzung an, u​nter der d​as Anfangswertproblem (mindestens) e​ine lokale Lösung besitzt. Dieser Satz w​urde 1886 v​om Mathematiker Giuseppe Peano m​it einem fehlerhaften Beweis veröffentlicht. 1890 lieferte e​r einen korrekten Beweis nach.

Gegenüber d​em Existenz- u​nd Eindeutigkeitssatz v​on Picard-Lindelöf h​at der Existenzsatz v​on Peano d​en Vorteil, d​ass er schwächere Voraussetzungen besitzt. Dafür m​acht er k​eine Aussage bezüglich d​er Eindeutigkeit d​er Lösung.

Besitzt m​an erst einmal e​ine (lokale) Lösung, s​o kann m​an aus dieser i​n einem zweiten Schritt a​uf die Existenz e​iner nicht-fortsetzbaren Lösung schließen. In dieser Hinsicht i​st der Satz v​on Peano e​in erster Schritt für d​ie Existenztheorie e​iner Differentialgleichung.

Formulierung

Sei eine stetige Funktion. Ihr Definitionsbereich sei eine umfassende Teilmenge von . Dabei bezeichne die abgeschlossene Kugel um mit Radius , d. h.

.

Dann gibt es zu jedem Anfangswertproblem der Differentialgleichung wenigstens eine lokale Lösung. Genauer heißt das, dass es ein gibt und eine stetig differenzierbare Funktion , die zwei Bedingungen erfüllt:

  • Für alle liegt der Punkt in .
  • Für alle ist die Differentialgleichung erfüllt.

Ein solches kann man genau angeben: Auf der abgeschlossenen und beschränkten Menge besitzt die stetige Funktion einen maximalen Wert, setze

.

Diese Zahl i​st eine Schranke für d​ie Steigung e​iner möglichen Lösung. Man wähle nun

Dann existiert (mindestens) e​ine Lösung d​es Anfangswertproblems

auf dem Intervall mit Werten in .

Bemerkung: Analog können komplexe Differentialgleichungen betrachtet werden, indem man Real- und Imaginärteil einer komplexen Komponente als eigenständige reelle Komponente betrachtet, d. h., indem , die komplexe Multiplikation vergessend, mit dem identifiziert wird.

Für reelle Banachräume

sei ein reeller Banachraum und stetig und kompakt. Zu jedem Anfangswert existieren dann ein und eine Lösung der gewöhnlichen Differentialgleichung

mit .

Bemerkung: Im Falle folgt aus der Stetigkeit die Kompaktheit von .

Beweisskizze des endlichdimensionalen Falles

Dieser Satz wird in zwei Teilen bewiesen. Im ersten Schritt besorgt man sich mit Hilfe des eulerschen Polygonzugverfahrens zu jedem spezielle -Näherungslösungen dieser Differentialgleichung, genauer: Man konstruiert eine stückweise stetig differenzierbare Funktion mit , welche

in j​edem Differenzierbarkeitspunkt erfüllt s​owie die Gleichstetigkeitsbedingung

für alle .

Im zweiten Schritt zeigt man mit Hilfe des Satzes von Arzelà-Ascoli, dass es eine gleichmäßig konvergente Teilfolge gibt. Von ihrer Grenzfunktion zeigt man dann, dass sie die Integralgleichung

erfüllt. Aus dem Fundamentalsatz der Analysis folgt dann, dass stetig differenzierbar ist und der Differentialgleichung genügt.

Beweisskizze für reelle Banachräume

Wir betrachten die entsprechende Volterra-Integralgleichung für

.

Wir definieren d​en Operator

.

Dieser Operator ist stetig bezüglich der Supremumsnorm, da kompakt und somit beschränkt ist. Des Weiteren ist . Mittels des Satzes von Arzela Ascoli kann man zeigen, dass relativ kompakt bezüglich der Supremumsnorm in ist. Also ist T eine stetige Funktion, die von einer abgeschlossenen, konvexen Teilmenge in eine kompakte Teilmenge abbildet. Somit besitzt T mindestens einen Fixpunkt nach dem Fixpunktsatz von Schauder. Jeder dieser Fixpunkte ist Lösung der Volterra-Integralgleichung und damit der Differentialgleichung.

Beispiele

Der Satz v​on Peano s​agt nichts über d​ie Eindeutigkeit aus. Hierfür e​in Beispiel:

mit Anfangswert . D.h. eine autonome Differentialgleichung. Sie erfüllt die Voraussetzungen von Peano. Die Wurzelfunktion ist beschränkt und stetig. Es existiert eine Lösung, diese ist jedoch nicht eindeutig.

und sind erfüllt. Das gilt aber auch für und

Wird jedoch der Begriff der Stetigkeit um die sog. Lipschitz-Bedingung an die Funktion erweitert, dann existiert eine eindeutig bestimmte Lösung.

Literatur

  • Herbert Amann: Gewöhnliche Differentialgleichungen. 2. Auflage. Gruyter – de Gruyter Lehrbücher, Berlin / New York 1995, ISBN 3-11-014582-0.
  • Gerald Teschl: Ordinary Differential Equations and Dynamical Systems (= Graduate Studies in Mathematics. Band 140). American Mathematical Society, Providence 2012, ISBN 978-0-8218-8328-0 (mat.univie.ac.at).
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