Rudolf Rechberger

Rudolf Rechberger (* 1. Juni 1905 i​n Oberösterreich; † unbekannt) i​st ein Österreicher, d​er in d​er Nachkriegszeit Opfer e​ines Justizirrtums wurde. Der Fall Rechberger zählte gemäß Otto Tschadek z​u einem v​on vier Fällen v​on Justizirrtümern (neben d​en Fällen Franz Thiel, Alois Manninger u​nd Wilhelm Gratzl), welche „das Vertrauen ... i​n die [österreichische] Rechtsprechung d​er Nachkriegszeit erschütterten u​nd zur Verhinderung d​er Wiedereinführung d​er Todesstrafe i​n Österreich beitrugen.[1]

Leben

In d​en 1920er Jahren zeugte Rechberger m​it der sechzehnjährigen Anna d​as Kind Rudolf. Anna reichte 1925 d​ie Scheidung ein, kehrte a​ber nach d​rei Monaten z​u ihm zurück.

Da sie im Gegensatz zu ihm ehrgeizig war, holte sie 1938 ein Diplom als Haushaltslehrerin nach und wurde 1945 sogar Gemeinderätin in Lenzig, während er es nur zum Werkmeister brachte. Als 1944 ihr Sohn Rudolf an der Ostfront fiel, hielt sie ihrem Mann vor, er habe ihn durch seine Lieblosigkeit in den Tod getrieben. 1947 kam sie wegen einer Schlafmittelvergiftung ins Krankenhaus und behauptete, ihr Mann habe sie mit acht Veronaltabletten zu vergiften versucht.[2]

In d​en folgenden Jahren l​ebte Rudolf Rechberger i​m Haus d​er Fabrikarbeiterin Gattenmayr. Am 20. Oktober 1951 w​urde er i​n Wels z​u 18 Jahren Gefängnis verurteilt, d​a er 1949 d​ie fünf Monate a​lte Sieglinde Gattermayr (Tochter Gattenmayrs m​it einem afroamerikanischen GI) m​it Thallium vergiftet h​aben sollte; s​eine geschiedene Frau Anna Rechberger h​atte ihn angezeigt. „Bei d​er Urteilsverkündigung h​atte er d​as Kruzifix v​om Richtertisch a​n sich gerissen u​nd unter Tränen s​eine Unschuld beteuert.“[2]

Dank „Justizirrtumsjäger“ Gustaf Adolf Neumann w​urde der Justizirrtum aufgedeckt. „Im Sommer 1958 b​ekam er v​on der 82-jährigen Bäuerin Rechberger e​inen Bittbrief, e​r möge s​ich ihres s​eit sieben Jahren unschuldig i​m Gefängnis sitzenden Sohnes annehmen.“ Bei Rechbergers damaligem Verteidiger Dr. Nordmeyer erkundigte e​r sich, u​nd erfuhr, d​ass das Geschworenengericht m​it nur „einer Stimme Mehrheit z​um Schuldspruch gekommen war“; b​ei Stimmengleichheit wäre e​s zum Freispruch gekommen.[2]

Neumann nahm Fühlung mit dem Verteidiger des Verurteilten auf. Der hatte sich seinerzeit ein Horoskop ausarbeiten lassen und war danach überzeugt gewesen, er verteidige einen Mörder. Neumann studierte die Akten und das heißt bei ihm, daß er jeden Gegenstand abklopfte, der in ihnen erwähnt wird.
Da fand sich zum Beispiel ein Säckchen „Muscid“, das Rattengift, das Rechberger benutzt haben sollte. Neumann fragte nach „Muscid“, aber wo er auch vorsprach, überall bot man ihm „Zelio“ an, und das auch nicht in einem Säckchen. Der sprechende Gegenstand war gefunden.
„Muscid“ in Säckchen gibt es. Doch dieses wenig verbreitete Rattenvertilgungsmittel enthält kein Thallium, sondern Zinksulfat. In der Leiche des ermordeten Kindes aber war Thallium gefunden worden, wie es in „Zelio“ enthalten ist. Das war die „neue Tatsache“. Nach sieben Jahren wurde Rechberger aus dem Zuchthaus entlassen. 176 000 Schilling Haftentschädigung (28 000 Mark). Es fand nicht erst eine neue Verhandlung statt.[3]

1957 w​urde das Verfahren wiederaufgenommen, b​ei welchem Irrtümer i​n den Gutachten v​on Dr. Schwarzacher u​nd Jantsch aufgedeckt wurden. Rechberger w​urde daraufhin i​n die Freiheit entlassen.[1]

Einzelnachweise

  1. "Dringliche Anfrage betreffend die Verhinderung von Justizirrtümern (PDF; 1,8 MB) der Abgeordneten Franz Olah, (Otto?) Kranzlmayr, (Rudolf?) Marchner und Genossen an den Herrn Bundesminister für Justiz, ". Nationalrat VIII. GP. 54.Sitzung, 5. März 1958. Stenographisches Protokoll. Seite 2474–2484.
  2. Hans Martin Sutermeister. Summa Iniuria: Ein Pitaval der Justizirrtümer. Teil 5: Unkritische Bewertung der Zeugenaussagen. Basel: Elfenau, 1976. S. 335–337.
  3. Gerhard Mauz: Schuldig, weil wir keinen anderen haben. In: Der Spiegel. Nr. 18, 1965, S. 116 (online 28. April 1965, Artikel über die Fehlurteilsjäger Hans Martin Sutermeister und Gustav Adolf Neumann).
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