Romance Scam
Mit dem englischsprachigen Begriff Romance Scam (oder auch: Love Scam) wird eine Form des Internetbetrugs bezeichnet, bei der gefälschte Profile in Singlebörsen dazu benutzt werden, den Opfern Verliebtheit vorzugaukeln mit dem Ziel, eine finanzielle Zuwendung zu erschleichen. Es ist eine moderne Abwandlung des Heiratsschwindels.
Urheber und deren Maschen
Die mit Abstand am meisten verbreitete Form des Romance Scam wird von organisierten Banden von Nigeria und Ghana aus betrieben. In der ersten Phase generieren die Scammer bevorzugt auf kostenlosen Online-Dating-Seiten Profile, in denen sie sich als amerikanische oder englische Singles ausgeben, wobei mittlerweile auch (meist falsche) Fotos verwendet werden, so dass sich auch aus Afrika stammende Scammer als Europäer oder Nordamerikaner ausgeben können. Dabei sind englischsprachige Länder besonders beliebt, weil hier die Sprachbarriere nicht so groß ist.
Mit diesen Profilen kontaktieren sie Singles und geben in der Regel vor, sich spontan verliebt zu haben. Hat ein potenzielles Opfer angebissen, kommt es zu langwierigen Mail-Korrespondenzen, Telefonaten und Liebesbriefen, ehe in der dritten Phase meist ein Besuch versprochen wird. In der Frühphase des Romance Scam drohte dieser Besuch aufgrund eines Zwischenfalls bei der Durchreise durch Nigeria bzw. Ghana zu scheitern (Verwicklung in Verkehrsunfall, unberechtigte Inhaftierung, Entführung, …) und es wurde um einen Geldtransfer via Western Union gebeten, um sich aus der angeblichen misslichen Situation freikaufen zu können. Heute verfügen Romance Scammer allerdings weltweit über Bankkonten, um den Geldtransfer weniger verdächtig zu machen.
Die Gründe für den benötigten Geldtransfer können ganz unterschiedlich sein, da die Scammer mittlerweile eine große Bandbreite von Möglichkeiten entwickelt haben; auf alle Fälle geht es dem Scammer darum, Geld zu erhalten und das versprochene Treffen zu vermeiden. Selbst wenn das Opfer gezahlt hat, kommt es nicht zu einem Treffen. Vielmehr versuchen Scammer in der Regel, ihr Opfer zu weiteren Zahlungen zu überreden und denken sich hierfür immer neue, plausible Gründe aus. Erst wenn das Opfer nicht mehr zahlen will (oder kann), endet der Kontakt und die Internetprofile des Scammers verschwinden.
Eine weitere Form des Romance Scam wird von osteuropäischen Banden mit Frauenprofilen betrieben, die im Gegensatz zu den afrikanischen Scammern nicht Frauen, sondern ausschließlich Männer als Ziel haben und Kontakt primär (aber nicht nur) über einschlägige Ost-West-Vermittlungen anbahnen. Auch Scam-Versuche von Männern auf Kontaktportalen für homosexuelle Männer, verübt ebenfalls von afrikanischen und osteuropäischen Tätern, sind bekannt geworden.
Nicht immer geht es beim Romance Scam ausschließlich um Geld, manche Scammer versuchen auch, ihre Opfer anderweitig auszunutzen. Beispielsweise wird das Opfer unter einem Vorwand gebeten, eine Kopie seiner Ausweisdokumente zu schicken, die auf diese Weise ermittelten Daten werden dann für betrügerische Machenschaften verwendet. Eine andere Variante betrifft einen angeblichen Freund oder Verwandten des Scammers, der in Europa lebt und Hilfe benötigt, das Opfer soll dann beispielsweise für ihn Pakete entgegennehmen oder aufbewahren, ungewollt wird es dadurch zum Komplizen beim Drogenschmuggel.[1]
Verbreitung
Dem FBI sind für 2011 rund 50,3 Millionen Dollar gemeldet worden, die US-Bürger an afrikanische Romance Scammer transferiert haben.[2] Die Opfer waren zu rund 80 % weiblich und überwiegend über 40 Jahre alt. In Europa ist aufgrund der sprachlichen Nähe vor allem Großbritannien betroffen, hier spricht man von rund 200.000 Opfern.
Auch in Deutschland sind Romance Scammer aktiv, allerdings ist der finanzielle Schaden bislang nicht erforscht. Alleine eine 2018 verhaftete Gruppe erzielte mit falschen Profilen eine Beute von über einer Million Euro.[3] Generell kann man von einer vergleichsweise hohen Dunkelziffer ausgehen, da viele Opfer den Betrug aus Scham nicht zur Anzeige bringen. Dies ist jedoch unbedingt anzuraten, auch, um weitere Opfer verhindern zu helfen.[4]
Romance Scam in Singlebörsen
Romance Scammer suchen nicht nur über Facebook nach potentiellen Opfern, sondern begeben sich auch gezielt in Singlebörsen, vor allem kostenlose. Die favorisierte Gruppe eines Romance Scammers liegt bei einem Alter ab 40 Jahren. Da viele Singlebörsen mittlerweile gegen Scammer vorgehen, versuchen die Täter meist, ihr Opfer für den weiteren Kontakt auf andere Kommunikationsplattformen umzuleiten.
Vorgehensweise eines Romance Scammers
Die Vorgehensweise des Scammers ist dabei immer die Gleiche. Unter falscher Identität wird die Zielperson angeschrieben und zunächst in andere Medien gelockt, da die Eigenkontrollmechanismen mancher Portale (z. B. Facebook) zur Blockierung bis hin zur Löschung des erzeugten Profils führen könnten. Dann werden oft Instant-Messaging-Dienste wie Yahoo! Messenger, Skype oder Google Hangouts zur näheren Kommunikation genutzt. Dabei achten die Nutzer der erfundenen oder übernommenen Identitäten darauf, auf jedem dieser Kommunikationskanäle möglichst gleiche Merkmale zu gebrauchen. Ihre Auskünfte zur eigenen Person erscheinen anziehend und plausibel – soweit sie für das Opfer über Internet überprüfbar sind. Dies schafft Vertrauen und zerstreut Bedenken, die durch eigene Skepsis oder gutgemeinte Ratschläge bisheriger Vertrauensleute aufkommen könnten. Oft werden Biografien erzählt, die beeindrucken (leitende, respektable berufliche Positionen, Tätigkeit als Ingenieur, Arzt, Entwicklungshelfer und/ oder Offizier bei der US-Army, gerne in Krisengebieten und um die ganze Welt reisend usw.) oder Mitleid erregen sollen (z. B. die durch Untreue zerstörte frühere Partnerschaft). Allerdings wird meist abweisend oder ausweichend reagiert, erbittet das Opfer mehr Nähe, konkretere Details oder Kommunikationsformen wie Chats über Webcam oder persönliche Treffen, da dies das Trugbild gefährden und die wahre Identität enthüllen würde. So werden Besuchsangebote abgelehnt und künftige eigene Besuche versprochen.
Waren die Nachrichten zu Beginn noch unauffällig oder bloß vielversprechend, werden oft schon nach wenigen Tagen Liebesgedichte und -schwüre gesandt. Dies scheint gerade bei Frauen zu verfangen. Während die Flut an Liebesschwüren und Sehnsuchtsbeteuerungen nicht abreißt, erliegen die Opfer durch die (angeblich) große räumliche Entfernung und die verhältnismäßig wenigen, aber gezielt gestreuten Appetithappen angeregt leicht der Gefahr, die vorgespielte Person zu idealisieren und zu glauben, den Traumpartner gefunden haben. Dann können auch Telefonate mit Anschlüssen geführt werden, deren Inhaber nie nachprüfbar ist. Nun wird doch das freudig ersehnte Treffen vereinbart, was beim Opfer große Erwartungen weckt.
Daraufhin treffen plötzlich schlechte Nachrichten ein, an denen die geplante Begegnung oder bereits die geschworene Liebe zu scheitern drohen. Sie dienen dazu, dem Opfer Geld aus der Tasche zu ziehen oder ihn zu Freundschaftsbeweisen wie dem Einrichten von Bank- oder Kundenkonten, Scheckeinreichungen, Bestellungen oder Passablichtungen zu bewegen. Sie folgen oft Mustern:
- Krankheit – ein Familienmitglied oder die aufgebaute Identität ist erkrankt und benötigt dringend Gelder oder Kontendaten zur Operation, Abwicklung des Transports oder zur Unterstützung der Familie.
- Schulden – ohne eigenes Verschulden oder aus edlen Motiven geriet man selbst oder die Familie in Geldnot und muss dringend etwas zurückzahlen.
- Gefangenschaft – unschuldig auf Geschäftsreise verhaftet, in einem Schurkenstaat festgehalten und/ oder wichtiger Dokumente beraubt benötige man (Schmier-)Geld für Diplomaten, Agenten oder Anwälte, die über Gewährsleute oder dazu vom Opfer angelegte Konten fließen sollen. Mitunter hat man einen Koffer mit Gold, sonstigen Schätzen oder Schmuggelgut dabei, für den Zollgebühren oder immer neue Strafen oder Bestechungen zu organisieren sind.
- Reisekosten – zum Besuch fehlt noch oder wieder Geld. Oft wurde man auf dem Weg, gerne auf dem Flughafen oder, nachdem bereits einmal Geld geschickt wurde, unglücklicherweise wiederholt bestohlen.
- Militärdienst – als Armeeangehöriger erhält man nur gegen Bezahlung Urlaub, muss man sich von seinem Dienst freikaufen oder einen Helikopter buchen, um das Opfer zu besuchen.
Die Taktik ist: In unverschuldeter Notlage wird eilig Geld benötigt– nur wenn er es vom Opfer erhält, kann das ersehnte Treffen stattfinden. Manchmal tritt in dieser Phase auch ein Komplize auf, der sich als Arzt, Vorgesetzter, Freund, Verwandter, Diplomat o. ä. ausgibt und die Geschichte bestätigt. Dies kann z. B. bedeuten, dass sich beim Opfer ein angeblicher Arzt meldet, der über den Unfall des Scammers informiert und um Hilfe für seinen angeblichen Patienten bittet.
Zahlt das Opfer, so ist der Scammer meist nur kurz zufrieden: Das versprochene Treffen kann nun aus einem anderen Grund nicht stattfinden und unter neuer Ausrede wird wieder um Geld gebeten. Weigert sich das Opfer zu zahlen, macht der Scammer ihm Vorwürfe und beschuldigt es, ihn nicht zu lieben. Oft gelingt es ihm, sein Opfer so unter Druck zu setzen, dass es nochmals zahlt, sogar mehrmals. Manche der in emotionale Abhängigkeit geratenen Frauen opfern nicht nur ihr gesamtes Vermögen den Betrügern, sondern zahlen ihnen auch noch aufgrund deren Verlangen aufgenommene Kredite aus. Erst wenn das Opfer zahlungsunfähig ist, sich endgültig weigert zu zahlen oder auf einem vorherigen Treffen beharrt, kann der Scam enden: Die Internetprofile des Betrügers werden gelöscht und er meldet sich nicht mehr.
Gezahltes Geld ist verloren, zudem setzen Scammer darauf, dass ihr Opfer sie aus Scham nicht anzeigt. Tatsächlich schämen sich viele Opfer sehr und können sich noch nicht einmal Freunden oder Verwandten anvertrauen. Oft verstehen sie selbst im Nachhinein nicht mehr, warum sie sich manipulieren ließen. Dennoch sollten Opfer eines Internet Romance Scams diesen unbedingt auch durch eine Anzeige bei der Polizei öffentlich machen, auch um weitere Opfer vermeiden zu helfen.
Siehe auch
Literatur
- Dana Wahr: Liebe auf Anzahlung: Vorschussbetrug und Internet-Scam. Books on Demand, Norderstedt 2013, ISBN 978-3-7322-3417-2.
- Sandra Arkyn: Profil: keithadams. CreateSpace Independent Publishing Platform, 2015, ISBN 9781512213997.
- Michael J. Bergmann: Die russische Birke: oder: ... Der Verdacht .... Berlin 2015. ISBN 9781511414517 (d-nb.de-Eintrag)
- Victoria Schwartz: Wie meine Internet-Liebe zum Albtraum wurde ISBN 9783764505363
Weblinks
- Hinweise der deutschen Polizeilichen Kriminalprävention der Länder und des Bundes (ProPK) zum Erkennen von Romance Scam und zum Schutz davor
Einzelnachweise
- polizei-dein-partner.de: Wenn alleinstehende Frauen zu unfreiwilligen Drogenkurieren werden
- $50 Million Lost To Online Romance Scammers Annually. Bericht auf FastCompany.com, abgerufen am 29. Oktober 2012
- Der Spiegel: Angeklagte gestehen Betrug beim Onlinedating, vom 13. September 2018
- polizei-beratung.de: Folgen für Opfer und Mittel der Strafverfolgung