Richtungsgewerkschaft

Eine Richtungsgewerkschaft ist eine Gewerkschaft, die sich einer weltanschaulichen oder politischen Richtung verpflichtet fühlt. Man unterscheidet im Wesentlichen sozialistische, christliche, kommunistische und liberale Gewerkschaften.[1] In Deutschland waren bzw. sind dies z. B. die Freien Gewerkschaften (sozialistisch), die Christlichen Gewerkschaften, die Revolutionäre Gewerkschafts-Opposition (kommunistisch) und die Hirsch-Dunckerschen Gewerkvereine (liberal).

In Kontinentaleuropa h​aben sich Richtungsgewerkschaften m​it Gründung a​b Mitte d​es 19. Jahrhunderts b​is zum heutigen Tag a​ls dominierende Gewerkschaftsorganisation erhalten. Eine gewisse Ausnahme stellte d​er Versuch e​iner Einheitsgewerkschaft n​ach dem Zweiten Weltkrieg i​n Deutschland (DGB) u​nd in Österreich (ÖGB) dar. Da d​er ÖGB a​ber weltanschaulich geprägte Fraktionen kennt, k​ann er a​ls Mischform gelten.

Richtungsgewerkschaften vertreten die Überzeugung, dass gewerkschaftliche Arbeit nicht wertneutral erfolgen kann, sondern zutiefst wertbezogen sei.[2] Sie verweisen in diesem Zusammenhang auf das breite Spektrum gewerkschaftlicher Arbeit und Einflussnahme (Familienpolitik, gerechter Lohn, soziale Gerechtigkeit, Mitbestimmung durch den Einzelnen oder mittels kollektiver Modelle u. a.). Hierbei gebe es je nach Weltanschauung grundverschiedene Lösungsansätze.

In Deutschland stehen sich durch den von den Einheitsgewerkschaften praktizierten Alleinvertretungsanspruch und die damit verbundene Ablehnung des Gewerkschaftspluralismus die verschiedenen Lager fast unversöhnlich gegenüber. In anderen Ländern (z. B. Schweiz, Frankreich, Belgien und Niederlande) finden sich trotz unterschiedlicher Auffassungen in Einzelfragen die verschiedenen Gewerkschaften auch zu gemeinsamen Aktionen zusammen.

Literatur

  • Rolf Thieringer: Das Verhältnis der deutschen Gewerkschaften zu Staat und politischen Parteien in der Weimarer Republik 1918 bis 1933. Die ideologischen Verschiedenheiten und taktischen Gemeinsamkeiten der Richtungsgewerkschaften. Dissertation, Universität Tübingen 1954.
  • Heinz Langerham: Richtungsgewerkschaft und gewerkschaftliche Autonomie, 1890-1914. In: International Review of Social History 2 (1957), S. 22–31 und 187–208. ISSN 0020-8590.
  • Gewerkschaft der Eisenbahner Deutschlands (Hg): Einheitsgewerkschaften oder Richtungsgewerkschaften, 1961.
  • Hans Saalfeld: Gebündelte Kraft. Die Wechselbeziehung von Einheitsgewerkschaft und Parteipolitik nach 1945. In: IG Metall Verwaltungsstelle Hamburg (Hg.): „Wartet nicht auf andere, packt jetzt selbst mit an“. Texte, Dokumente und Fotos der IG Metall in Hamburg 1945 bis 1995. VSA-Verlag, Hamburg 1995. ISBN 3-87975-658-9. S. 10–33.

Fußnoten

  1. Wolfgang Schroeder: Katholizismus und Einheitsgewerkschaft. Der Streit um den DGB und der Niedergang des Sozialkatholizismus in der Bundesrepublik bis 1960. Dietz, Bonn 1992. ISBN 3-8012-4037-1. S. 17–19.
  2. Oswald von Nell-Breuning: Einheitsgewerkschaften oder Richtungsgewerkschaften? In: Orientierung 12 (1948), Heft 20, S. 191–193.
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