Richard Dietrich (Flugzeugkonstrukteur)
Richard Josef Dietrich (* 28. März 1894 in Mannheim; † 28. Dezember 1945 im NKWD-Speziallager Fünfeichen bei Neubrandenburg) war ein deutscher Flugzeug-Konstrukteur und Unternehmer.
Leben
Dietrich wurde am 28. März 1894 in Mannheim als Sohn eines Möbelfabrikanten geboren. Er besuchte in seiner Geburtsstadt die Volksschule und wechselte anschließend auf das Gymnasium, das er 1900 mit der Untersekunda abschloss. Mit 18 Jahren begann er im Oktober 1912 in Bruno Hanuschkes Flugschule in Johannisthal eine Pilotenausbildung, wobei er beim ersten Alleinflug im Dezember die Maschine beschädigte und bei der folgenden Reparatur erste Erfahrungen mit dem Flugzeugbau sammelte. Auch sein nächster Flug am 13. Januar 1913 endete mit einer Bruchlandung und wiederum mussten Dietrich und sein Fluglehrer den Apparat instand setzen. Nebenbei bauten Hanuschke und sein als Volontär fungierender Schüler ein neues Flugzeug, wobei Dietrich auch erste Kenntnisse in der Konstruktion erwarb. Das Flugzeug flog im Oktober des Jahres erstmals erfolgreich. Da seine Flugausbildung beim Bau vernachlässigt worden war, wechselte Dietrich im Anschluss zur Flugschule von Hans Grade in Bork, dem heutigen Borkheide, und erwarb am 8. November 1913 seinen Flugschein. Er gehörte zu den sogenannten Alten Adlern, den 817 Flugpionieren, die schon vor Ausbruch des Ersten Weltkrieges die Flugzeugführerprüfung bestanden. Für seinen ersten Flug nach Abschluss der Ausbildung, der insgesamt sein 21. war, erhielt er die mit 1000 ℳ dotierte Stundenprämie der Nationalflugspende, mit der er von Grade ein eigenes Flugzeug erwarb und damit als Erster am 29. März 1914 seine Heimatstadt Mannheim überflog. In der folgenden Zeit gab er dort auch Flugvorführungen. Im Ersten Weltkrieg diente er als Kriegsfreiwilliger in verschiedenen Fliegerabteilungen an der Westfront und in Rumänien. Nach dem Kriegsende arbeitete er als Versuchsflieger im Flugzeugmotorenwerk Rhemag. Er konstruierte in einer Hinterhofwerkstatt in Mannheim einen Nachbau des Jagdflugzeuges Fokker D.VII, das als DP I Sperber bezeichnet wurde und am 5. Mai 1922 (dem Tag der Aufhebung des alliierten Bauverbots) zu seinem Erstflug startete.
Im Jahre 1922 gründete Dietrich in Mannheim die Richard Dietrich Flugzeugbau GmbH. 1923 entstand aus dieser und den dem Belgier Anatole Gobiet gehörenden Motorenwerken A. Gobiet & Co. in Kassel und Rotenburg an der Fulda die Dietrich-Gobiet Flugzeugbau. In der ersten Zeit wurden vor allem ausgemusterte Kriegsflugzeuge, wie z. B. die Fokker D.VII, für eine zivile Verwendung umgebaut. Darunter war auch die erfolgreiche DP IIa Bussard, die als Schul- und Kunstflugzeug eingesetzt wurde und von der etwa 60 Stück gebaut wurden. Nach einigen Unfällen der DP IIa und DP VIIa sowie Streit mit Gobiet und anderen Mitarbeitern löste sich die Firma später kurzfristig auf. In seinen Memoiren schreibt der Chefpilot der Firma, Antonius Raab, Dietrich habe 1925 „seine Sympathien für die Nazi-Partei entdeckt“ und versucht, die nicht „rein arischen“ Kurt Katzenstein und Gobiet, die ihm Geld und Ruhm eingebracht hätten, auszubooten. Dietrich selbst habe 1942 in seinem Buch Im Flug über ein halbes Jahrhundert geschrieben, dass „die Juden“ sein Unternehmen zerstört hätten.[1]
1927 gründete Dietrich die wenig erfolgreiche und nur ein Jahr existierende Dietrich Flugzeugwerke AG. Er ging später zur MIAG Mühlenbau & Industrie AG nach Braunschweig, die auch eine Abteilung für Flugzeugbau hatte und konstruierte dort 1933 den Sportdoppeldecker MD 12. Er wurde im April 1945 in Wien von der sowjetischen Besatzungsmacht verhaftet. Später wurde er zunächst für verschollen und 1950 für tot erklärt. Wie sich später herausstellte, starb er am 28. Dezember 1945 im Speziallager Nr. 9 Fünfeichen des sowjetischen Geheimdienstes NKWD[2] und wurde in einem Massengrab beigesetzt.
Literatur
- Richard Dietrich: Im Flug über ein halbes Jahrhundert. Bertelsmann, Gütersloh 1942.
- Rolf Nagel, Thorsten Bauer: Kassel und die Luftfahrtindustrie seit 1923. Bernecker, Melsungen 2015, ISBN 978-3-87064-147-4.
Weblinks
Einzelnachweise
- Antonius Raab: Raab fliegt. Erinnerungen eines Flugpioniers. Konkret-Literatur-Verlag, Hamburg 1984, ISBN 3-922144-32-2, S. 67.
- Heinz-Dieter Schneider: Dietrich setzt auf Bewährtes. Zwischen Kunstflug und Konkurs. In: Flieger-Revue. Bd. 57, Nr. 8, August 2009, ISSN 0001-9445, S. 58–61.