Renate Eggebrecht
Renate Eggebrecht (* 12. August 1944 in Selent) ist eine deutsche Violinistin und Produzentin.
Biografie
Die Tochter der Musikwissenschaftlerin, Musikpädagogin und Malerin Elfriede Eggebrecht (geb. Voß) und des Studienrats Werner Eggebrecht, Vetter des Schriftstellers Axel Eggebrecht, wuchs in Eutin auf. Sie erhielt ihre erste musikalische Ausbildung ab dem vierten Lebensjahr bei ihrer Mutter. Mit sieben Jahren wurde Eggebrecht Schülerin von Hans Hilf, einem Meisterklassen-Schüler von Walther Davisson. Ab dem 12. Lebensjahr studierte sie an der Musikhochschule Lübeck Violine bei Friedrich Wührer und Klavier bei Wilhelm Rau. Sie setzte ihre Ausbildung an der Musikhochschule München fort. Danach widmete sie sich privaten Studien bei Wolfram König und besuchte Meisterkurse bei Max Rostal, Seymion Snitkovsky, sowie Kammermusikkurse beim La-Salle-Quartett.
Im Jahr 1986 gründete Renate Eggebrecht das Fanny Mendelssohn Quartett, mit dem sie das Streichquartett Es-Dur (1834) von Fanny Hensel erstmals in München vorstellte und das Klavierquartett As-Dur (1822) dieser Komponistin am 6. März 1988 im Münchner Gasteig uraufführte. Sie brachte die Noten dieser Kammermusikwerke 1988 als Erstveröffentlichungen im Furore Verlag Kassel heraus.
1991 gründete Eggebrecht zusammen mit dem Cellisten Friedemann Kupsa die Musikproduktion Troubadisc als Label für Klassische Musik, um unbekannte, vergessene Musik zu veröffentlichen. Für dieses Label spielte die Geigerin die Kammermusik von Fanny Hensel, Ethel Smyth, Germaine Tailleferre, Grażyna Bacewicz und anderen Komponistinnen als CD-Weltersteinspielungen ein. 1993 wurde sie zum Ehrenmitglied der Association Germaine Tailleferre, Paris ernannt.
Eggebrecht produzierte 1993 das gesamte Liedschaffen der französischen Komponistin und Pädagogin Nadia Boulanger als CD-Erstveröffentlichung, genauso wie 1997 die Instrumental- und Klavierlieder von Ethel Smyth. Neben der Kammermusik von Fanny Hensel produzierte sie 2001 auch ihr Liedschaffen und 1998 mit dem Pianisten Wolfram Lorenzen den Klavierzyklus „Das Jahr“ in der Reinschrift (1842) der Komponistin als CD-Weltpremiere.
In den Jahren 1994/95 spielte sie als Geigerin mit ihrem Ensemble die Streichquartette Nr. 1–8 von Darius Milhaud für die CD ein, sowie seine Werke „Machines agricoles“ op. 56 und „Catalogue de Fleurs“ op. 60. 1996 erschienen auch die CD-Einspielungen der beiden großen Streichquartette von Arthur Bliss mit dem Fanny Mendelssohn Quartett.
Zusammen mit dem Pianisten Wolfram Lorenzen konnte sie als Geigerin 1997 die CD-Edition 'Max Reger Klavierkammermusik' mit 3 Volumina vorlegen. Danach widmete sie sich der Einspielung der gesamten Werke für Violine Solo von Max Reger, die sie im Jahr 2003 als Produktion des Labels Troubadisc erstmals in der Schallplattengeschichte vorlegte. Diese 5 CDs umfassende Edition des Gesamtwerks für Violine Solo von Max Reger, das von op. 42 (1899), op. 91 (1906) bis op. 131a und nachgelassenen Werken (1916) reicht, ist als Ganzes eine Weltpremiere.
Auch als Kammermusikerin engagierte sie sich für die Entdeckung von Werken vernachlässigter Komponisten. Sie veröffentlichte 2000 zusammen mit dem Cellisten Friedemann Kupsa die CD-Weltersteinspielung der Sonate für Violine und Violoncello (1947) des griechischen Schönberg-Schülers Nikos Skalkottas und die Sonatine op. 324 von Darius Milhaud. Mit diesem Musiker legte sie 2002 die CD-Weltpremieren der Duo-Sonate (1985) des rumänischen Avantgarde-Komponisten Anatol Vieru und der „Strassenmusik N° 16“ op. 210 (2001) des griechischen Komponisten Dimitri Nicolau vor. Dieses Werk ist dem Duo Eggebrecht / Kupsa gewidmet.
Die kammermusikalischen Erfahrungen mit der Musik des 20. Jahrhunderts boten Renate Eggebrecht eine gute Voraussetzung, sich auch mit den neuen Ausdrucksmöglichkeiten der Solo-Violine auseinanderzusetzen. Sie begann als Geigerin und Produzentin 2002 mit der Edition VIOLIN SOLO, um das Komponieren für die Violine allein vom Beginn des 20. Jahrhunderts bis heute hörbar zu machen. Es entstand eine Werkfolge, die beginnend mit Max Regers Chaconne op. 117 über Bach's Sei Solo bis in die Gegenwart reicht: Ein Kompendium der Geigenliteratur.
Die Violine von Renate Eggebrecht ist ein Stradivari-Nachbau von Jean-Baptiste Vuillaume von 1858, ihr Lieblingsbogen ist von Jules Fétique.
Diskografie (Auswahl)
- Ethel Smyth: Kammermusik Vol.1 und Vol.2, Violinsonate op.7, Streichquintett op.1, Streichquartett (1902/12). (Troubadisc, 1991)
- Ethel Smyth: Kammermusik Vol.3, Doppelkonzert in A, Horn: Franz Draxinger, Klavier: Céline Dutilly. (Troubadisc, 1992)
- Grażyna Bacewicz: Streichquartette, Streichquartett Nr.4, Streichquartett Nr.6, Streichquartett Nr.7. (Troubadisc 1992)
- Germaine Tailleferre: Kammermusik, Violinsonate Nr.1, Violinsonate Nr.2, Streichquartett (1919), Klaviertrio (1978). (Troubadisc, 1993)
- Fanny Hensel: Kammermusik, Klavierquartett (1822), Streichquartett (1834), Klaviertrio op.11. (Troubadisc 1994)
- Darius Milhaud: Streichquartette Nr. 1–8,Streichquartett Nr.1 op.5, Streichquartett Nr.2 op.16; Streichquartett Nr.3 op.31, Streichquartett Nr.4 op.46, Streichquartett Nr.5 op.64; Streichquartett Nr.6 op.77, Streichquartett Nr.7 op.87, Streichquartett Nr.8 op.121. (3 CDs, Troubadisc, 1994–1995)
- Arthur Bliss: Streichquartett Nr.1, Streichquartett Nr.2. (Troubadisc, 1997)
- Melomania Streichquartette: Elisabeth Lutyens, Violeta Dinescu, Gloria Coates. (Troubadisc, 1997)
- Max Reger: Edition Klavierkammermusik mit Wolfram Lorenzen und Siegfried Mauser Klavier, Violinsonaten opp. 72 und 139; Klavierquintett op.64, Klaviertrio op.102; Klavierquartette opp.113 und 133. (3 CDs, Troubadisc, 1997–1998)
- Duo mon amour: Duos für Violine & Violoncello, mit Friedemann Kupsa Violoncello, Werke von Maurice Ravel, Darius Milhaud, Arthur Honegger, Nikos Skalkottas. (Troubadisc, 2000)
- Strassenmusik n.16, Duos für Violine & Violoncello, mit Friedemann Kupsa Violoncello, Zoltán Kodály, Duo op.7; Elizabeth Maconchy, Theme and Variations (1951); Anatol Vieru, Sonate (1984–85); Dimitri Nicolau, Strassenmusik n.16 op.210. (2 CD, Troubadisc 2000/2002)
- Max Reger, Gesamtwerk für Violine Solo, Vier Sonaten op.42, Sieben Sonaten op.91; Sieben Präludien und Fugen, Chaconne op.117; Präludien und Fugen 131a, Präludium und Fuge op. posth. (1902), Präludium op. posth. (1915). (4 CDs, Troubadisc, 1999–2002)
- Violin Solo Vol. 1, Max Reger, Chaconne op.117 Nr.4; Johanna Senfter, Sonate op.61; Nikos Skalkottas, Sonate (1925); Arthur Honegger, Sonate (1940), Troubadisc, 2001
- Violin Solo Vol. 2, Erwin Schulhoff, Sonate (1927); Béla Bartók, Sonate (1944); Grażyna Bacewicz, Sonate (1958); Darius Milhaud, Sonatine pastorale op.383; Dimitri Nicolau, Sonata in Greek Mood op.228. (Troubadisc, 2006)
- Violin Solo Vol. 3: Paul Hindemith, Studien (1916), Sonate op.11, Sonate op.31 Nr.1, Sonate op.31 Nr.2, Satz und Fragment aus einer Sonate (1925); Anatol Vieru, Capriccio; Wladimir Martynow, Partita. (Troubadisc, 2007)
- Violin Solo Vol. 4: Ernest Bloch, Suite Nr.1 und Nr.2; Igor Strawinsky, Élégie; Grażyna Bacewicz, Vier Capricen; Aram Chatschaturjan, Sonate-Monolog; Alfred Schnittke, a paganini. (Troubadisc, 2008)
- Violin Solo Vol. 5: Sergei Prokofjew, Sonate op.115; Ljubica Marić, Sonata fantasia; Grażyna Bacewicz, Polnische Capricen Nr.1 und Nr.2, Sonate, Eduard Tubin, Sonate, Suite über estnische Volksweisen; Edison Denissow, Sonate. (Troubadisc, 2010)
- Violin Solo Vol. 6: Eugène Ysaӱe, Sonaten Nr. 1–6; Joaquín Rodrigo, Capriccio. (Troubadisc, 2014)
- Violin Solo Vol. 7: Johann Sebastian Bach, Sonaten und Partiten BWV 1001–1006; Valentin Silvestrov, Postludium II. (3 CDs, Troubadisc, 2014)
- Violin Solo Vol. 8: Karl Amadeus Hartmann, Sonaten Nr.1 & 2, Suiten Nr.1 & 2. (Troubadisc, 2016)
- Violin Solo Vol. 9: Mieczysław Weinberg, Sonate Nr. 1 op.82; Sonate Nr. 2 op.95; Sonate Nr. 3 op.126; Alfred Schnittke, Fuge für Violine solo. (Troubadisc, 2017)
- Violin Solo Vol. 10: u. a. Einojuhani Rautavaara, Variétude; Kalevi Aho, Solo I (Tumultos); Sonata per violino solo; Pehr Henrik Nordgren, Sonata for violin solo op.104. (Troubadisc 2018)
Weblinks
- Werke von und über Renate Eggebrecht im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Renate Eggebrecht bei AllMusic (englisch)
- Biographie mit Hörproben bei Troubadisc Musikproduktion