Raufaser
Raufaser (vor der Reform der deutschen Rechtschreibung von 1996 und heute noch als nicht geschützter Handelsname des Erfinders und Herstellers: Rauhfaser) ist eine Form der Tapete mit einer ungleichmäßig strukturierten – und also „rau(h)en“ – Oberfläche. Sie wurde 1864 von dem Apotheker Hugo Erfurt (1834–1922) unter dem Namen „Rauhfaser“ erfunden. Zuerst diente sie als Dekorationspapier für Schaufenster und als Basispapier für Leimdrucktapeten. In der sogenannten Bauhauszeit der 1920er Jahre begann man, sie als Tapete bei der Innenraumgestaltung einzusetzen.
Hugo Erfurt war ein Enkel des Papiermachers Friedrich Erfurt, der 1827 das Unternehmen Erfurt & Sohn in Wuppertal gegründet hatte, das heute weltweit der größte Produzent von überstreichbaren Tapeten ist und nach wie vor seinen Firmensitz in Wuppertal hat.
Die Raufaser ist, gemessen an den Verkaufszahlen, der am meisten verbreitete Wandbelag in Deutschland.
Eigenschaften
Aufbau
Raufaser besteht mindestens aus zwei Papierschichten, zwischen die strukturbildende Holzfasern fest eingearbeitet sind;[1] qualitativ hochwertige Raufasertapete besteht jedoch aus drei Papierschichten, wobei die oberste Papierschicht optikgebend wirkt und ein Ablösen bei der Verarbeitung verhindern soll.[2] Je nach Körnungsgrad der Holzfasern entstehen so feine, mittlere und grobe Strukturen.
Renovierung
Bei einer Renovierung ist der Tapetenbelag mehrfach überstreichbar und braucht nicht vollständig ersetzt zu werden. Ein grobkörniger Wandbelag kann zudem öfter überstrichen werden, da seine Körnung (Struktur) länger sichtbar bleibt. Verwendet man spezielle Grundierungen vor dem Tapezieren, lassen sich Raufasertapeten trocken abziehen. Traditionell werden sie jedoch, wie andere Tapeten auch, durchfeuchtet. Der wasserlösliche Kleister wird beim Befeuchten weich und die Tapete kann, mehr oder weniger gut, vom Untergrund entfernt werden. Wurde die Raufaser mit wasserundurchdringlicher Latexfarbe beschichtet, ist eine vorherige Perforation erforderlich.
Mit Etablierung von Vliestapeten gibt es Raufaser mittlerweile auch als Vliesvariante.[3]
Geschichte
Früher wurden Wände mit Kalk- oder Leimfarbe gestrichen, die bei jeder Renovierung abgewaschen werden musste. Dann kam man auf die Idee, zwischen Farbe und Wand einen Papierbelag aufzukleben, damit man nur die Tapete zu entfernen brauchte, um die Farbe ebenfalls zu entfernen. Nachdem Erfurt & Sohn bereits 1864 eine „Rauhfasertapete“ zur Schaufensterdekoration entwickelt hatte, etablierte sich diese in den 1920er Jahren dann als eine gute und universelle Wandbekleidung. Durch ihre Struktur überdeckt sie Unebenheiten der Wand, die sich vor allem in Altbauten durch alte, teilweise abgeblätterte Farbanstriche auf dem Putz, Risse oder Reparaturstellen häufig finden. Ihre Beliebtheit verdankt die Raufaser vor allem den geringen Renovierungskosten, ihrer Robustheit und ihrer leichten Verarbeitbarkeit. Zudem ist sie bei Verwendung entsprechender Kleister und Wandfarben gesundheitlich unbedenklich. Bei der Herstellung wird größtenteils Recyclingpapier verwendet und weitestgehend auf PVC, Weichmacher und Lösungsmittel verzichtet. Seit 2007 werden Raufasersorten angeboten, die sich laut TÜV-Siegel auch für Allergikerhaushalte eignen. Seit ihrer Einführung 2009 sind mit „Rauhvlies-Design“ auch Wellen- und Streifenmuster mit Raufaserstruktur realisierbar.
Verarbeitung
Raufaser wird wie jede andere Tapete rückseitig mit einem geeigneten Kleister gleichmäßig eingestrichen. Hilfreich sind dabei Kleistergeräte, mit denen der Kleisterauftrag besonders gleichmäßig und rationell gelingt. Nach dem Zusammenlegen der eingekleisterten Bahnen müssen diese eine gewisse Zeit einweichen, bevor sie auf den Untergrund geklebt werden und sich dort beim Trocknen über die Wandfläche spannen.
Bei der sogenannten „Vlies-Raufaser“ entsteht die Struktur wie beim klassischen Original aus Holzspänen. Der Wandbelag kann jedoch direkt von der Rolle an die eingekleisterte Wand tapeziert werden. Zuschneiden, Zusammenkleben und Einweichen sind nicht mehr notwendig. Allerdings spannt sich diese Tapetenart beim Trocknen an der Wand nicht, weswegen sie für unebene Wände nicht so gut geeignet ist. Wie bei Vlies-Materialien üblich, können diese im Renovierungsfall auch wieder ohne Hilfsmittel trocken von der Wand abgezogen werden.
Künstlerische Rezeption
- Die Raufasertapete als Inbegriff des englischen Kleinbürgertums zieht sich leitmotivisch durch die 1995 erschienene Single Disco 2000 der englischen Popband Pulp (Your house was very small / With woodchip on the wall).
Weblinks
- Die Raufasertapete auf der Warengruppenseite des Herstellers Erfurt
- Anleitung zum Entfernen von Raufaser (mit Video)
- Deutsches Tapeten-Institut – Normungs- und Standardisierungsinstanz der deutschen Tapetenhersteller
Einzelnachweise
- ERFURT-Rauhfasertapeten: Immer die richtige Wahl. In: Natürlich ERFURT: Die große Vielfalt für Ihre Decken und Wände. 2014, S. 6. Auf Erfurt.com (PDF; 3,55 MB), abgerufen am 28. November 2020.
- Rauhfasertapeten. In: Tapeten, 2011. Auf Vliestapeten.net, abgerufen am 28. November 2020.
- Für alle, die beides wollen: Vlies-Raufasertapete. In: Tapete – Raufaser oder Vliestapete. Auf Sanier.de, abgerufen am 28. November 2020.