Schaufenster
Als Schaufenster bezeichnet man meist großflächige Durchsichtfenster eines Handelsbetriebs oder eines Ladens, hinter denen Waren von außen sichtbar für Passanten zur Schau gestellt werden oder auf Dienstleistungen hingewiesen wird.
Allgemeines
Die Waren bzw. Hinweise sind in der Regel attraktiv dekoriert (englisch visual merchandising), weil das Schaufenster insbesondere das Interesse der Laufkunden wecken soll. Eine veraltete Bezeichnung für die Auslage hinter einem Schaufenster ist der aus dem Französischen stammende Begriff Etalage. Schaufenster zählen für den stationären Einzelhandel, namentlich für den Fachhandel und Warenhäuser, zu den wirksamsten Werbemitteln.[1] Der Informations- und Unterhaltungswert der Schaufensterauslagen (englisch window shopping) soll Interessenten aufmerksam machen und zu Spontankäufen verleiten. Damit wird das ohne Kaufabsicht erfolgende Flanieren vor Schaufenstern in Fußgängerzonen oder Einkaufszentren bezeichnet.
Geschichte
Schaufenster entstanden erstmals um 1780 – in Paris z. B. bis 1788 die Galeries de Bois im Palais Royal. Größere Verbreitung fand das Schaufenster erst, nachdem es in den USA üblich geworden war. Die französische Bezeichnung vitrine deutet auch auf das verwendete Material Glas hin. Schaufenster sind aus verstärktem, zum Teil bruchsicherem Spezialglas. Schaufenster von Schmuck- und Uhrenläden zeigen oft Attrappen, um bei Diebstahl per Einbruch zu schützen (Nachtauslage). Trotz eiserner Gitter werden Schaufenster immer wieder eingeschlagen, z. B. durch einen Rammstoß mit einem schweren Fahrzeug. Neuzeitliche Schaufensterscheiben sind heute oft aus Verbund-Sicherheitsglas (reißfeste und zähelastische Folie zwischen zwei Glasscheiben, die sie zu einer Einheit zusammenfügt).
In Berlin wurden jüdische Geschäftsinhaber im Juni 1938 angewiesen, ihre Namen in weißen Buchstaben am Schaufenster anzubringen.[2] Am 10. Juni 1941 wurde es Einzelhandelsgeschäften im Deutschen Reich verboten, ihre Schaufenster mit Waren zu dekorieren, die unverkäuflich waren oder bereits verkauft waren; diese bis dahin verbreitete Praxis hatte zu teils heftigem Unmut bei Kunden geführt.[3] Kriegsbedingt herrschte Mangelwirtschaft (siehe auch Kriegswirtschaft).
Rechtsfragen
Die Schaufensterauslage ist eine Aufforderung zur Abgabe eines Angebots (lateinisch invitatio ad offerendum) und damit selbst noch kein Angebot, sondern eine Werbung, mit der ein Kunde zur Abgabe eines Vertragsangebots aufgefordert werden soll.[4] Nach herrschender Meinung stellt auch die im Supermarkt ausgelegte Ware eine Invitatio dar, weil es am Erklärungsbewusstsein und am Rechtsbindungswillen des Verkäufers zunächst fehle.[5] An der Kasse gibt der Käufer über die Kassiererin sein Angebot ab, das durch Eingabe oder Scan des Kaufpreises durch den Supermarktbetreiber konkludent angenommen wird.[6][7] Aus diesen Gründen hat der Kunde keinen Anspruch auf Aushändigung eines bestimmten Ausstellungsstücks (etwa aus dem Schaufenster eines Geschäfts).
Arten von Schaufenstern
Das Handelsmarketing kennt zahlreiche Schaufensterarten mit vielfältigen handelspsychologisch geschickten Gestaltungsmöglichkeiten. Diese sind zum Beispiel[8]:
- Stapelfenster
- Themenfenster
- Bedarfsorientierte Fenster
- Anlassorientierte Fenster (z. B. Weihnachten, Ostern, Fußball-WM usw.)
- Bühnenfenster
- Fantasiefenster
- Durchblickfenster/ offenes Fenster (die den Blick in den Verkaufsraum gestatten)
- Halboffene Fenster
- Blinde Fenster
Schaukasten und Vitrine
Im Deutschen versteht man unter Vitrine eine Art Schaukasten, in dem sich vor Umwelteinflüssen oder Berührungen zu schützende Objekte befinden. Sie enthalten Ausstellungsstücke oder die direkt zum Verkauf angebotene Ware. Sie werden im Verkaufsraum oder bei Messen platziert.
Wissenswertes
- In den Rotlichtvierteln einiger Städte (wie z. B. Amsterdam) bieten Prostituierte ihre Dienstleistungen an, indem sie sich selbst in entsprechend leichter Bekleidung in ihre Schaufenster setzen.
- Das Herrichten und die Gestaltung von Schaufenstern ist der Tätigkeitsbereich des Schaufensterdekorateurs. Frühere Namen dieses Ausbildungsberufs, wie Schauwerbegestalter und Schaufenstergestalter wurden in Deutschland durch die Bezeichnung Gestalter/in für visuelles Marketing abgelöst. Zum Aufgabenbereich der/des Gestalter/in für visuelles Marketing gehören heute jedoch wesentlich mehr Aufgaben, als zum/ zur Schauwerbegestalter/in: Neben den Schaufenstern gehören auch die Warenlegung, Verkaufsflächengestaltung, Planung und Umsetzung von Verkaufsräumen und lokalen Marketingaktivitäten.
- Gelegentlich werden auch Industriemessen „Schaufenster der Wirtschaft“ genannt.
Siehe auch
Literatur
- Lian Maria Bauer: Szenerien. Handbuch zur Warenpräsentation auf der Bühne des Schaufensters. Deutscher Fachverlag, Frankfurt am Main 1997, ISBN 3-87150-546-3 (= Reihe Werbepraxis, Band 3, Lehrbuch der Schaufenstergestaltung).
- Aurora Cuito (Hrsg.): Store window, Schaufenster, vitrine, escaparates, vetrina design. teNeues, Kempen 2005, ISBN 3-8327-9036-5 (Bildband zum aktuellen Schaufensterdesign).
- Sabine Gauditz: Schaufenster als Spiegel der Geschäfte: Läden mit den Augen der Kunden sehen – Grundzüge der visuellen Kommunikation. Braman, Frankfurt am Main 2. aktualisierte und erweitere Auflage 2019, ISBN 978-3-95903-002-1 (= Edition Buchhandel; Bd. 8).
- Tilman Osterwold, Ilze Czigens (Bearb.): Schaufenster. Die Kulturgeschichte eines Massenmediums. Ausstellungsbegleitband. Württembergischer Kunstverein, Stuttgart 1974.
- Hans-Otto Schenk: Chancen und Risiken der Schaufensterwerbung, in: BAG-Nachrichten, Heft 12/1981, S. 14–17.
- Hans-Otto Schenk: Psychologie im Handel, 2. Auflage, Oldenbourg, München / Wien 2007, ISBN 978-3-486-58379-3.
- Nina Schleif: SchaufensterKunst. Böhlau, Köln / Weimar / Wien 2004, ISBN 978-3-412-02903-6 (Zugleich Dissertation an der Universität Frankfurt am Main, beleuchtet die Geschichte des Schaufensters aus kunstgeschichtlicher Sicht, Rezension).
- Guido Szymanska: Welten hinter Glas. Zur kulturellen Logik von Schaufenstern (= Studien & Materialien des Ludwig-Uhland-Instituts der Universität Tübingen, Band 25). Tübinger Vereinigung für Volkskunde, Tübingen 2004, ISBN 3-932512-26-X (Magisterarbeit Universität Tübingen 2002, 149 Seiten – über Schaufenster als Mittel der kulturellen Identität).
Weblinks
Einzelnachweise
- Verlag Dr. Th. Gabler (Hrsg.), Gabler Wirtschafts-Lexikon, Band 5, 1988, Sp. 1138
- Susanne Heim (Hrsg.), Die Verfolgung und Ermordung der europäischen Juden durch das nationalsozialistische Deutschland 1933–1945, Band 2: Deutsches Reich 1938–August 1939, München 2009, S. 19
- www.chroniknet.de
- BGH, Urteil vom 4. Februar 2009, Az.: VIII ZR 32/08 = BGHZ 179, 319, 320
- Carl Creifelds, Creifelds Rechtswörterbuch, 2000, S. 1141 f.
- Detlef Leenen, BGB Allgemeiner Teil: Rechtsgeschäftslehre, 2015, S. 116, Rn. 24-26
- Gerti Donhauser, Vertragsrecht / Schuldrecht / Sachenrecht, 2004, S. 29
- Hans-Otto Schenk, Psychologie im Handel, 2007, S. 251