Rügenwalder Mühle
Rügenwalder Mühle ist ein Lebensmittelproduzent aus Bad Zwischenahn.
Rügenwalder Mühle Carl Müller GmbH & Co. KG | |
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Rechtsform | GmbH & Co. KG |
Gründung | 1834 |
Sitz | Bad Zwischenahn (Niedersachsen, Deutschland) |
Leitung | Michael Hähnel (Geschäftsführer, Vorsitzender), Jörg Pfirrmann (Geschäftsführer) |
Mitarbeiterzahl | 770 (2020)[1] |
Umsatz | 234 Mio. Euro (2020)[1] |
Branche | Lebensmittel |
Website | ruegenwalder.de |
Geschichte
Carl Müller gründete 1834 in der pommerschen Kleinstadt Rügenwalde (heute Darłowo, Polen) eine Fleischerei. Nachfolger von Carl Müller wurde sein Sohn Johann August Wilhelm Müller. Carl Wilhelm Gottfried Müller, der das Unternehmen in der dritten Generation leitete, stellte 1903 zum ersten Mal seine Teewurst unter diesem Namen her.[2][3][4] Um Carl Müllers Wurst von anderen unterscheiden zu können, entwarf seine Frau Alwine eine rote Windmühle als Firmenlogo; damals noch mit krummen Würsten als Flügel.[2][5] Das Motiv der Mühle wurde gewählt, da der Familienname Müller lautete und ein Konkurrenzunternehmer mit Namen Carl Schiffmann ein Schiff als Firmenlogo hatte.[5]
Gegen Ende des Zweiten Weltkrieges musste der Standort in Rügenwalde im Zuge der Flucht und Vertreibung der deutschen Bevölkerung aufgegeben werden. Die Familie Müller floh 1946 in das niedersächsische Westerstede im Ammerland. Dort wurde der Geschäftsbetrieb wieder aufgenommen und vom vierten Geschäftsführer Carl Wilhelm Müller 1956 nach Bad Zwischenahn verlagert. Unter dem gelernten Uhrmacher Kurt Rauffus († 2007), Ehemann der Erbin Ruth Müller, wuchs das Unternehmen in der nächsten Generation zu einem Industriebetrieb an. Bis 2017 leitete sein Sohn Christian Rauffus den Betrieb in sechster Generation. 2012 wurde im Bad Zwischenahner Ortsteil Kayhausen am Zwischenahner Meer eine funktionsfähige Windmühle eingeweiht, die in Anlehnung an das Firmenlogo mit roten Ziegelsteinen neu erbaut wurde und den Markenauftritt des Unternehmens unterstützen soll.[6]
Das Unternehmen verkauft fast ausschließlich in Deutschland.[7] 2014 verhängte das Bundeskartellamt gegen 21 Wurstunternehmen, darunter Rügenwalder Mühle Carl Müller, eine dreistellige Millionenstrafe wegen illegaler Preisabsprachen.[8]
Zu Beginn des Jahres 2017 zog sich Christian Rauffus nach über 30 Jahren aus der operativen Geschäftsführung zurück und übernahm den Vorsitz im neu geschaffenen Aufsichtsrat des Unternehmens. Sein Sohn Gunnar Rauffus folgte Anfang 2020 auf diese Position.
Fleischprodukte
Zur Produktpalette gehören Rügenwalder Teewurst, Schinkenwurst, unter dem Markennamen Schinken Spicker,[3] Mett, Leberwurst, Kochschinken, Frikadellen und Würstchen. Als ehemalig in Rügenwalde ansässiges Unternehmen darf es seine Teewurst unter der Wortmarke „Rügenwalder Teewurst“ auf dem Markt anbieten.
Seit 2020 mehrheitlich vegetarische Produkte
Neben den Wurstprodukten stellt das Familienunternehmen seit 2014 auch fleischlose Produkte wie vegetarische Schnitzel, Mini-Frikadellen und Aufschnitt her, ein Teil dieser Produkte ist vegan.[9][10]
In einem Interview mit der F.A.Z. im Jahr 2016 äußerte sich der Inhaber Christian Rauffus über die langfristige Ausrichtung des Unternehmens. Er sprach sich gegen häufigen Fleischverzehr aus und führte aus: „Ich kann mir vorstellen, dass wir in 20 Jahren ohne Fleisch arbeiten.“[11] Im November 2016 kamen auf etwa 400 Tonnen Fleischprodukte rund 100 Tonnen vegetarischer Produktion in einer Woche.[11]
Im Juli 2020 machte das Unternehmen erstmals mehr Umsatz mit veganen und vegetarischen Produkten als mit klassischer Wurst. Im Gesamtjahr 2020 wuchs der Umsatz der Fleischersatzprodukte um 73 Prozent. Aufgrund dieses starken Wachstums wurde die Produktion des klassischen Schinken Spickers aus Fleisch ausgelagert, um Produktionskapazitäten für die Fleischalternativen zu schaffen. Das Unternehmen ist mit knapp 40 Prozent Marktanteil Marktführer in Deutschland in diesem Segment. Insgesamt will man aber langfristig zweigleisig mit Fleisch- und Alternativprodukten fahren. Hierfür wird aktuell ein weiterer Produktionsstandort gesucht.[12]
Öffentlichkeitsauftritt
In den 1990er Jahren fokussierte sich das Familienunternehmen zunehmend auf Marketing. Für einen gelungenen Markenauftritt wurde das zuvor etwa 400 Produkte umfassende Sortiment radikal reduziert. Das Zugpferd des Unternehmens, die Teewurst, sollte die Verluste durch ein großes Wachstum wettmachen. Man konzentrierte sich auf TV-Werbung, mit deren Hilfe der Umsatz der Rügenwalder Teewurst von 50 Millionen im Jahr 1996 auf etwa 100 Millionen Mark im Jahr 2000 stieg. In den darauffolgenden Jahren wurde eine ähnliche Strategie mit der Gutsleberwurst Pommersche mit Erfolg verfolgt. Bis heute ist der Markenwert dieser beiden Marken im Vergleich zu den Wettbewerben sehr hoch.[13]
2010 erhielt das Unternehmen den Sonderpreis des deutschen Marketings-Verbands. Von der Jury wurde insbesondere die generationenübergreifende, exzellente Performance im Marketingbereich gelobt.[14]
Das Logo des Lebensmittelherstellers ist eine Mühle mit roten Würsten als Flügel. Eine echte zum Unternehmen gehörige Windmühle gab es aber weder in Rügenwalde noch später in Niedersachsen, bis die Firma 2011/2012 sich eine voll funktionsfähige Mühle mit einem Salzmahlwerk am Ostufer des Zwischenahner Meers errichten ließ, die sie analog zum Firmennamen „Rügenwalder Mühle“ nannte. Die Mühle ist aus Holz und Klinkern gebaut und siebzehn Meter hoch.[15][7] Sie wurde auf dem Gelände des Charlottenhofs platziert, einem umgebauten Ammerländer Bauernhaus aus dem 18. Jahrhundert, das als Gästehaus des Unternehmens Rügenwalder Mühle fungiert, aber auch von Externen gastronomisch genutzt werden kann. Bei der Schlüsselübergabe der Mühle war der Fernsehmoderator Jörg Pilawa als Werbepartner zugegen.[16] Im Umfeld der Mühle werden Werbespots für die Produkte des Unternehmens gedreht.
Christian Rauffus unterstützte 2013 den Vorschlag eines Veggieday.[9] Die Süddeutsche Zeitung führte dazu ein Interview Rauffus mit dem Handelsblatt an. Es sei der SZ zufolge ein Trend zum Flexitarismus auszumachen, viele Menschen wollten Fleisch in Maßen und mit gutem Gewissen verspeisen, ebenso werde gelegentlich vegetarisches Essen immer beliebter.[9]
Im September 2016 testete die Stiftung Warentest vegetarische Fleischersatzprodukte, darunter auch das vegetarische Schnitzel von Rügenwalder, welches dabei als mangelhaft bewertet wurde.[17] Laut Stiftung Warentest wurden mit 400 Milligramm pro Kilogramm vergleichsweise hohe Konzentrationen gesättigter Kohlenwasserstoffe aus Mineralöl gefunden, für die es zwar keinen Grenzwerte gibt, die aber laut der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) als „potenziell besorgniserregend“ eingestuft sind.[18][19] Rügenwalder Mühle erklärte, dass die Rückstände durch ein Paraffin verursacht würden, das zur Herstellung von Lebensmitteln zugelassen sei. Es wurde von einem Zulieferer als Schmiermittel eingesetzt, sei aber kein gesundheitsgefährdendes Mineralöl. Das Unternehmen ließ dies durch Analysen in mehreren unabhängigen Laboren nachweisen. Die Zutat, die für das Paraffin verantwortlich gewesen war, wurde ausgetauscht und nicht mehr bei Rügenwalder Mühle eingesetzt.
Die Gemüsefrikadellen des Unternehmens wurden Testsieger im Bereich „Veggie-Frikadelle“.[20] Im Jahr 2019 erhielt das Produkt „Veganer Mühlen Burger Typ Rind“ bei einem Test der Zeitschrift „Öko-Test“ die Note „Gut“ und wurde damit Testsieger in der Kategorie „Wie-Fleisch-Burger“.[21] PETA Deutschland zeichnete das Produkt „Veganes Mühlen Steak Typ Rind“ mit dem Vegan Food Award 2019 als „bestes veganes Steak“ aus.[22]
Filme
- Unsere Geschichte: Rügenwalder Mühle – Mit der Teewurst an die Spitze, NDR-Dokumentation
Literatur
- „Die Mehrheit will Bulette“. SPIEGEL-Gespräch. In: Der Spiegel Heft 35/2016 S. 58–60. ISSN 0038-7452
Weblinks
- Website des Unternehmens
- Wurst und Wahrheit. taz, 7. Juli 2012
- Unsere Geschichte - Made in Norddeutschland. Rügenwalder Mühle - Mit der Teewurst an die Spitze am 15. Juli 2020 auf ndr.de, abgerufen am 16. Juli 2020
Einzelnachweise
- Zahlen und Fakten | Rügenwalder Mühle. Abgerufen am 24. Januar 2022.
- Unsere Geschichte: Unternehmen mit Tradition | Rügenwalder Mühle. Abgerufen am 24. Januar 2022.
- Florian Langenscheidt (Hrsg.): Deutsche Standards: Marken des Jahrhunderts. 15., neubearbeitete Auflage. Gabler u. a., Wiesbaden u. a. 2006, ISBN 3-8349-0436-8, S. 448 (google.com [abgerufen am 27. August 2016]).
- Rügenwalder Mühle: Unsere handwerkliche Tradition: Teewurst. 29. Mai 2013, abgerufen am 27. August 2016.
- Unser Firmenlogo zum Anfassen. In: www.ruegenwalder.de. Abgerufen am 13. Februar 2018.
- Unser Chef. Rügenwalder Mühle, 23. Mai 2013, abgerufen am 27. August 2016.
- Martin Dowideit: Der Mann mit der Mühle, abgerufen am 5. Juli 2015.
- Bundeskartellamt - Homepage - Bundeskartellamt verhängt Bußgelder gegen Wursthersteller. Abgerufen am 24. Januar 2022.
- Vorschlag der Grünen, Wursthersteller lobt Veggie Day Süddeutsche 26. August 2013.
- Lebensmittelkonzern Rügenwalder Mühle: „Mensch, Papa, noch 'ne Wurst?“ In: Spiegel Online. 27. August 2016, abgerufen am 27. August 2016.
- FAZ, Ein Wurstfabrikant will weg vom Fleisch, 14. November 2016.
- Katrin Terpitz: Veggie-Boom mit Nebenwirkungen. Rügenwalder Mühle, Marktführer für Fleischalternativen, kommt mit der Produktion kaum nach. Der Firmenchef fürchtet, dass Rohstoffe wie Erbsen knapp werden. In: Handelsblatt. Nr. 73, 16. April 2021, S. 60.
- Christian Rauffus,Godo Röben, Thorsten Esch: Von der Wurst zur Marke: Aufbau der Dachmarke Rügenwalder. In: Franz-Rudolf Esch, Wolfgang Armbrecht (Hrsg.): Best Practice der Markenführung. Gabler, Wiesbaden 2009, ISBN 978-3-8349-0933-6, S. 42–48.
- Rüdiger zu Klampen: Auszeichnung Marketingpreis für Rügenwalder. In: Nordwest Zeitung. 3. November 2010, abgerufen am 19. April 2021.
- Oldenburgische Wirtschaft Juni 2012: Rügenwalder Mühle.
- Nordwest-Zeitung am 15. November 2012.
- Vegetarische Schnitzel & Co: Die besten Alternativen zu Fleisch. In: test.de. 28. September 2016, abgerufen am 21. Februar 2017.
- Stiftung Warentest lässt Veggie-Wurst durchfallen. In: Süddeutsche Zeitung. 28. September 2016, abgerufen am 5. Oktober 2016.
- Bastian Brauns: Auch im Veggi-Burger lauert Gefahr. In: Die Zeit. 28. September 2016, abgerufen am 5. Oktober 2016.
- Rheinische Post, Die Fleischbeschau für Vegetarier, 28. Oktober 2016.
- WELT: „Öko-Test“: Geschmacksverstärker, Mineralölreste – Vegane Burger nicht ganz sauber. 24. Oktober 2019 (welt.de [abgerufen am 29. Oktober 2019]).
- PETA Deutschland e.V: Vegan Food award 2019 bestes veganes Steak. Abgerufen am 21. Juli 2020.