Polnische Operation des NKWD
Als Polnische Operation des NKWD wird eine Aktion zur Verhaftung und Ermordung von Polen und polnischstämmigen Sowjetbürgern durch das Volkskommissariat für Innere Angelegenheiten (NKWD) bezeichnet. Sie war die zweite NKWD-Aktion im Rahmen der sogenannten „nationalen Operationen“ während der Zeit des Großen Terrors 1937/38 in der Sowjetunion und das Modell für alle nachfolgenden nationalen Operationen des NKWD.[1] Selbst die etwas früher – Ende Juli 1937 – ausgelöste Deutsche Operation entwickelte sich nach dem Muster der polnischen.[2]
Ablauf
Grundlage für die Aktion war der NKWD-Befehl Nr. 00485 vom 11. August 1937 „Über die Liquidierung polnischer Sabotage- und Spionage-Gruppen und Unterorganisationen der Polnischen Militär-Organisation (POW)“. Dieser Befehl, dem ein 30 Seiten langer erläuternder Brief – abgesegnet von Stalin und unterzeichnet von Jeschow – beigefügt wurde, unterstellte die Existenz einer entsprechenden, in der Sowjetunion subversiv tätigen militärischen Organisation des polnischen Staates. In der Realität diente der Befehl zur massenhaften Repression von Sowjetbürgern polnischer Abstammung oder mit polnisch klingenden Namen sowie von Sowjetbürgern mit Arbeitskontakten oder privaten Verbindungen nach Polen. Außerdem waren Bewohner des sowjetisch-polnischen Grenzgebiets besonders gefährdet. All diese Menschen gerieten in Verdacht, weil sie als Polen oder polenfreundlich von der Führung der Sowjetunion als Feinde wahrgenommen wurden.
Die 14 Monate andauernde „Polnische Operation“ war die weitaus größte aller „nationalen Operationen“ des NKWD im Zuge des Großen Terrors. Innerhalb von 14 Monaten wurden 143.810 Sowjetbürger polnischer Abstammung, mit polnisch klingenden Namen, mit Kontakten nach Polen oder mit Wohnort in Grenznähe verhaftet. Von ihnen wurden 139.885 verurteilt. 111.091 wurden erschossen.[3] Nach Andrzej Paczkowki stellten ethnische Polen mehr als 10 Prozent der Opfer der Großen Säuberung und etwa 40 Prozent im Zuge der Operationen gegen die nationalen Minderheiten dar.[4]
Literatur
- Andrzej Paczkowki: Die POW-Affäre und die »polnische Operation« des NKWD (1933–1938). In: Stéphane Courtois et al., Joachim Gauck, Ehrhart Neubert: Das Schwarzbuch des Kommunismus – Unterdrückung, Verbrechen und Terror. (1998) Piper Verlag, München 2004, ISBN 3-492-04053-5, S. 398–402.
- Nikita Petrov, Arsenii Roginskii: The “Polish Operation” of the NKVD 1937–8. In: Barry McLoughlin, Kevin McDermott (Hrsg.): Stalin’s terror. High politics and mass repression in the Soviet Union. Palgrave Macmillan, Basingstoke [u. a.] 2004, S. 153–172, ISBN 1-4039-3903-9; Teildigitalisat bei Google Books.
- Timothy Snyder: Bloodlands. Europa zwischen Hitler und Stalin. Aus dem Engl. von Martin Richter, Beck, München 2011, ISBN 978-3-406-62184-0, insbesondere S. 107–123.
- Nicolas Werth: The Mechanism of Mass Crime. The Great Terror in the Soviet Union 1937–1938. In: Robert Gellately (Hrsg.): The specter of genocide. Mass murder in historical perspective. Cambridge Univ. Press, Cambridge [u. a.] 2003, ISBN 0-521-82063-4, S. 215–239.
Weblinks
- „Der Große Terror“: 1937–1938. Kurz-Chronik. In: Website von Memorial-Russland, Gebiet Krasnojarsk. Abgerufen am 14. Juli 2016.
Einzelnachweise
- Nikita Ochotin; Arsenij Roginskij: Zur Geschichte der „Deutschen Operation“ des NKVD 1937–1938. In: Hermann Weber, Ulrich Mählert (Hrsg.): Verbrechen im Namen der Idee. Terror im Kommunismus 1936 –1938. Aufbau Verlag, Berlin 2007, ISBN 978-3-7466-8152-8, S. 149. Zitat: „Die polnische Operation war das Modell für alle nationalen Operationen (in der Terminologie des NKVD: Massoperacii po nacional'nym linijam) in den Jahren 1937/38.“
- Nikita Ochotin; Arsenij Roginskij: Zur Geschichte der „Deutschen Operation“ des NKVD 1937–1938, S. 149. Zitat: „Die Entwicklung der deutschen Linie der Repressalien folgt dem ‚polnischem Modell‘.“
- Werth: Mechanism of Mass Crime. S. 232–234. Siehe ferner Timothy Snyder: Bloodlands, S. 110–125. Umfassend dazu Petrov, Roginskii: The “Polish Operation” of the NKVD.
- Andrzej Paczkowki: Das Schwarzbuch des Kommunismus, S. 401.