Paul Juon
Paul Juon (eigentlich Павел Фёдорович Юон/Pawel Fjodorowitsch Juon, * 6. März 1872 in Moskau, Russisches Kaiserreich; † 21. August 1940 in Vevey) war ein hauptsächlich in Deutschland wirkender Schweizer Komponist russlandschweizerischer Abstammung.
Leben
Paul Juon war der Sohn des Versicherungsangestellten Theodor Friedrich Juon (* 1842), sein Grossvater war als Zuckerbäcker aus Masein, Graubünden, nach Russland gekommen. Seine Brüder waren der Maler Konstantin Juon und der Bergbauingenieur und russische Militäroffizier Eduard Juon.[1] Paul Juon studierte am Moskauer Konservatorium bei Jan Hřímalý, Sergei Iwanowitsch Tanejew und Anton Stepanowitsch Arenski sowie in Berlin bei Woldemar Bargiel. Dort erhielt er 1896 den Mendelssohn-Preis für Komposition.
Von 1896 bis 1897 unterrichtete er Musiktheorie und Violine am Konservatorium von Baku, danach kehrte er nach Berlin zurück, wo er 1906 von Joseph Joachim als Kompositionsprofessor an die Hochschule für Musik berufen wurde. Zu seinen Schülern zählen Hans Chemin-Petit, Werner Richard Heymann, Nikos Skalkottas, Henry Jolles, Pantscho Wladigerow, Philipp Jarnach, Heinrich Kaminski, Lauri Ikonen, Georg Ahl, Max Trapp, Yrjö Kilpinen, Gerhart von Westerman, Hans Moltkau, Giannis Konstantinidis, Wilhelm Guttmann, Stefan Wolpe und Marc-André Souchay.
Seit 1934 lebte er in der Schweiz.
Juon heiratete 1912 Marie, genannt Armande (1874–1957). Sie war vorher die Ehefrau des 1907 verstorbenen Basler Komponisten Otto Hegner. Zusammen hatten sie drei Kinder: Stella (1913–1988) und Irsa (1915–1996) und Rémi. Ihre letzte Ruhestätte fanden sie auf dem Friedhof von Langenbruck.
Stil
Juon komponierte in einem eigenständigen spätromantischen Stil vier Sinfonien, ein Ballett, ein Klavier- und drei Violinkonzerte, weitere Stücke für Violine und Orchester, Épisodes concertants für Violine, Cello, Klavier und Orchester, kammermusikalische Werke, Sonaten für verschiedene Instrumente und Lieder. Juons Musik ist nicht leicht eingehend, sondern formell anspruchsvoll durchgearbeitet. Er verwendete oft russische oder auch nordische Themen und prägte sie durch formale Mittel zur Kunstmusik um. Dabei behielt er den Klang der nationalen Musik bei. Des Weiteren verwendete er seltene Taktarten, und der häufig erfolgende Wechsel der Taktvorzeichnungen ist eine Besonderheit all seiner Kompositionen.[2] Paul Juon hat (ca. 1908, Ausgabe Simrock, Leipzig) auch mindestens eine Orchestrierung einer Fremdkomposition geschaffen. Er bearbeitete die Klavierfassung des 4. Tanzes aus den Ungarischen Tänzen von Johannes Brahms zum Orchesterwerk.
Seit 1995 liegt sein Nachlass in der Kantons- und Universitätsbibliothek Lausanne. 1998 wurde die Internationale Juon Gesellschaft gegründet.
Werke (Auswahl)
Ein vollständiges Werkverzeichnis nach Gattungen und Opus-Zahlen bei IMSLP.
Bühnenwerke
- Aleko, Oper (1896)
- Das goldene Tempelbuch, Bühnenmusik (1912)
- Die armseligen Besenbinder, Bühnenmusik (1913)
Orchesterwerke
- op. 3a Ingeborgs Klage (1894)
- op. 10 Sinfonie [Ne. 1] fis-Moll (1895)
- op. 23 Sinfonie [Nr. 2] A-Dur (1903)
- op. 31 Wächterweise, Fantasie nach einem dänischen Volkslied (1906)
- op. 32a Ballet-Suite aus dem Tanzpoem Psyche (1910)
- op. 35 Aus einem Tagebuch, Symphonische Skizzen (1906)
- op. 40 Eine Serenadenmusik (1909)
- op. 93 Suite in fünf Sätzen (1935)
- op. 94 Anmut und Würde, Suite für Orchester (1937)
- op. 95 Rhapsodische Sinfonie (1939)
- op. 96 Tanz-Capricen (1941)
- op. 98 Sinfonietta capricciosa (1940)
Instrumentalkonzerte
- op. 42 Violinkonzert [Nr. 1] h-Moll (1909)
- op. 45 Konzertstück Episodes concertantes d-Moll für Klavier, Violine, Violoncello und Orchester (1912)
- op. 49 Violinkonzert [Nr. 2] A-Dur (1913)
- op. 59 Mysterien e-Moll für Violoncello und Orchester (1928)
- op. 88 Violinkonzert [Nr. 3] a-Moll (1931)
- op. 97 Burletta D-Dur für Violine und Orchester (1940)
Werke für Streichorchester
- op. 16 Fünf Stücke für Streichorchester (1901)
- op. 85 Kleine Serenade [für Schülerorchester] (1929)
- op. 87 Kleine Sinfonie [für Schülerorchester] (1930)
- op. 92 Divertimento [für Schülerorchester] (1933)
Kammermusik
- op. 15 Sonate für Viola und Klavier Nr. 1 D-Dur (1901)
- op. 17 Trio [Nr. 1] für Violine, Violoncello und Klavier (1901)
- op. 18a Trio-Miniaturen für Klarinette, Violoncello und Klavier (1920 – Bearbeitung von in den Jahren 1901 und 1904 entstandenen Kompositionen)
- op. 27 Oktett für Oboe, Klarinette, Horn, Fagott, Violine, Bratsche, Violoncello und Klavier (1905 – weitere Fassungen als Kammersinfonie oder Klavierseptett, letzteres als op. 27a gelistet und vereinfacht Septett benannt)
- op. 33 Quintett für Violine, 2 Bratschen, Violoncello und Klavier (1906)
- op. 37 Klavierquartett [Nr. 1] Rhapsodie für Violine, Bratsche, Violoncello und Klavier (1908)
- op. 39a Trio-Caprice D-Dur (nach Gösta Berling von Selma Lagerlöf) für Violine, Violoncello und Klavier (1908)
- op. 44 Quintett für 2 Violinen, Bratsche, Violoncello und Klavier (1909)
- op. 50 Klavierquartett [Nr. 2] für Violine, Bratsche, Violoncello und Klavier (1912)
- op. 54 Sonate a-Moll für Violoncello und Klavier (1913)
Kammermusik für Bläser
- op. 51 Divertimento für Flöte, Oboe, Klarinette, Horn, Fagott und Klavier (1913)
- op. 84 Bläserquintett B-Dur (1930)
Werke für Klavier
- op. 65 Vier Klavierstücke (1915)
- op. 76 Kakteen, 7 Klavierstücke (1923)
Schriften
- Praktische Harmonielehre. 1901
- Übersetzung der Tschaikowski-Biographie von Modest I. Tschaikowsky, 1903
- Anleitung zum Modulieren. 1929
Literatur
- Thomas-M. Langner: Juon, Paul. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 10, Duncker & Humblot, Berlin 1974, ISBN 3-428-00191-5, S. 698 f. (Digitalisat).
- Roman Flury, Paul Suter: Ein Musikergrab in Langenbruck. In: Baselbieter Heimatblätter, Bd. 43, 1978, Heft 3, S. 340–343 (Digitalisat).
Weblinks
- Werke von und über Paul Juon im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Noten und Audiodateien von Paul Juon im International Music Score Library Project
- Roman Bühler: Paul Juon. In: Historisches Lexikon der Schweiz.
- Die Internationale Juon Gesellschaft
- Werkeverzeichnis auf Klassika
- Kurzbiografie bei fattore.com (französisch)
- Werner Theurich: Der Stilzauberer: Wiederentdeckung von Paul Juon. In: Spiegel Online. 9. August 2015, abgerufen am 14. Oktober 2020.
- Beschreibung (französisch) und Dokumente des Bestandes Juon Paul bei der Schweizerischen Nationalphonothek
Einzelnachweise
- Roman Bühler: Eduard Juon. In: Historisches Lexikon der Schweiz. 25. März 2010, abgerufen am 23. Juli 2020.
- Eberhard Preußner: Paul Juon. In: Allgemeine Musik-Zeitung. Berlin 11. Juni 1926.