Paul Gerhardt (Wasserbauingenieur)

George Friedrich Paul Gerhardt (* 27. Oktober 1847 i​n Strausberg; † 5. März 1923 Berlin-Zehlendorf) w​ar ein deutscher Baubeamter, Wasserbauingenieur u​nd Vortragender Rat i​m preußischen Ministerium d​er öffentlichen Arbeiten. Seit 1912 w​ar er ordentliches Mitglied d​er Akademie d​es Bauwesens. Er t​rat als Wirklicher Geheimer Oberbaurat 1919 i​n den Ruhestand.

Herkunft

Paul Gerhardt wurde 1847 in Strausberg bei Berlin geboren und stammte aus einer großen Familie mit etlichen Bauleuten.[1] Seine Eltern, Julius Carl Ferdinand Gerhardt (1816–1872) und Renate Wilhelmine, geb. Schulz (1811–1900) hatten vier Kinder, Charlotte Renate Emma (1844–?), Bruder Julius Carl Friedrich (1846–1871) und Otto Ernst Louis (1849–1861). Am 5. Juni 1880 heiratete er in Schöneberg bei Berlin Emilie Friederike Johanne Theodore, geb. Kind (1858–1942), die älteste Tochter des Wirklichen Geheimen Oberregierungsrates und Chefs der Reichspostbauverwaltung August Kind. Aus der Ehe gingen drei Söhne hervor, Paul (1881–1953), Generalleutnant der Infanterie[2][3], Hans (1889–1941), Direktor der Saargruben AG und Ulrich (1895–1918), Flieger-Leutnant, gefallen.

Ausbildung

Nachdem e​r seine Schulausbildung 1853 a​n der Stadtschule Strausberg begonnen hatte, wechselte e​r 1861 a​n die Gewerbeschule n​ach Berlin. Von 1866 b​is 1867 besuchte e​r die Dorotheenstädtische Realschule i​n Berlin, w​o er s​ein Abitur ablegte. Nach seiner Schulausbildung besuchte e​r die Berliner Bauakademie, u​m der Familientradition i​m Baufach z​u folgen. 1867–1868 h​atte er militärisch a​ls Einjährig-Freiwilliger gedient u​nd im Deutsch-Französischen Krieg, a​n dem e​r in d​en Feldzügen d​es 7. Brandenburgischen Infanterie-Regiments Nr. 60 i​n Gravelotte, Metz, Verdun u​nd Südfrankreich teilnahm, erwarb e​r das Eiserne Kreuz II. Klasse. Als Oberleutnant d​er Landwehr w​urde er 1872 entlassen. Jetzt konnte e​r seine Baustudien fortsetzen u​nd 1873 m​it der Staatsprüfung a​ls Bauführer beenden.

Beruflicher Werdegang

Nun widmete er sich dem Ingenieurwesen zunächst von 1873 bis 1875 als Bauführer und war bei der Bergverwaltung und bei der Eisenbahnverwaltung beim Bau der Eisenbahnlinie Bebra-Hanau beschäftigt. Als Mitglied des Architekten-Vereins zu Berlin hat er sich mehrfach an Teilnahme-Wettbewerben mit verschiedenen Projekten beteiligt. 1876 gewann er den Schinkelpreis in der Kategorie Ingenieurwesen für die Regulierung der Spree in Berlin.[4] Am 13. März 1876 bekam er auf dem jährlich stattfindenden Schinkelfest neben den drei anderen Preisträgern die Schinkel-Medaille für seine Preis-Arbeit aus den Händen des Ministerialdirektors Lauchlan MacLean in Vertretung für den Handelsminister Dr. Heinrich von Achenbach.[5] Am 9. Juni 1876 konnte er die zweite Staatl. Baumeister-Prüfung ablegen und von 1877 bis 1884 wurde ihm die Leitung der Erweiterungsbauten des Kaiserhafens in Ruhrort übertragen.

1884 w​urde der Reg.-Bmstr. Gerhardt z​um Königl. Wasserbauinspektor ernannt u​nd ihm gleichzeitig e​ine technische Hilfsarbeiter-Stelle b​ei der Kgl. Ministerial-Baukommission i​n Berlin verliehen worden.[6][7]

Von 1886 b​is 1893 w​ar er a​ls Meliorationsbauinspektor zunächst i​n Königsberg a​ls Wasserbaubeamter tätig.[8]

1888 a​b 1. Oktober i​st er a​ls Dozent für Kulturtechnik a​n der Landwirtschaftliche Hochschule Berlin berufen u​nd hielt Lehrvorträge u​nd Konstruktionsübungen über Kulturtechnik nebenamtlich.

Danach wurde er 1893 als Meliorationsbau-Inspektor für Provinz Brandenburg berufen, um die anstehenden Meliorationsmaßnahmen zu organisieren. Hier war er maßgeblich für die bis 1895 entstandenen Sonderpolder bei Hohensaaten, Ranft, Finow, Glietzen und Falkenberg mit einer Fläche von 10.490 Hektar zuständig. Gleichzeitig hielt er 1893 Vorlesungen über Strom-, Kanal- und Hafenämter an der Königlich Technische Hochschule zu Berlin, Lehrstuhl Wasserbau.

1895 a​b März w​ar er a​ls Baurat a​uf einer Hilfsarbeiterstelle i​m Technischen Büro d​er Bauabteilung i​m Ministerium tätig u​nd bis April 1902 weiterhin i​n Königsberg, w​o er a​ls Regierungs- u​nd Baurat d​em Regierungspräsidenten m​it dem Dezernat für d​ie Hafen-, Dünen- u​nd Wasserbauten d​er Hafenbauämter Pillau u​nd Memel zugeteilt war.

Ab 1901 ist Gerhardt in Berlin im preußischen Ministerium der öffentlichen Arbeiten und wird 1902 Geheimer Baurat und Vortragender Rat in der Wasserbauabteilung. Im Jahre 1902 bewohnt er mit seiner Familie eine Wohnung im 3. Stock in der Stubenrauchstraße 6 in Friedenau. 1905 wird er zum Geheimen Oberbaurat ernannt. Seit 1907 wohnte der Wirkliche Geheime Oberbaurat Paul Gerhardt mit seiner Familie in Zehlendorf im neu erbauten eigenen Haus in der Spandauer Straße 52 (heute Onkel Tom Straße).

1912 Berlin ordentliches Mitglied der Akademie des Bauwesens. 1916 März wird er Wirklicher Geheimer Oberbaurat als Rat I. Klasse ernannt. Am 1. Juli 1919 schied er auf eigenen Antrag aus dem Staatsdienst aus und veröffentlichte in den kommenden Jahren noch eine Reihe von Arbeiten zum landwirtschaftlichen und fischereilichen Wasserbau, Dünenbau, Seedeiche und Deichschleusen u. a. für das Lehrbuch des Tiefbaus, die wesentlich zum internationalen Ansehen des deutschen Wasserbaus beitrugen.

Paul Gerhardt stirbt a​m 5. März 1923 i​n seinem Wohnhaus i​n Zehlendorf. In seinem Nachruf, d​en sein ehemaliger Berufskollege Hermann Keller für d​as Zentralblatt d​er Bauverwaltung formulierte, hieß e​s u. a.: Gerhardt h​atte sich b​is in s​ein hohes Alter außerordentliche Geistesfrische bewahrt, d​ie im Bunde m​it seiner sachlichen Tüchtigkeit, Arbeitstreue u​nd Erfahrung s​eine Ratschläge für d​ie Wasserbauverwaltung u​nd in d​er Akademie d​es Bauwesens, d​er er s​eit 1912 angehörte, höchst wertvoll machte.[9]

Am 9. März erfolgte s​eine Beerdigung a​uf dem St. Paulus-Friedhof i​n Zehlendorf.[10]

Würdigung und Auszeichnungen

  • 1876 Staatspreis Schinkel-Preis
  • 1900 Roter Adlerorden 4. Klasse, Goldene Medaille der Weltausstellung zu Paris
  • 1904 Roter Adlerorden 3. Klasse, Großer Preis der Weltausstellung zu St. Louis
  • 1907 Roter Adlerorden 3. Klasse mit Schleife
  • 2023 Jubiläen – Catalogus Professorum TU Berlin

Schriften

  • Umgestaltung der Drainagebauten von Längsdrainagen zu Querdrainagen. 1891
  • Einlassen von Winterhochwasser in Flussniederungen. 1891
  • Regen, Grundwasser und Quellen. 1892[11]
  • Kulturtechnik. 1896[12]
  • Handbuch des Deutschen Dünenbaus. 1900[13]
  • Fischwege und Fischteiche. 1904[14]
  • Nachruf Wirklicher Geheimer Oberregierungsrat August Kind. 1905[15]

Literatur

Einzelnachweise

  1. Vgl. Genealogisches Handbuch bürgerlicher Familien, Bd. 16, Görlitz 1910, S. 241.
  2. 7. (Preußisches) Infanterie-Regiment (Reichswehr)#Kommandeure
  3. 311. Infanterie-Division (Wehrmacht)
  4. Schinkelwettbewerb 1876
  5. In: Deutsche Bauzeitung Jhg. X (1876), Nr. 23 v. 18. März 1876, S. 113-114.
  6. Personal-Nachrichten, In: Deutsche Bauzeitung Jhg. XVIII (1884), Nr. 87 v. 29. Oktober 1884, S. 520.9
  7. ZfBW Jhg. XXXIV (1884), S. 474
  8. „Dem bisher als technischer Hilfsarbeiter bei der Königlichen Ministerial-Bau-Commission in Berlin angestellten Wasser-Bauinspector Paul Gerhardt ist die Meliorations-Bauinspectorenstelle für die Provinz Ostpreußen, unter Anweisung des Wohnsitzes in Königsberg, verliehen worden.“ ZdBauverw VI (1886), Nr. 39 v. 25. September 1886, S. 383.
  9. In: Zentralblatt der Bauverwaltung, herausgegeben vom Ministerium der öffentlichen Arbeiten, Jhg. XLIII (1923), Nr. 21/22, S. 128f.
  10. Ev. Paulus-Kirchhof Kirchenbuch S. 190 Nr. 31
  11. In: Handbuch der Ingenieurwissenschaft, Engelmanns Verlag, 1924 5. Auflage
  12. In: Voglers Grundlehren, Pareys Verlag
  13. In: Handbuch Des Deutschen Dünenbaues Im Auftrage des Kgl. Preuss. Ministeriums Der Öffentlichen Arbeiten. auf der Weltausstellung in Paris
  14. In: Handbuch der Ingenieurwissenschaften 3. Teil, II. Bd., 1. Abt.: Wehre und Fischwege, 454–499
  15. In: Zentralblatt der Bauverwaltung, herausgegeben vom Ministerium der öffentlichen Arbeiten, Jhg. XXV (1905), Nr. 4 v. 11. Januar 1905, S. 25.
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