Passantenfrequenz
Die Passantenfrequenz (englisch footfall (UK), foot traffic (US)) gibt als Kennzahl in der Absatzwirtschaft und Immobilienwirtschaft die Anzahl von Passanten an, die in einem bestimmten Zeitraum einen abgrenzbaren Einzelhandelsstandort betreten.
Allgemeines
Kennzahlen dienen unter anderem als Entscheidungsgrundlage. Die Passantenfrequenz ist in der Absatzwirtschaft von Bedeutung, weil sie im Einzelhandel die Anzahl der potenziellen Laufkundschaft bestimmt und einen Standortfaktor darstellt. Die Immobilienwirtschaft verwendet diese Kennzahl als eine der Größen zur Ermittlung des Marktwerts und der Mietpreise von Gewerbeimmobilien. Je höher die Passantenfrequenz, umso attraktiver ist ein bestimmter Standort im Hinblick auf Kunden einzustufen und umso höher liegen tendenziell Verkehrswerte und Mietpreise von Gewerbeimmobilien.[1]
Berechnung
Als einer der bedeutendsten Ermittler der Kennzahl gilt Jones Lang LaSalle (JLL). Die Berechnungsmethode zeigt exemplarisch, wie Statistiken zustande kommen. Es handelt sich um eine Totalerhebung, bei der die Anzahl von Personen (ohne Kinder im Kinderwagen) innerhalb eines bestimmten Erhebungszeitraums (20 Minuten, 1 Stunde bis 3 Stunden; JLL) an einem Dienstag, Mittwoch, Donnerstag oder Samstag (JLL) zwischen 13 Uhr und 16 Uhr (JLL) eine bestimmte Straße (Einkaufsstraße, Fußgängerzone) betreten. Innerhalb eines Erhebungszeitraums von einer Stunde gibt es bei JLL vier Zählintervalle von je 15 Minuten, welche jeweils wiederum in drei fünfminütige Zähleinheiten aufgeteilt werden. In den ersten 5 Minuten eines Intervalls werden alle Passanten mit einem Handzähler gezählt, die den Zähler über eine gedachte Linie von links nach rechts passieren; in den folgenden 5 Minuten werden die Passanten in der Gegenrichtung gezählt. In den letzten 5 Minuten eines Intervalls wird eine Pause eingelegt, um eventuelle Frequenzschwankungen auszugleichen, die durch den öffentlichen Personennahverkehr oder längere Ampelphasen in der Nähe des Standorts entstehen. Mit dieser Methode wird effektiv eine Zählung von 40 Minuten durchgeführt. Jeder Zählintervall unterliegt folgender Hochrechnung:
Dabei sind
Zählergebnis der ersten fünfminütigen Zähleinheit je Intervall
Zählergebnis der zweiten fünfminütigen Zähleinheit je Intervall
Die Zählergebnisse aller Zählintervalle werden addiert und zur Passantenfrequenz zusammengefasst. Je höher die Passantenfrequenz ist, umso größer ist die Anzahl der potenziellen Kunden für die anliegenden Geschäfte. Der größte Teil der Passanten entfällt davon auf die Gelegenheitskundschaft,[2] während sich hierunter nur wenige Stammkunden befinden.
Die Auswahl des Zählungszeitraums, des Zeitpunktes und das Datenparameter der Witterungsbedingungen spielen bei der Ermittlung der Passantenfrequenz eine entscheidende Rolle. Auswertungen der letzten 10 Jahre haben gezeigt, dass sich starke Schwankungen ergeben können, wodurch sich die Ranglisten bedeutender Einkaufszonen ständig veränderten. Das lag sowohl daran, dass die Passantenströme starken Zufallsschwankungen unterliegen als auch daran, dass ein bestimmter Zählzeitpunkt festgelegt wird ohne Rücksicht auf die dann herrschenden Witterungsbedingungen.
Zweck
Die Passantenfrequenz ist ein Indikator für die Anziehungskraft eines Standortes. Gleichzeitig ist sie ein wichtiger Standortfaktor sowohl für die Wahl eines Unternehmensstandorts als auch zur Ermittlung des Immobilienwerts und der Gewerbemieten. Ihre Messung erfolgt nicht an frequenzschwachen Tagen (Sonntage), weil dann ohnehin keine Läden geöffnet sind. Ein Anstieg der Frequenz weist auf die zunehmende Beliebtheit bei Kunden hin. Durch die verkehrstechnische Erreichbarkeit bestimmter Standorte (ÖPNV, Parkhäuser) wird die Passantenfrequenz verbessert. Die Passantenfrequenz ist neben Mietniveau, Branchenmix, Standort und Kaufkraft eine Kennzahl im Immobilienrating von Gewerbeimmobilien.[3]
Kritik
Aufgrund ihrer methodischen Schwächen kann die Passantenfrequenz nicht als alleiniger Indikator für die Attraktivität eines Standortes herangezogen werden.
Einflussgrößen wie Wetter, Jahreszeit oder saisonale Schwankungen haben einen nur schwer zu kalkulierbaren Einfluss auf die Passantenanzahl und erschweren die Vergleichbarkeit der erhobenen Daten. Wenn es etwa in Berlin regnet und in München zeitgleich die Sonne scheint, wird es in der einen Einkaufsstraße mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit belebter sein als in der anderen. Gleiches gilt für Veranstaltungen. Auch ist es schwer, beliebte Metropolen mit touristisch weniger anziehenden Großstädten zu vergleichen, da Touristen ein ganz anderes Kaufverhalten zeigen als Ortsansässige.
Eine Messung erfolgt lediglich zahlenmäßig (quantitativ), qualitative Aussagen über einen Standort lassen sich nur aus der Analyse einer Vielzahl verschiedener Kennzahlen herstellen. Dazu gehören einerseits passantenbezogene Daten wie Geschlecht, Alter, Herkunft, Kaufkraft oder Motivlage, andererseits die geografischen, demografischen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen des gesamten Standorts. Die Einkaufsbereitschaft als entscheidende Größe kann nur durch eine Befragung ermittelt werden. Zudem besteht die Gefahr, dass Passanten mehrfach erfasst werden, „Läufer“ und „Käufer“ werden nicht unterschieden.
In Einkaufszentren werden statt Passantenfrequenzen häufiger Besucherzahlen angegeben. Dabei werden alle eintretenden Personen erfasst, wobei die Summe aller Eingänge die Besucherzahl ergibt. Je größer die Verkaufsfläche eines Einkaufszentrums ist, desto mehr unterscheiden sich Passantenfrequenz und Besucherzahlen.
Je nach Erhebungsquelle können sich auch unterschiedliche Passantenfrequenzen ergeben. Im Jahr 2008 wies eine Zählung von Engel & Völkers International die Bahnhofstraße in Hannover als die Straße mit der höchsten Passantenfrequenz auf (15.119 an einem Samstag im Mai zwischen 12 und 13 Uhr); Jones Lang LaSalle allerdings attestierten der Kölner Schildergasse im selben Mai zwischen 13 und 14 Uhr die höchste Passantenfrequenz (12.585, die Bahnhofstraße landete hier auf Platz 19). Einzige Straße, die bei beiden Zählungen in die Top5 gelangte, war die Frankfurter Zeil.
Aktuelle Ansätze
Automatisierte Passantenfrequenzzählungen: Passantenfrequenzzählungen in Einkaufsstraßen werden zunehmend nicht mehr nur stichprobenartig per Handzählung, sondern durch automatisierte Zählsysteme durchgeführt.[4]
Derzeit existieren verschiedene Techniken für automatisierte Passantenfrequenzzählungen in Einkaufsstraßen, beispielsweise Bluetooth-Tracker, Wifi-Tracker, Infrarotscanner, Kamerasysteme sowie Laserscanner. Die genannten Systeme unterscheiden sich in der Technik, im Anschaffungspreis sowie in der Zählgenauigkeit. Im Gegensatz zu den bislang weit verbreiteten Handzählungen ermöglichen automatisierte Zählsysteme die durchgehende Erhebung von Passantenfrequenzen (24 Std. / Tag; 365 Tage / Jahr) in Echtzeit.
Bedeutung
Die Passantenfrequenz übt einen entscheidenden Einfluss auf die Standortanalyse von Unternehmen aus, insbesondere laufkundenorientierte Filialsysteme orientieren sich an stark frequentierten Brennpunkten. Hierzu gehören Einkaufszentren, Einkaufsstraßen, Fußgängerzonen, Häfen, Flughäfen und Bahnhöfe. Während in Deutschland die Passanten pro Stunde gemessen werden, zählen international die Mietpreise und führen – gemessen an der Monatsmiete in Euro/m² – zu folgendem Ranking: Upper Fifth Avenue (New York City; 2.485 Euro/m²), Yee Wo Street (Causeway Bay, Hongkong; 1.942), Avenue des Champs-Élysées (Paris; 1.104), New Bond Street (London; 863), Pitt Street Mall (Sydney; 721), Via Montenapoleone (Mailand, 708) oder Ginza (Tokio; 677). In der Kaufingerstraße in München beträgt die Durchschnittsmiete 350 Euro/m².[5]
Literatur
- Arbeitskreis der gif. e.V. Messung der Passantenfrequenz in Einkaufsstraßen 2019 https://www.gif-ev.de/onlineshop/detail/443
- Claus Heidemann: Gesetzmäßigkeiten städtischen Fußgängerverkehrs. Dissertation Technische Hochschule Braunschweig 1966.
- Dirk Lührmann: Faktor Zufall. Wie aussagekräftig sind die jährlichen Passantenfrequenzzählungen in Fußgängerzonen, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 11. September 2009.
Einzelnachweise
- André Eberhard: Deutschland: Passantenfrequenz – Hannover und Stuttgart klare Gewinner, Leipzig in den Top10. In: gewerbeimmobilien24.de. 19. Juli 2008, archiviert vom Original am 1. August 2008; abgerufen am 20. September 2016.
- Christoph Burmann, Fläche und Personalintensität als Erfolgsfaktoren im Einzelhandel, 1995, S. 154
- Oliver Everling/Olaf Jahn/Elisabeth Kammermeier, Rating von Einzelhandelsimmobilien, 2009, S. 512
- https://www.stuttgarter-nachrichten.de/inhalt.einzelhandel-in-stuttgart-besucher-der-koenigstrasse-werden-mit-lasern-erfasst.1286f3fc-533e-40f8-9e43-f80a8926d789.html
- Cushman & Wakefield vom 19. November 2014, Teuerste Einkaufsstraße der Welt: New York verdrängt Hongkong abgerufen am 15. September 2016