Parlamentspalast
Der Parlamentspalast (auch Palast des Parlamentes, rumänisch Palatul Parlamentului [paˈlatul parlaˈmentului̯]) ist Sitz der Rumänischen Abgeordnetenkammer und liegt in der rumänischen Hauptstadt Bukarest. Er war früher als „Haus des Volkes“ (Casa Poporului [ˈkasa poˈporului̯]) bekannt. Der zentral gelegene Palast befindet sich am westlichen Ende des etwa drei Kilometer langen Bulevardul Unirii.[1]
Geschichte
Das Gebäude wurde von 1983 bis 1989 nach den Vorstellungen des diktatorisch regierenden rumänischen Staatspräsidenten Nicolae Ceaușescu errichtet; die offizielle Grundsteinlegung fand am 25. Juni 1984 statt. Die Architektin des Gebäudes Anca Petrescu (1949–2013) gewann den Wettbewerb für den Palastbau gleich nach Abschluss ihres Studiums im Alter von 26 Jahren und blieb nach der Fertigstellung Hauptverantwortliche für dessen Ausgestaltung. Um Platz für das Bauwerk der Superlative zu schaffen, zu dessen Gesamtkomplex auch weite Teile neuer Plätze und Alleen gehören, wurden Ende der 1970er Jahre teilweise historische Wohnhäuser mit rund 40.000 Wohnungen, ein Dutzend Kirchen und drei Synagogen abgerissen sowie Teile der Altstadt zwangsgeräumt. Auch das Kloster Mihai Voda sollte abgerissen werden, wurde aber nach weltweitem Protest verschont und stattdessen um ein paar hundert Meter verschoben.[2] Rund 20.000 Arbeiter, vor allem Militärangehörige, errichteten im Dreischichtbetrieb den Palast.[3][4]
Ursprünglich wurde das Bauwerk Casa Poporului (deutsch Haus des Volkes) genannt, von den Bukarestern damals spöttisch als „Haus des Sieges über das Volk“ bezeichnet. Nach der Rumänischen Revolution und der Hinrichtung Ceaușescus 1989 entbrannten Diskussionen um die weitere Nutzung des Bauwerkes. Im April 1991 fiel die Entscheidung, dass der Gebäudekomplex nicht abgerissen und in „Palast des Parlaments“ umbenannt wird. Nach weiteren Umbauten dient das Gebäude seit 1997 als Sitz der rumänischen Abgeordnetenkammer, 2005 bezog auch der Senat seinen Sitz im Palast. Außerdem gibt es ein internationales Konferenzzentrum, in dem zum Beispiel im April 2008 die Parlamentarische Versammlung der NATO stattfand. In den oberen Etagen befindet sich eine internationale Zoll- und Polizeiorganisation. Auf der Rückseite des Gebäudes ist das Nationalmuseum für Moderne Kunst untergebracht.
Architektur und Bautechnik
Der Bau beschäftigte mehr als fünf Jahre lang 20.000 Arbeiter und – je nach Quelle – 400 bis 700 Architekten.[3][4] Seine Grundfläche beträgt 65.000 m², die bebaute Fläche 365.000 m² – zum Vergleich: Das Pentagon misst 610.000 m². Die größte Galerie des Gebäudes ist 150 Meter lang und der größte Saal ist 16 Meter hoch und 2200 m² groß. Die Baukosten sind nur schwer zu beziffern, in einer Schätzung ist von 3,3 Milliarden Euro die Rede,[5] was bis zu 40 Prozent des jährlichen Bruttosozialprodukts Rumäniens entsprach.
Stil
Stilistisch wird der Parlamentspalast zum Neoklassizismus gerechnet. Seine Monumentalität weist ihn jedoch als reine Herrschaftsarchitektur aus und sprengt jeden bisher gekannten Rahmen der klassizistischen und neoklassizistischen Vorbilder. Der britische Historiker Tony Judt sah den Palast als „eine monströse Metapher für maßlose Tyrannei“.[5]
Technische Details
- Maße:[6]
- Grundfläche: 65.000 m²
- Höhe: 86 Meter über dem Boden, 92 Meter im Untergrund
- Länge: 275 Meter
- Breite: 235 Meter
- Zahlen:
- Am Bau mitwirkende Architekten (unter der Leitung von Anca Petrescu): 700
- 5.100 Räume, davon sind 3.000 Zimmer, der Rest sind Hallen und Flure (30 Konferenzsäle)
- über 30 Räume und Salons sind zwischen 200 und 2.000 m² groß
- 200 Toiletten
- 31 Aufzüge
- 480 Kronleuchter
- 150.000 Glühlampen
- 52.000 m² an Teppichen
- 2.000 km elektrische Leitungen
- Baumaterialien:
- 1.000.000 m³ Marmor aus Siebenbürgen
- 3500 t Kristallglas, aus denen 480 Kronleuchter, 1409 Deckenleuchten sowie Spiegel hergestellt wurden
- 700.000 t Stahl und Bronze für monumentale Türen, Fenster und Kronleuchter
- 900.000 m³ Holz (Walnuss, Eiche, Kirsche, Ulme, Platane, Ahorn)
- 200.000 m² gold- und silberbestickte Samt- und Brokatvorhänge
Derzeit (2010) kümmern sich 170 Techniker um die Unterhaltung des Gebäudes. Da 2008 die Stromrechnung 1,7 Millionen Euro betrug, werden die Glühlampen nach und nach durch Energiesparlampen ersetzt.[5]
Literatur
- Robert Schediwy: Städtebilder, Lit Verlag, Wien 2005, ISBN 3-8258-7755-8, S. 75–76.
- Paul Jeute: Der Palast des Parlamentes in Bukarest, München 2011, ISBN 978-3-640-95418-6.
- Andrei Pandele: The House of the People. The End, in marble. Verlag Compania, Bukarest 2009 (in englischer Sprache), ISBN 978-973-7841-76-6
- George Avanu: Bucharest. The Parliament Palace. Age-Art, Bukarest 2011. ISBN 978-606-92959-1-5. (mehrsprachiger Bildband)
Weblinks
- Neue Zürcher Zeitung, Martino Stierli: Gebaute Schatten der Vergangenheit, 4. Februar 2005
- einestages, Christoph Seidler: Ich brauche etwas Großes, etwas sehr Großes, 2. April 2008
- Palace of Parliament - Chamber of Deputies, Bucharest bei Google Cultural Institute
Einzelnachweise
- Google Maps, Bulevardul Unirii
- einestages: Ich brauche etwas Großes, etwas sehr Großes, von Christoph Seidler
- Schlösser und Paläste. Archiviert vom Original am 18. März 2017; abgerufen am 17. März 2017.
- Riesiger Parlamentspalast in Bukarests Innenstadt. In: KLM.com. (klm.com [abgerufen am 17. März 2017]).
- Süddeutsche Zeitung: Artikel über die Architektin und das Gebäude
- Largest administrative building-world record set by The Palace of the Romanian Parliament (Memento vom 15. Mai 2012 im Internet Archive)