Open Arms
Die Open Arms ist ein Schiff, das von der Nichtregierungsorganisation Proactiva Open Arms im Mittelmeer zwischen Malta und Libyen für die Rettung von in Seenot geratenen Migranten und Flüchtlingen eingesetzt wird. Davor wurde es als Schlepper eingesetzt. Das Schiff fährt unter spanischer Flagge, Heimathafen ist Bilbao.
Open Arms im November 2019 im Hafen von Syrakus, Sizilien, Italien. | ||||||||||||||||||||
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Beschreibung
Der von Cintranaval-Defcar entworfene Schlepper wurde 1974 als einer von drei baugleichen Schleppern für die Compañía de Remolcadores Ibaizaba in Getxo gebaut.[2] Der Antrieb erfolgt durch einen Deutz-Dieselmotor des Typs RBV12M350.[1]
Geschichte
Das Schiff wurde aufgrund der humanitären Notlage und zahlreicher Ertrinkender im Zusammenhang mit der Einwanderung über das Mittelmeer in die EU Anfang 2017 von Proactiva Open Arms erworben und zur Seenotrettung eingesetzt.[3]
Am 16. März 2018 hatte das Schiff etwa 70 bis 75 Seemeilen nördlich der libyschen Küste 218 Migranten und Flüchtlinge aus Schlauchbooten gerettet.[4] Bei dieser Rettungsaktion weit in internationalen Gewässern wurde die Besatzung von der libyschen Küstenwache mit Schusswaffen bedroht, die an Bord befindlichen Flüchtlinge herauszugeben. Die Besatzung der Open Arms weigerte sich, da Libyen keine Sicherheit garantieren könne. Das MRCC Rom verweigerte daraufhin seinerseits mit Hinweis auf die Libyer die Entsendung eines italienischen Küstenwachschiffs oder sonstiger Schiffe zur Übernahme der Geretteten. Zwei Tage lang durfte die Open Arms auf dem Mittelmeer keinen Hafen anfahren. Anschließend wurde den Spaniern schließlich aufgrund zweier akuter medizinischer Notfälle ein Anlanden im Fährhafen von Pozzallo (Sizilien) erlaubt. Die Staatsanwaltschaft Catanias beschlagnahmte hier das Rettungsschiff – ähnlich wie bereits im Jahr zuvor die Iuventa im Hafen von Lampedusa.[5][6] Daraufhin wandten sich 29 Hochschulexperten für internationales Recht an die Öffentlichkeit, da sie darin einen italienischen Verstoß gegen internationales See- und Völkerrecht sahen.[7] Das Schiff wurde am 16. April 2018 auf gerichtliche Anordnung wieder freigegeben, da Proactiva richtig gehandelt habe, weil Libyen nicht als sicherer Ort für die Rückführung von Migranten und Flüchtlingen gilt.[8] Die staatsanwaltlichen Ermittlungen gegen die Besatzung werden fortgesetzt.[9]
Am 2. August 2019 hatte die Proactiva Open Arms mit der Open Arms insgesamt 123 Personen bei zwei Einsätzen gerettet. 55 Menschen, zum überwiegenden Teil aus Eritrea, hatte man am 1. August vor der libyschen Küste an Bord genommen, weitere 68 am nächsten Tag. Italienische Behörden erteilten zunächst keine Erlaubnis zum Anlanden der Personen.[10][11] 39 Migranten und Flüchtlinge kamen einige Tage später hinzu. Am 15. August wurde von Giuseppe Conte eine Lösung verkündet, nach der Deutschland, Frankreich, Luxemburg, Portugal, Rumänien und Spanien die Personen aufnehmen wollen.[12]
Ein Angebot Spaniens, die Balearen anzulaufen, lehnte der Kapitän ab. Gründer Óscar Camps, erklärte, die Besatzung sei mit einer mehrtägigen Fahrt nach Spanien überfordert, man könne nicht für die Sicherheit der Passagiere garantieren.[13] Nachdem mehrere zuvor aufgenommene Migranten an der Ankerposition der Open Arms über Bord gesprungen waren, um schwimmend das nahe Lampedusa zu erreichen, wurde durch die italienische Staatsanwaltschaft am 20. August angeordnet, die Menschen an Land zu bringen. Das Schiff wurde durch die Staatsanwaltschaft wegen des Verdachts der Freiheitsberaubung und des Amtsmissbrauchs beschlagnahmt, um die Befehlskette zu klären, die das Rettungsschiff wochenlang daran hinderte, in Lampedusa anzulegen.[14][15] Die Staatsanwaltschaft wirft dem ehemaligen italienischen Innenminister Matteo Salvini vor, jenseits seiner Befugnisse die geretteten Migranten auf dem Rettungsschiff festgehalten zu haben. Die Immunität Salvinis wurde Ende Juli 2020 aufgehoben, um einen Prozess in Palermo zu ermöglichen.[16]
Am 11. Januar 2020 nahmen die Aktivisten bei zwei Rettungseinsätzen 118 Personen auf.[17] Erst am 14. Januar wurde dem Rettungsschiff ein sicherer Hafen in Italien zugewiesen.[18]
Seit dem 27. Januar 2020 nahmen die Aktivisten mehrere Gruppen von Migranten vor der libyschen Küste aus Seenot auf. Geleitet durch die Alarm-Phone-Initiative, wurden auf dem Schiff insgesamt 363 Migranten aufgenommen, die zuvor per Telefon von Notlagen berichtet hatten. Eines der Boote konnte trotz Hilfeanruf nur von Aktivisten der Piloteninitiative mit dem Flugzeug Moonbird aufgespührt werden.[19] Die Besatzung der Open Arms wollte mit Verweis auf knappe Vorräte Malta zunächst anlaufen, was aber verweigert wurde. Letztlich erklärte sich Italien am 2. Februar bereit die Personen in Sizilien von Bord gehen zu lassen.[20]
Zwischen dem 8. und 10. September rettete die Open Arms insgesamt 273 Menschen von mehreren Booten, die versuchten von Libyen nach Europa zu kommen. Nachdem die Einfahrt in den Hafen von Palermo verweigert wurde, sprangen am 17. September 76 verzweifelte Menschen ins Meer und am 18. September 48 Menschen. Sie wurden von der italienischen Küstenwache gerettet.[21] 140 Menschen durften auf die GNV Allegra ein für Covid-19-Quarantäne vorbereitetes Schiff gebracht werden. Ein fünfzehnjähriger kranker und dehydrierter Junge der zweieinhalb Wochen in Quarantäne festgehalten wurde, starb wegen unzureichender medizinischer Versorgung. Die italienische Staatsanwaltschaft ermittelt.[22]
Weblinks
Einzelnachweise
- Ibaizabal Tres, Baixamar. Abgerufen am 3. April 2018.
- CND Designs of Tugboats & Offshore Vessels, Quick Reference, Cintranaval-Defcar (PDF-Datei, 9,4 MB). Abgerufen am 3. April 2018.
- Emiliano Mouzo: El remolcador «Ibaizabal Tres» ya fue bautizado como «Open Arms», La Voz de Galicia, 5. April 2017. Abgerufen am 3. April 2018.
- Flüchtlinge: NGO-Schiff erhält keine Lande-Genehmigung. Erschienen am 16. März 2018 in Kurier.at. Eingesehen am 2. April 2018.
- Gregor Rom: Hilfsmission: Brandenburger Arzt ist wieder zu Hause. Erschienen am 31. März 2018 in Märkische Allgemeine. Eingesehen am 31. März 2018.
- Ann-Christin Schneider: Heikler Zwischenfall: Italienische Behörden beschlagnahmen Flüchtlings-Rettungsschiff. Erschienen am 19. März 2018 in Focus online. Eingesehen am 2. April 2018.
- Statement by 29 academics on Italy seizing the rescue boat Open Arms, abgerufen am 28. Dezember 2018.
- Ivan Camilleri: Migrant rescue ship released by Sicilian authorities. Times of Malta, 20. April 2018, abgerufen 23. Mai 2018
- Lorenzo Tondo und Sam Jones: Migrant-rescue boat Open Arms released by Italian authorities, The Guardian, 16. April 2018.
- Open Arms salva altri 69 migranti, ora sono in 123 a bordo. repubblica.it vom 2. August 2019
- Nach striktem Nein aus Italien – „Alan Kurdi“ nimmt Kurs auf Malta. welt.de vom 2. August 2019
- Sechs Länder wollen Migranten aufnehmen – darunter Deutschland. welt.de vom 15. August 2019
- Spanien kritisiert Italien wegen Rettungsschiff "Open Arms". In: tagesschau.de. Abgerufen am 20. August 2019.
- „Open Arms“ landet in Lampedusa an – Deutschland nimmt Migranten auf. welt.de vom 21. August 2019
- Migranten gehen auf Lampedusa an Land. Zeit 21. August 2019, abgerufen 23. August 2019.
- Senat hebt Immunität von früherem Innenminister Salvini auf. Zeit, 31. Juli 2020, abgerufen 31. Juli 2020.
- "Asylum seekers being brought to Malta - AFM " timesofmalta.com vom 12. Januar 2020
- „Sea-Watch 3“ und „Open Arms“ dürfen anlegen. Deutschlandfunk, 14. Januar 2020, abgerufen 17. Januar 2020.
- "Open Arms, sbarcano a Pozzallo i 363 naufraghi" ilmanifesto.it vom 1. Februar 2020
- "Italien lässt Rettungsschiff mit 363 Migranten anlegen" Welt vom 2. Februar 2020
- Lorenzo Tondo: Dozens jump from migrant rescue ship in attempt to reach Sicily. Guardian, 18. September 2020, abgerufen 9. Oktober 2020.
- Migrant Boy Dies After Being Held Weeks on Quarantine Ferry off Sicily. Maritime Executive, 9. Oktober 2020, abgerufen 9. Oktober 2020.