Offenburger Versammlung 1847
Als Offenburger Versammlung wird die Volksversammlung von 800 bis 900 Personen im und vor dem Gasthaus „Salmen“ am 12. September 1847 im badischen Offenburg bezeichnet. Sie war Teil des Vormärz vor der Deutschen Revolution 1848/1849. Ergebnis der Veranstaltung war die Proklamation von 13 „Forderungen des Volkes in Baden“, die im Wesentlichen bereits lange geforderte Grundrechte verlangten. Dieses Offenburger Programm war die programmatische Basis der demokratischen Bewegung. Es beinhaltete angesichts der 1847 grassierenden Not in den unteren Bevölkerungsschichten auch frühsozialistisches Gedankengut. Rund einen Monat später versammelten sich die Liberalen in Heppenheim.
Die Versammlung
Die Veranstaltung wurde von Mannheimer Radikalen um Gustav Struve, Valentin Streuber und Friedrich Hecker im Rahmen des Wahlkampfes für die Nachwahlen zur Zweiten Kammer der Badischen Ständeversammlung organisiert. Der Historiker Paul Nolte betont, dass die Versammlung eben keine Republik forderte, "die Teilnehmer der Offenburger Versammlung waren Radikale, aber eben - noch - keine Republikaner (jedenfalls nicht im modernen Sinne) und keine Demokraten."[1]
Die Wahl des Tagungsortes war dabei der guten Erreichbarkeit als zentraler Bahnmittelpunkt in Baden geschuldet sowie der Tatsache, dass in Offenburg ein wichtiger Wahlkreis zu vergeben war und die Linke den Kandidaten Christian Kapp, einen der Hauptredner der Veranstaltung, unterstützen wollte. Die Versammlung wurde vom Offenburger Bürgermeister Gustav Rée geleitet.
Die Forderungen des Volkes
Die Versammlung forderte die „Selbstregierung des Volkes“ nach dem Vorbild der Verfassung der USA und die Presse- und Meinungsfreiheit. Weitere Forderungen waren die Reduzierung der hohen Steuer- und Abgabenlast sowie die Eindämmung der Macht von „Bureaukraten“ und „Jesuiten“.
Die aufkommende Industrialisierung, bei der „Fabrikanten das kleine Gewerbe ruiniert“ würden, wurde in der Versammlung ebenso wie die Macht des Kapitals, das „den Arbeiter zum Sklaven herabsinken“ lasse, kritisiert. Diesen Zuständen stellte man die Forderung nach einem genossenschaftlich organisierten Wirtschaften gegenüber. Kapital- und Vermögenskonzentration sollten gesetzlich begrenzt werden.
Die nach der Versammlung als Flugblätter verteilten und in Zeitungen gedruckten „Forderungen des Volkes“ mit dem Datum 12. September 1847 enthielten darüber hinaus einen umfassenden Grundrechtekatalog.
- Im ersten Artikel wurde die Rücknahme der Karlsbader Beschlüsse, der Frankfurter Beschlüsse[2] und der Wiener Beschlüsse und somit die Achtung der von Karl Friedrich Nebenius erarbeiteten Badischen Verfassung von 1818 sowie der Bundesakte gefordert.
- Die folgenden zwei Artikel verlangten Pressefreiheit, Lehrfreiheit sowie Glaubens- und Gewissensfreiheit. In Artikel 5 wurde die Vereins- und Versammlungsfreiheit, das Recht auf ungehinderte Bewegung innerhalb des Deutschen Bundes sowie die Reduzierung polizeilicher Bevormundung thematisiert. Der 13. und letzte Artikel erklärte die Gleichheit aller Bürger.
- Artikel 4 und 7 verlangten die Volksbewaffnung und die Vereidigung des Militärs auf die Verfassung.
- Artikel 6 umfasste den Ruf nach einer Volksvertretung für Deutschland.
- Die Artikel 8 bis 10 befassten sich mit ökonomisch-sozialen Fragen. Gefordert wurde eine gerechte Besteuerung in Form einer progressiven Einkommensteuer sowie der freie Zugang zu Bildung. Schließlich wurde der „Ausgleich des Mißverhältnisses zwischen Arbeit und Kapital“ und die Verpflichtung des Staates zum Schutz der Arbeit proklamiert.
- Artikel 11 und 12 beschäftigten sich mit der Organisation der Exekutive und Judikative und sprachen sich für die Einführung von Geschworenengerichten und eine „Selbstregierung des Volkes“ statt einer „Vielregierung der Beamten“ aus.
Dank der sich immer mehr ausbreitenden Druckertechnik der Schnellpressen konnten die Flugblätter zu Tausenden gedruckt und verteilt werden.[3]
Erinnerung
Zur Erinnerung an das historische Ereignis wird in Offenburg alle 2 Jahre im September der „Freiheitstag“ gefeiert. Im Jahr 2000 stiftete Aenne Burda die zwanzig Meter hohe Stahlskulptur Freiheit – männlich/weiblich von Jonathan Borofski, die im Kulturforum aufgestellt wurde.[4]
Literatur
- Hans-Peter Becht: Badischer Parlamentarismus 1819-1870. Ein deutsches Parlament zwischen Reform und Revolution. Droste, Düsseldorf 2009, ISBN 978-3-7700-5297-4, S. 586–591.
- Paul Nolte: Gemeindebürgertum und Liberalismus in Baden 1800-1850. Tradition – Radikalismus – Republik. Göttingen 1994, S. 297–301.
- Rainer Schimpf: Offenburg 1802-1847. Zwischen Reichsstadt und Revolution. Braun, Karlsruhe 1997, ISBN 3-7650-8191-4, S. 263–288.
- Bernhard Wien: Politische Feste und Feiern in Baden 1814–1850. Tradition und Transformation. Zur Interdependenz liberaler und revolutionärer Festkultur. Peter Lang, Frankfurt am Main 2001, ISBN 3-631-37158-6 (zugleich: Konstanz, Univ., Diss., 1999).
Weblinks
- Informationen zum Veranstaltungsort auf den Webseiten der Stadt Offenburg mit kpl. Text der Erklärung (in Fraktur)
- Die 13 Forderungen in lat. Schrift, in der Rechtschreibung leicht modernisiert
- Seiten von Studierenden der Uni Freiburg zur Revolution von 1848 mit regionalem Schwerpunkt Offenburg
- Die Offenburger Versammlung 1847 auf LEO-BW-Blog
Belege
- Paul Nolte: Gemeindebürgertum und Liberalismus in Baden 1800-1850. Tradition – Radikalismus – Republik. Göttingen 1994, S. 299 f.
- Am 28. Juni 1832 hatte die Bundesversammlung des Deutschen Bundes „Sechs Artikel zur Aufrechterhaltung der gesetzlichen Ruhe und Ordnung im Deutschen Bund“ beschlossen, weitere zehn Artikel am 5. Juli 1832. Siehe auch: Freie Stadt Frankfurt und Deutscher Bund
- Frank Bösch: Mediengeschichte. Frankfurt 2011, S. l04.
- Hannah Fedricks Zelaya: Eine Skulptur für die Freiheit. Badische Zeitung, 5. August 2019, abgerufen am 6. August 2019.