Nude-Look
Unter Nude-Look oder Transparent-Look versteht man eine Modeströmung, bei der Stoffe, Konturen, Proportionen und Schnittformen mehr Nacktheit und Körperdetails zeigen als verhüllen und schmale Silhouette betonen, wofür Materialien wie Seide, Tüll, Voile, Musselin, Batist, Satin, Organza, Lycra, Nylon, Taft oder Chiffon am liebsten verarbeitet werden.
Geschichte
Die Entwicklung dieses „hautnahen“ Modetrends geht auf den französischen Boudoir-Stil der Jahrhundertwende (19./20. Jh.) zurück, als sich zum Teil frivole, häufig transparente Wäschemode mit tiefen Dekolletés, vielen Spitzen, romantischen Rüschen, Falten und flatternden Volants für den häuslichen Gebrauch in bürgerlichen Kreisen etabliert hat. Die Herstellung der dafür nötigen Materialien wurde durch die Automatisierung in der Textilindustrie begünstigt – die sogenannten Jacquard-Stoffe wurden plötzlich für viele erschwinglich.
Das klassische Negligé ist seitdem aus einem Transparentgewebe gearbeitet und erotisch figurbetont geschnitten. Es umschmeichelt den Körper ohne aufzutragen und verleiht der Frau einen Hauch von verführerischer und glamouröser Raffinesse. Qualität, Bequemlichkeit und Proportionen der Kleidung sollen den weiblichen Körper sexuell attraktiv erscheinen lassen, ohne ihn ganz bloßzustellen – nach dem Motto „Weniger ist mehr.“
Unter Nude-Look kann man auch generell sehr knappe Bekleidung zusammenfassen, die viel nackte Haut zeigt. In den 1920er- und 1930er-Jahren haben Artistinnen in Kabarett, Varieté, Operette (z. B. die Pariser Komische Oper), Vaudeville- und Revue-Theatern den Vorläufer des Nude-Look etabliert. Genannt sei hier als Beispiel Josephine Baker, die nur mit einem Bananen-Röckchen bekleidet in Pariser Folies Bergère ihre kunstvollen Tänze vorgeführt hat.
Typische Beispiele
- Transparente, schulter- bzw. bügelfreie Bustier-Kleider mit tiefem Dekolleté, eng anliegendem Design in der Taille und ggf. weit fallendem Tüll im Rock; auch ein tiefes Rücken-Dekolleté gehört dazu
- Kurze, mit Spitze gesäumte Seidentuniken mit Wickeldekolleté, halblangen Kimonoärmeln (mit spitz zulaufendem Saum) und hohen Seitenschlitzen, die per Tunnelzug unterhalb der Brüste auf Figur gebracht werden
- Bauch- und nabelfreie Tops und T-Shirts aus dünner Baumwolle
- Hauchzarte, durchsichtige Rüschenblusen und Hemden
- Andere sichtdurchlässige Überbekleidung
- Dünne Miniröckchen bzw. Pliseeröckchen, die knapp unter dem Po enden
- den Po betonende kurze Höschen (Hotpants)
- Nylonstrümpfe
- Ajour-Maschenstrümpfe, die teilweise fein, teilweise grob durchbrochen sind (Netzstrümpfe)
- Ajour-Durchbruchstickerei, die in Kleider eingearbeitet wird
- Ajour-Catsuits
- Kurze Hängerkleidchen und Tüll-Nachthemdchen mit Rüschenborten in der Linie der 1960er-Jahre, die nur auf der Schulter aufliegen (Babydoll)
- knappe Bikinis
- Sandaletten, Pantoletten oder Flip-Flops mit dünnen Riemchen
Ein anderes Beispiel für ein erotisierendes Element der eleganten Damenmode ist der weit gehende Beinausschnitt, vorne und seitlich hochgezogen, was das Bein optisch verlängert (der sogenannte französische Beinausschnitt).
Der Nude-Look kann als „selbstbewusst weiblich“ definiert werden; seinen Durchbruch sowohl zu Prêt-à-porter, als auch zu Haute Couture verdankt er der sexuellen Revolution. Eine seiner stilistischen Grundregeln wirft die Frage nach der richtigen Dosierung auf – der Dosierung von Reizen und Sex-Appeal – abhängig vom Zeitgeist und dem Gefühl für den guten Geschmack. Nude-Look drückt Versuchung, Verlockung und Reiz aus. Die Kleidung hat ihren eigentlichen Sinn verloren. Den Schutz vor Kälte bietet sie nicht mehr und strahlt stattdessen fleischliche Wärme, Lust und Erotik aus. Die „unkeuschen“ Kleider funktionieren ähnlich wie Brautschleier, indem sie halb Verhüllung und halb Offenbarung darstellen. Das Ziel der Designer ist Nacktheit zu suggerieren. Manche Modemacher verwenden ausschließlich transparente Stoffe und besticken diese an den strategisch wichtigen Stellen mit Perlen oder Fransen, um einen „Hauch von Nichts“ gekonnt in Szene zu setzen. Der lässige Modetrend lässt viel Raum für das Spiel von unterschiedlichen Materialien, Designs und Musterungen. Das Spiel von weichem Matt und Glanz eröffnet viele Gestaltungsmöglichkeiten für eine schmeichelnde und fließende Silhouette. Luftig-zarter raffinierter Chic, Mädchenhaftigkeit in ultraleichten, feinfädigen, seidig perlmuttschimmernden Stoffen – das ist die Kunst, mit Eleganz und Wertigkeit aus ganz wenig ganz viel zu machen. Dort, wo bislang nur von Schicklichkeit oder Angemessenheit die Rede war.
Der erste große Modeschöpfer, der Frauen in den 1960er-Jahren gern in transparente Stoffe steckte, war der Franzose Yves Saint Laurent: „Schönheit? Interessiert mich nicht. Was zählt, ist Verführung, ist der Schock. Das, was unter die Haut geht. Und das ist etwas ganz Subjektives. Ich persönlich bin sensibler für Gesten als für Blicke, für die Silhouette oder alles andere.“
1966 verursachte seine see-through-Bluse einen Skandal in den prüden USA. Zwei Jahre später wurde einer seiner Kundinnen der Zutritt zu einem New Yorker Restaurant in einer Tunika-Hose verwehrt. Als sie wieder in einer (nun zum Minikleid gewandelten) Tunika erschien, durfte sie aber hinein. So kann der Zeitgeist die gesellschaftlichen Konventionen auch in der Mode verändern.
Der „fleischfarbene“ Nude-Look
Als „Nude“ (auf Französisch „Chair“, was „Fleisch“ heißt, und zwar nur das körperliche Fleisch meint) bezeichnet man neuerdings auch alle Farben, die dem Hautton ähneln – von offwhite über creme und beige bis zu hellem Braun.
Der Nude-Look in der Werbung und Fotografie
Nach dem berühmten Motto „Sex sells“ ist Nude-Look ein gern verwendetes Outfit in der Werbefotografie. Die Stilelemente des Nude-Look finden sich auch auf Aktaufnahmen und in der erotischen Fotografie wieder.
Der Nude-Look in der Kosmetik
In der Kosmetik versteht man unter dem Begriff Nude-Look spezielle Hilfsmittel und die dekorative Schminke, die das „Aussehen wie ungeschminkt“ suggerieren. Der kosmetische Nude-Look erfordert Zurückhaltung in Sachen Farbe – erlaubt sind nur Naturtöne in Beige, Braun und Bronze sowie blasse Lippenstiftfarben und perlen-matte Fingernagellacke.
Siehe auch
Literatur
- Brigitte R. Winkler: Weltmeister der Mode – von Armani bis Yamamoto. Geschichte 1980-1992. Verlag der Österreichischen Staatsdruckerei, Wien 1992, ISBN 3-7046-0316-3.