Nierenkolik
Eine Nierenkolik ist ein krampfartiger Schmerz (Kolik) in der Lendengegend oder Bauchraum (Abdomen).
Klassifikation nach ICD-10 | |
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N20 | Nieren- und Ureterstein |
N23 | Nicht näher bezeichnete Nierenkolik |
ICD-10 online (WHO-Version 2019) |
Ursache und Entstehung
Nierenkoliken entstehen, wenn Nierensteine oder Nierengrieß, seltener auch Blutgerinnsel oder abgestorbenes Gewebe, in einen der beiden Harnleiter Richtung Harnblase eintreten und wenn dadurch eine akute Harnabflussstörung entsteht. Bevorzugt geschieht das im Bereich der drei anatomischen Engstellen des Harnleiters:
- im Bereich des Nierenbeckenabgangs
- Höhe der Überkreuzung des Harnleiters über die Arteria iliaca communis (oder Vena iliaca communis)
- beim Eintritt des Ureters durch die Wand der Harnblase
Der plötzliche Verschluss des Harnleiters führt zu einer vermehrten Bildung von Prostaglandinen im Nierenfunktionsgewebe. Der Gefäßwiderstand der Nierenarterien nimmt ab, der kapilläre Filtrationsdruck in den Nierenkörperchen steigt an mit der Folge einer vermehrten Harnausscheidung besonders der betroffenen Niere. Damit nimmt der hydrostatische Druck oberhalb des Hindernisses zu, mit der Folge einer erhöhten Wandspannung in Nierenbecken und Harnleiter: Dadurch werden Dehnungsrezeptoren und Schmerzrezeptoren aktiviert.[1]
In extrem seltenen Fällen kann auch der Befall mit dem Nierenwurm Nierenkoliken auslösen. Diese Krankheit kommt in Mitteleuropa allerdings kaum vor.
Symptome
Krampfartige Schmerzen im Bereich der betroffenen Niere, oft in alle Richtungen am Rücken ausstrahlend, in aller Regel einseitig. Bei erstmaligem Auftreten kann man selbst nicht erkennen, dass der Schmerz von der Niere ausgeht. Starker bis unerträglicher Schmerzcharakter. Mitunter dabei Schweißausbrüche und Erbrechen. Meistens blutiger Harn. Typisch sind Phasen mit starken Schmerzen im Wechsel mit beschwerdefreien Zeiten, allerdings kann der Schmerz auch dauerhaft die gleiche Intensität aufweisen. Eine akute Kolik ist besonders unangenehm und wird oft als eine der stärksten Schmerzempfindungen beschrieben, die Menschen fühlen können.[2][3]
Diagnostik
Bei der Urinuntersuchung finden sich oft Blutspuren, bei Steinen als Ursache der Kolik nahezu immer. Bei der körperlichen Untersuchung Klopfempfindlichkeit des betroffenen Nierenlagers und starke Druckempfindlichkeit des Bauchraums im Verlauf des betroffenen Harnleiters. Häufig verminderte Darmgeräusche. Zur Lokalisierung des Steins und um einen Stau der Niere feststellen zu können, ist eine Ultraschalluntersuchung (Sonographie) des Bauchraums unverzichtbar. Zur sicheren Diagnostik eines Steines kann eine Computertomographie durchgeführt werden. Zur genaueren Beurteilung der ableitenden Harnwege kann gegebenenfalls auch eine Ausscheidungsurographie (Röntgenuntersuchung mit Kontrastmittel) sinnvoll sein. Wegen der harntreibenden Wirkung der Kontrastmittel darf diese Untersuchung erst nach Durchbrechen der Kolik durch Schmerzmittel durchgeführt werden, da es sonst zu einer Fornixruptur kommen kann. Ergänzend kann auch eine retrograde Pyelografie erfolgen. Dies ist eine Röntgenuntersuchung, bei der die Harnleiter mittels eines über die Harnröhre und Harnblase eingebrachten Katheters mit Kontrastmittel aufgefüllt werden.
Therapiemöglichkeiten
Traditionell werden Wärme (da krampflindernd), Bewegung und viel Trinken empfohlen. Diese Empfehlungen sind wissenschaftlich nicht überprüft. Die medikamentöse Behandlung umfasst die Gabe von krampflösenden Schmerzmitteln wie Metamizol. In schweren Fällen müssen noch stärkere Schmerzmittel eingesetzt werden. Ist ein Stein die Ursache, kann er spontan abgehen oder er muss entfernt werden. Die Behandlungsmöglichkeiten sind von der Steinlokalisation abhängig. Die Verfahren umfassen die Litholyse durch Anpassung des pH-Wertes des Harns im Falle von Harnsäure- oder kleinen Zystinsteinen, die extrakorporale Stoßwellenlithotripsie (Zertrümmerung von außen, ESWL), die endoskopische Zertrümmerung im Harnleiter mittels Harnleiterspiegelung oder endoskopische Entfernung mittels Fasszange oder einem speziellen Körbchen, dem sogenannten Dormia-Körbchen. Die endoskopische Zertrümmerung kann über Stoßwellen oder Laser erfolgen. Soll der Nierenstein selbst abgehen, kann unterstützend eine Harnleiterschiene eingesetzt werden. Diese verhindert auch einen weiteren Rückstau von Urin Richtung Niere. Bei anderen Ursachen (zum Beispiel Blutgerinnseln) muss nach der Ursache geforscht und diese dann behandelt werden.
Komplikationen
Wenn der Stein den Harnleiter völlig verschließt, kann der Urin der betroffenen Niere nicht mehr abfließen. Dies führt auf die Dauer zu einer Nierenschädigung bis hin zum völligen Funktionsverlust dieser Niere. Wenn zu der Abflussstörung noch eine Infektion in Form eines Harnwegsinfekts kommt, kann eine Harnstauungsniere mit Fieber, Schüttelfrost, Schmerzen und Nierenbeckenentzündung entstehen und unbehandelt zum Tod führen.
Literatur
- Michael Straub, Richard E. Hautmann: Urolithiasis – Harnsteinleiden. In: Richard Hautmann, Hartwig Huland (Hrsg.): Urologie. Springer, 2006, ISBN 3-540-29923-8, S. 260 ff.
Einzelnachweise
- C. Tschuschke, S. C. Müller, L. Hertle: Schmerztherapie der akuten Nierenkolik. In: Der Schmerz. (1993); 7, S. 160–166.
- Stephen W Leslie: Nephrolithiasis: Acute Renal Colic. (englisch; online) (Memento des Originals vom 22. Dezember 2015 im Internet Archive) Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.
- Alexander Beck: Randnotiz – Auf Leben und Tod. In: Deutsche Ärztezeitung. 1–2/2012.