nidsigend und obsigend

Nidsigend oder nidsigänd bezeichnet in der deutschsprachigen Schweiz den Zeitraum im Verlaufe eines Monats, in dem der Tagbogen des Mondes von Tag zu Tag niedriger über dem Horizont verläuft. Das Antonym zu nidsigend ist obsigend oder obsigänd, also der Zeitraum, in dem der Tagbogen des Mondes von Tag zu Tag höher über dem Horizont verläuft.

In Süddeutschland, Vorarlberg, Tirol und anderen Regionen werden dafür die Bezeichnungen Mond geht über/unter sich, übergehender/untergehender Mond sowie steigender/fallender Mond verwendet.

Diese Erscheinung entspricht dem Ab- und Aufsteigen des Tagbogens der Sonne im Verlauf der Jahreszeiten (siehe Sonnenwende und Äquinoktium).

In der astronomisch orientierten Landwirtschaft wird der Effekt zur Bestimmung von Zeiten für Aussaaten und Anpflanzungen genutzt. Die Symbole finden sich in Bauernkalendern, je nach Region auch Volkskalender oder Hinkender Bote genannt.

In der heutigen Astrologie werden auch andere Dinge damit in Verbindung gebracht. Die Symbole finden sie sich daher auch in astrologischen Mondkalendern.

Etymologie

Die Vorsilbe nid steht in der deutschsprachigen Schweiz für „unterhalb“ bzw. „unten“ (z.B. Nidwalden), ob steht für oberhalb bzw. oben (z.B. Obwalden). Nidsi und obsi sind aus nid-sich bzw. ob-sich entstanden und bedeuten in alemannischen Dialekten „abwärts“ und „aufwärts“. Das Grundwort gend bzw. eigentlich gänd (mit langem /ä/) steht für „gehend“. Nidsigend bedeutet daher „nid-sich-gehend“, also „abwärts gehend“ oder „nach unten gehend“.[1] In schriftdeutschen Texten kommen auch die Übersetzungen „unter sich gehend“ (für nidsigend) bzw. „über sich gehend“ (für obsigend) vor.

Verwechslung mit anderen Phänomenen

Der Begriff nidsigend wird irrtümlich oft gleichgesetzt mit abnehmendem Mond (Mondphase), während obsigend oft mit zunehmendem Mond verwechselt wird (synodischer Monat).

Daneben kann man auch finden, dass die nidsigende Phase eines Monats mit abnehmender und die obsigende mit zunehmender Entfernung des Mondes von der Erde verwechselt wird (anomalistischer Monat).

Symbole

Ähnlich wie für die Mondphasen gibt es auch für den fallenden und den steigenden Mond Symbole, die jedoch fast ausschließlich von Astrologen verwendet werden. Beide haben die Form einer Mondsichel; anhand ihrer Spitzen lässt sich erkennen, ob der Mond fallend oder steigend ist:

  • für den fallenden (nidsigenden) Mond steht eine stehende Mondsichel, deren Spitzen nach unten zeigen
  • für den steigenden (obsigenden) Mond steht dementsprechend das Mondschiffchen, eine liegende Mondsichel, deren Spitzen nach oben zeigen. Es tritt z. B. in der Flagge Mauretaniens auf.

Bedeutung

Für die astronomischen Grundlagen siehe Topozentrische Mondbahn (Anblicksproblem des Mondes in der astronomischen Phänomenologie).

Eigentliche Bedeutung

Ist der Mond „obsigend“, dann ist er „aufwärts gehend“ oder „steigend“, bewegt sich also in Bezug auf den Himmelsäquator aufwärts – nach Norden. Ursache dafür ist die Neigung der Ebene der Mondbahn gegenüber der Ebene des Himmelsäquators. Für einen Beobachter auf der Nordhalbkugel der Erde verschieben sich in der obsigenden Phase die Aufgangspunkte des Mondes am Horizont in Richtung Nordosten, die Untergangspunkte in Richtung Nordwesten. Die Höhe der Kulmination im Süden ist von Tag zu Tag merklich größer.

Hat der Mond seine gegenüber dem Himmelsäquator höchste (nördlichste) Position erreicht, dann erfolgt der Wechsel von „obsigend“ zu „nidsigend“. Nun ist er also „abwärts gehend“ oder „fallend“. Die Auf- und Untergangspunkte am Horizont verschieben sich jetzt wieder von Tag zu Tag weiter nach Süden, die Kulminationshöhe nimmt ab (Tropischer Monat).

Der Zyklus beträgt durchschnittlich etwa einen Monat, d. h. der Mond ist etwa 14 Tage lang nidsigend und anschließend wieder etwa 14 Tage lang obsigend.

Diese Begriffe zeugen von einer guten Beobachtung der Phänomene am Himmel durch Menschen vergangener Generationen (siehe auch: Himmelsscheibe von Nebra). Im allgemeinen Sprachgebrauch wurden diese exakten astronomischen Begriffe allerdings oft mit astrologischen Anschauungen verbunden, so etwa in Vorstellungen, der Wechsel von nidsigend und obsigend beeinflusse Wachstums- und Fruchtbarkeitsprozesse in der Natur.

Übertragene Bedeutung

In der Schweiz sagt man scherzhaft auch nidsigänd, wenn einem etwas ständig auf den Boden fällt.[1]

Commons: Steigender Mond – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
Commons: Fallender Mond – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Schweizerisches Idiotikon, Band II, Spalte 33 und 34, Artikel ob-sich-gänd und nid-sich-gänd
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