Natrokarbonatit
Natrokarbonatit, auch als Lengaiit bekannt, ist ein extrem seltenes magmatisches Gestein, das zu den Karbonatiten gerechnet wird.
Etymologie
Der Gesteinsname Natrokarbonatit setzt sich zusammen aus der Vorsilbe Natro- und Karbonatit. Mit Natro-, abgeleitet von Natron, wird die Natriumvormacht des Gesteins spezifiziert. Karbonatit geht seinerseits auf Carbonat zurück, das aus der lateinischen Wurzel carbo mit der Bedeutung Kohle stammt. Der Name Lengaiit bezieht sich auf Ngai, den Gott der Massai.
Entdeckung und Erstbeschreibung
Natrokarbonatit wurde im Jahr 1960 von Dawson entdeckt und 1962 erstbeschrieben.[1] Der Gesteinsname wurde 1963 von Du Bois und Kollegen geprägt.[2]
Vorkommen
Natrokarbonatit ist bisher nur als vulkanisches Gestein bekannt – als Lava von der Typlokalität des Vulkans Ol Doinyo Lengai in Tansania und von einer Tephralage am Vulkan Kerimasi, ebenfalls in Tansania.[3]
Gänge vom Typ Sodalith-Ankerit-Baryt im Cerro-Sapo-Komplex in der Alkaligesteinsprovinz von Ayopaya in Bolivien werden mittlerweile von Schulz und Kollegen (2004) als intrusive Äquivalente der Natrokarbonatitlaven des Ol Doinyo Lengai angesehen.[4]
Physikalische Ausbildung
Natrokarbonatitlaven treten mit sehr geringer Viskosität bei Temperaturen zwischen 540 und 593 °C aus – im Vergleich zu Basalten, deren Austrittstemperatur bei über 1100 °C liegen, sind dies extrem niedrige Temperaturen. Demzufolge glühen die emittierten, an Schlammströme erinnernden Laven tagsüber auch nicht und zeigen selbst nachts nur ein mattes rötliches Glimmen.
Mineralogie
Wie alle Karbonatite besteht auch Natrokarbonatit zu mehr als 50 Gewichtsprozent aus Karbonaten. Beim Natrokarbonatit sind dies die Karbonate der Elemente Natrium, Kalium und Kalzium, insbesondere die Minerale Nyerereit (Na, K)2Ca[CO3]2 und Gregoryit (Na2, K2, Ca)[CO3].
Chemische Zusammensetzung
Die folgenden Analysen sollen die chemische Zusammensetzung des Natrokarbonatits in einer Studie von Le Bas (1981)[5] und anhand zweier unterschiedlicher Ausbrüche am Ol Doinyo Lengai verdeutlichen:
Oxid Gew. % | Le Bas (1981) | Ausbruch 1988[6] | Ausbruch 1993[7] |
SiO2 | 0,58 | 0,19 | 3,07 |
TiO2 | 0,10 | 0,01 | 0,10 |
Al2O3 | 0,10 | 0,10 | 0,85 |
FeO | 0,29 | 0,32 | 1,19 |
MnO | 0,14 | 0,42 | 0,32 |
MgO | 1,17 | 0,28 | 0,38 |
CaO | 15,54 | 13,81 | 14,80 |
Na2O | 29,56 | 32,18 | 27,90 |
K2O | 7,14 | 8,11 | 5,81 |
P2O5 | 0,95 | 0,86 | 1,05 |
CO2 | 31,72 | 34,70 | 30,40 |
SO3 | 2,48 | 3,17 | 2,55 |
F | 2,26 | 2,20 | 1,64 |
Cl | 2,90 | 2,50 | 2,54 |
BaO | 1,04 | 1,39 | 0,85 |
SrO | 2,09 | 1,69 | 1,15 |
Bis zu zwei Drittel des Gesteins werden allein von Na2O und CO2 eingenommen, von Bedeutung sind ferner die Anteile von CaO und K2O. Im Vergleich zu 1988 war der Ausbruch von 1993 silikatreicher.
Petrographie
Die Struktur der Natrokarbonatitlava am Ol Doinyo Lengai ist porphyrisch. Die Einsprenglinge aus gedrungen-prismatischem Gregoryit und tafeligem Nyerereit sind klein (kleiner als 1 Millimeter) und schwimmen in einer feinkristallinen Grundmasse aus denselben Mineralen zuzüglich Fluorit (CaF2), Nahcolit (NaHCO3) und Pyrrhotin. Die Grundmasse war anfangs glasartig erstarrt.[8]
Entstehung
Die Petrogenese natrokarbonatitischer Magmen ist noch heftig umstritten, da zwei unterschiedliche Modelle aufeinander treffen:
- Unmischbarkeit silikatischer und karbonatischer Schmelzen. In diesem Modell wird angenommen, dass natrokarbonatische Magmen sich aus betont peralkalischen Nephelinitmagmen (Combeit-Nepheliniten), wie sie am Ol Doinyo Lengai ebenfalls vorkommen, entmischt haben.[9] Dass Natrocarbonatite überhaupt mit silikatischen Schmelzen bei den in der Erdkruste herrschenden Drucken und magmatischen Temperaturen koexistieren können, wurde 1989 von Hamilton und Kollegen gezeigt.[10]
- Abpressen eines mobilen, alkalischen, CO2-reichen Flüssigkeitskondensats.[11]
Eine mögliche Kristallfraktionierung aus Sövit (Calcitkarbonatit) wird als nicht realisierbar erachtet.
Einzelnachweise
- J. B. Dawson: Sodium carbonate lavas from Oldoinyo Lengai, Tanganyika. In: Nature. Band 195, 1962, S. 1075–1076.
- C. G. B. Du Bois u. a.: Fresh natro carbonatite from Oldoinyo L’engai. In: Nature. Band 197. London 1963, S. 445–446.
- R. L. Hay: Natrocarbonatite tephra of Kerimasi volcano, Tanzania. In: Geology. 1983.
- Schulz, F. u. a.: Carbonatite diversity in the Central Andes: the Ayopaya alkaline province, Bolivia. In: Contributions to Mineralogy and Petrology. Band 148, 2004, S. 391–408.
- M. J. Le Bas: Carbonatite Magmas. In: Mineralogical Magazine. Band 44, 1981, S. 133–140.
- J. B. Dawson u. a.: Carbonatite volcanism. Oldoinyo Lengai and petrogenesis of natrocarbonatites. Petrology and geochemistry of Oldoinyo Lengai Lava extruded in November 1988: Magma source, ascent and crystallization. Hrsg.: K. Bell, J. Keller. Springer, Berlin, Heidelberg, New York 1995, S. 47–69.
- C. M. Petitbon u. a.: Phase relationships of a silicate-bearing natrocarbonatite from Oldoinyo Lengai at 20 and 100 MPa. In: Journal of Petrology. Band 39, 1998, S. 2137–2151.
- W. Wimmenauer: Petrographie der magmatischen und metamorphen Gesteine. Ferdinand Enke Verlag, Stuttgart 1985, ISBN 3-432-94671-6.
- T. D. Peterson: Petrology and Genesis of natrocarbonatite. In: Contributions to Mineralogy and Petrology. Band 105, 1990, S. 143–155.
- D. L. Hamilton u. a.: The behaviour of trace elements in the evolution of carbonatites. Hrsg.: Bell, K., Carbonatites: Genesis and Evolution. Unwin Hyman, London 1989, S. 405–427.
- T. F. D. Nielsen, I. V. Vekser: Is natrocarbonatite a cognate fluid? In: Contributions to Mineralogy and Petrology. Band 142, 2002, S. 425–435.