Natan Sznaider
Natan Sznaider (* 6. Oktober 1954 in Mannheim) ist ein israelischer Soziologe. Er unterrichtet an der Akademischen Hochschule in Tel Aviv.
Leben
Natan Sznaider wurde 1954 in Mannheim als Kind von aus Polen stammenden staatenlosen Überlebenden der Shoah geboren.[1] Im Alter von 20 Jahren ging er nach Israel und arbeitete zunächst in verschiedenen Kibbutzim. Im August 1993 heiratete Sznaider eine israelische Historikerin, im Jahr darauf wurde ihre gemeinsame Tochter geboren.
Akademische Karriere
Natan Sznaider begann 1977 an der Universität Tel Aviv Soziologie, Psychologie, Geschichte und Philosophie zu studieren.[2] 1984 wechselte er an die Columbia University in New York City, wo er 1992[2] mit der Arbeit „Die Sozialgeschichte von Mitleid“ promovierte. Im selben Jahr begann er für das Leo Baeck Institut in Berlin zu arbeiten.
Er unterrichtete an der Columbia,[3] an der Hebräischen Universität in Jerusalem[2], der LMU München[3] und lehrt seit 1994, zunächst als außerordentlicher Professor[2] für Soziologie an der Akademischen Hochschule in Tel Aviv, wo er seit 1996[4] den Lehrstuhl für Soziologie besetzt und „Soziologie des Holocaust“ unterrichtet. Schwerpunkte seiner Forschungen sind Kultursoziologie, Politische Theorie, Hannah Arendt, Globalisierung, Kosmopolitismus, Erinnerung und Shoah.
Meurer-Kontroverse
Als Friedbert Meurer in einem DLF-Interview zum Gaza-Konflikt 2014 am 2. August 2014 gegenüber Sznaider darauf bestand, dass Sznaider im Hinblick auf die nur drei israelischen zivilen Opfer und die 1000 palästinensischen toten Zivilisten doch Mitgefühl für die Gegenseite zeigen müsse, empfand Sznaider dies als unverschämte Anspielung darauf, dass Israel nicht genug Tote aufzuweisen habe.[5] Die CDU-Politikerin und ehemalige DDR-Bürgerrechtlerin Vera Lengsfeld sah Meurers Interview als Beispiel für die Perfidie der Berichterstattung über Israel.[6]
Schriften (Auswahl)
- The Compassionate Temperament: Care and Cruelty in Modern Society. Rowman & Littlefield, Lanham, Maryland, USA 2000, ISBN 0-8476-9556-5.
- Über das Mitleid im Kapitalismus. Bibliothek der Provinz, 2000, ISBN 3-901862-08-0.
- mit Daniel Levy: Erinnerungen im globalen Zeitalter: Der Holocaust. 2001. (aktualisierte Neuauflage: Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2007, ISBN 978-3-518-45870-9)
- in englischer Sprache: The Holocaust and Memory in the Global Age. Temple University Press 2006, ISBN 1-59213-276-6.
- mit Ulrich Beck und Rainer Winter: Globales Amerika? Die kulturellen Folgen der Globalisierung. Transcript Verlag, Bielefeld 2003, ISBN 3-89942-172-8.
- mit Ulrich Speck: Empire Amerika. Perspektiven einer neuen Weltordnung. Deutsche Verlags-Anstalt 2003, ISBN 3-421-05798-2.
- mit Angelika Poferl: Ulrich Becks kosmopolitisches Projekt. Nomos 2004, ISBN 3-8329-0654-1.
- Die negative Begründung der Menschenrechte. In: Caroline Y. Robertson-von Trotha (Hrsg.): Kultur und Gerechtigkeit. (= Kulturwissenschaft interdisziplinär/Interdisciplinary Studies on Culture and Society. Band 2). Baden-Baden 2007, ISBN 978-3-8329-2604-5.
- Gedächtnisraum Europa. Die Visionen des europäischen Kosmopolitismus. Eine jüdische Perspektive. Transcript Verlag, Bielefeld 2008, ISBN 978-3-89942-692-2.
- mit Daniel Levy: Human Rights and Memory. Pennsylvania State University Press, 2010, ISBN 978-0-271-03738-7.
- Jewish Memory and the Cosmopolitan Order. Polity Press, Cambridge 2011, ISBN 978-0-7456-4796-8.
- mit Doron Rabinovici: Herzl relo@ded – Kein Märchen. Suhrkamp, Berlin 2016, ISBN 978-3-633-54276-5.
- Gesellschaften in Israel – Eine Einführung in zehn Bildern. Suhrkamp, Berlin 2017, ISBN 978-3-633-54285-7.
- Fluchtpunkte der Erinnerung. Über die Gegenwart von Holocaust und Kolonialismus. Hanser, München 2022, ISBN 978-3-446-27296-5.
Weblinks
- Literatur von und über Natan Sznaider im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Jan Feddersen: Israelischer Soziologe über Gedenken: „Was heißt denn versöhnlich sein?“ In: Die Tageszeitung. 25. Januar 2020 (Natan Sznaider im Interview).
Einzelnachweise
- Natan Sznaider bei Suhrkamp
- Natan Sznaider bei Bibliothek der Provinz
- Natan Sznaider bei Social Trends Institute
- Woher kommen Sie? Interview mit Natan Sznaider im Rahmen des Ausstellungsprojektes "In welcher Welt wollen wir leben?", Dilemma Verlag (Abgerufen am 18. Januar 2018)
- Interview im Deutschlandfunk vom 2. August 2014.
- Vera Lengsfeld: Dem Deutschlandfunk genügen die Toten in Israel nicht. Achgut vom 3. August 2014.