Nassi-Shneiderman-Diagramm
Ein Nassi-Shneiderman-Diagramm ist ein Diagrammtyp zur Darstellung von Programmentwürfen im Rahmen der Methode der strukturierten Programmierung. Es wurde 1972/73 von Isaac Nassi und Ben Shneiderman entwickelt und ist in der DIN 66261 genormt.
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Bereich | Programmierung | ||
Titel | Informationsverarbeitung; Sinnbilder für Struktogramme nach Nassi-Shneiderman | ||
Kurzbeschreibung: | Struktogramme | ||
Letzte Ausgabe | November 1985 | ||
Klassifikation | 01.080.50, 35.020 |
Da Nassi-Shneiderman-Diagramme Programmstrukturen und Kontrollstrukturen darstellen, werden sie auch als Struktogramme bezeichnet.
Verwendung
Die Strukturierte Programmierung zerlegt das Gesamtproblem, das man mit dem gewünschten Algorithmus lösen will, in immer kleinere Teilprobleme – bis schließlich nur noch elementare Grundstrukturen wie Sequenzen und Kontrollstrukturen zur Lösung des Problems übrig bleiben. Diese können dann durch ein Nassi-Shneiderman-Diagramm visualisiert werden. Die Vorgehensweise entspricht der sogenannten Top-down-Programmierung, in der zunächst ein Gesamtkonzept entwickelt wird, das dann durch eine Verfeinerung der Strukturen des Gesamtkonzeptes aufgelöst wird.
Böhm und Jacopini haben 1966 nachgewiesen, dass sich jeder beliebige Algorithmus ohne unbedingte Sprunganweisung (GOTO) formulieren lässt. Für Nassi-Shneiderman-Diagramme lassen sich trivial die Kontrollstrukturen moderner Programmiersprachen finden; für Programmablaufpläne kann dies wesentlich schwieriger sein.
Sinnbilder nach Nassi-Shneiderman
Die meisten der nachfolgenden Strukturblöcke[1] können ineinander geschachtelt werden. Das aus den unterschiedlichen Strukturblöcken zusammengesetzte Struktogramm ist im Ganzen rechteckig, also genauso breit wie sein breitester Strukturblock.
Process Symbol
Jede Anweisung wird in einen rechteckigen Strukturblock geschrieben. |
Decision Symbol
Alternative Begriffe: Verzweigung, Alternative, Selektion.
1 möglicher Block
Nur wenn die Bedingung zutreffend (wahr) ist, wird der Anweisungsblock 1 durchlaufen ( Alternative Begriffe: Bedingte Verarbeitung, Einfache Auswahl/Selektion, Einfache Verzweigung. |
2 mögliche Blöcke
Wenn die Bedingung zutreffend (wahr) ist, wird der Anweisungsblock 1 durchlaufen; trifft die Bedingung nicht zu (falsch), wird der Anweisungsblock 2 durchlaufen ( Alternative Begriffe: Einfache Alternative, Zweifache Auswahl, Alternative Verzweigung/Verarbeitung. |
Beispiel für Verschachtelung
Es folgt eine weitere Bedingung. Die Verschachtelung ist ebenso im Nein-Fall noch möglich. |
Case-Statement
Der Wert von „Variable“ kann bedingt auf Gleichheit (Switch Case in Java) aber auch auf Bereiche (größer/kleiner bei Zahlen) geprüft werden. Der entsprechend zutreffende „Fall“ mit dem zugehörigen Anweisungsblock wird durchlaufen ( |
Schleifen
Iteration Symbol
Wiederholungsstruktur, bei der die Anzahl der Durchläufe festgelegt ist ( |
Begin-End Symbol
Hier handelt es sich um Schleifen, wie man sie in PL/I und ALGOL findet.
Sie zeichnen sich durch zwei Bedingungen aus. |
Sonderfall: End=true
Wiederholungsstruktur mit vorausgehender Bedingungsprüfung ( |
Sonderfall: Begin=true
Wiederholungsstruktur mit nachfolgender Bedingungsprüfung für den Abbruch ( |
Sonderfall: Begin=End=true
Wiederholungsstruktur, die allenfalls durch eine Abbruchanweisung ( |
Break
Der Aussprung ( |
Blockaufruf
Symbol für den Aufruf eines Unterprogramms bzw. einer Prozedur, Funktion oder Methode. Nach deren Durchlauf wird zu der aufrufenden Stelle zurückgesprungen und der nächstfolgende Strukturblock durchlaufen. Dieses Symbol ist nicht genormt. |
Parallel-Processing Symbol
Symbol für den nebenläufigen Ablauf von mehreren Blöcken. |
Füllregeln
Allgemeingültigkeit
Struktogramme sollten keine programmiersprachenspezifische Befehlssyntax enthalten. Sie müssen so programmiersprachenunabhängig formuliert werden, dass die dargestellte Logik einfach zu verstehen und als Codiervorschrift in jede beliebige Programmiersprache umzusetzen ist.
Deklaration
Weil sie ursprünglich für prozedurale Programmiersprachen entwickelt wurden, bildete man in Struktogrammen nur die Prozedur und keine Deklarationsbereiche von Variablen und Konstanten ab (einfaches Struktogramm). Dadurch ist jedoch nicht sofort deutlich, welcher Datentyp einer Variablen zugeordnet werden muss. Die Deklaration von Variablen und Konstanten ist im ersten Anweisungsblock vorzunehmen. Diese Nassi-Shneiderman-Diagramme bezeichnet man dann als erweiterte Struktogramme.
Exklusivität
Jede Anweisung erhält einen eigenen Strukturblock (Sinnbilder nach DIN 66261). Selbst mehrere Anweisungen gleicher oder ähnlicher Art dürfen nicht in einem Strukturblock zusammengefasst werden.
Jede Anweisung muss mindestens aus einer Zuweisung bestehen (beispielsweise Zielvariable ← Zielvariable * AndereVariable). Eine Zuweisung wird durch einen nach links gerichteten Pfeil dargestellt. Ältere Struktogramme benutzen alternativ aus alten Pascal-Zeiten als Zuweisungszeichen den Doppelpunkt gefolgt vom Gleichheitszeichen (Zielvariable := Zielvariable * AndereVariable). Das Ziel einer Anweisung steht immer links vom Zuweisungszeichen. Rechts davon steht die Quelle.
Über jedes Struktogramm gehört ein Name, um die Identifikation durch Ereignis- oder (Unter-)Programmaufrufe gewährleisten zu können.
Praxisrelevanz
In der Softwareentwicklung werden Nassi-Shneiderman-Diagramme heute selten eingesetzt. Dort werden vorrangig erweiterte Programmablaufpläne (Aktivitätsdiagramme der UML) verwendet.
Im Informatik-Unterricht der Sekundarstufe II werden Struktogramme verwendet, damit Schüler den Aufbau logischer Abläufe, die für die Programmierung nötig sind, trainieren können. Die Erstellung von Struktogrammen aufgrund von Beschreibungen betrieblicher Problemstellungen, die wegen wiederkehrender gleicher Vorgehensweise automatisiert werden können, ist immer noch Bestandteil vieler schulischer Abschlussprüfungen.
In der Entwicklungsumgebung EasyCODE wird direkt anhand von Nassi-Shneiderman-Diagrammen der Programmfluss festgelegt.
Nassi-Shneiderman-Diagramme können auch in technischer Dokumentation eingesetzt werden.[2]
Beispieldiagramme
Einfaches Struktogramm
Das folgende Beispiel zeigt den Ablauf des euklidischen Algorithmus zur Berechnung des größten gemeinsamen Teilers zweier Zahlen.
als Nassi-Shneiderman-Diagramm … | … und in Python: |
---|---|
def GGT(a, b):
while a > 0 and b > 0:
if a > b:
a -= b
else:
b -= a
if b == 0:
return a
else:
return b
|
Erweitertes Struktogramm
als Nassi-Shneiderman-Diagramm …
… und die Umsetzung in VBA:
Option Explicit
Private Sub btnZensur_Click()
Dim intZensur As Integer, strZensur As String
intZensur = InputBox("Geben Sie die Zensur als Zahl ein.")
Select Case intZensur
Case 1: strZensur = "sehr gut"
Case 2: strZensur = "gut"
Case 3: strZensur = "befriedigend"
Case 4: strZensur = "ausreichend"
Case 5: strZensur = "mangelhaft"
Case 6: strZensur = "ungenügend"
Case Else: strZensur = "ungültig"
End Select
MsgBox "Ihre eingegebene Zensur in Worten: " & strZensur
End Sub
Siehe auch
Einzelnachweise
- Nassi, I.; Shneiderman, B.: Flowchart Techniques for Structured Programming. SIGPLAN Notices XII. August 1973. Abgerufen am 3. Juni 2016.
- Weiss, Edmond H.: Visualizing a Procedure with Nassi-Schneiderman Charts. Journal of Technical Writing and Communication, Vol. 20, Nr. 3 (1990): 237–254.
Weblinks
- Literatur zum Nassi-Shneiderman-Diagramm im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- DIN 66261: Sinnbilder für Struktogramme nach Nassi-Shneiderman. FH Bielefeld. Archiviert vom Original am 28. September 2007. Abgerufen am 2. Juni 2016.
- sbide.de – Javascript-basierter Struktogrammeditor mit C-Code-Generierung und Simulator zur Visualisierung des Programmablaufs
- Structorizer - Online Struktogramme erstellen