Miklós Nyiszli
Miklós Nyiszli (geboren 17. Juni 1901 in Szilágysomlyó, Österreich-Ungarn; gestorben 5. Mai 1956 in Oradea) war ein ungarischer Mediziner aus Siebenbürgen. Er war Überlebender des Holocaust.
Leben
Miklós Nyiszli wurde als Sohn eines Kaufmanns im ungarischen Siebenbürgen geboren, das nach dem Ersten Weltkrieg zu Rumänien gehörte. Nach einem Medizinstudium in Klausenburg, Kiel und Breslau praktizierte er in seiner Heimat als Gerichtsmediziner und Allgemeinarzt. Mit dem Zweiten Wiener Schiedsspruch 1940 fiel das Gebiet wieder an Ungarn.
Ende Mai 1944 deportierte das Eichmann-Kommando Nyiszli mit seiner Frau und der 15-jährigen Tochter in das KZ Auschwitz-Birkenau, wo er zunächst im KZ Auschwitz-Monowitz Zwangsarbeit im Buna-Zweigwerk der I.G. Farben leisten musste. Ende Juni 1944 wurde er in den Häftlingskrankenbau nach Auschwitz-Birkenau überstellt und vom ersten Lagerarzt Josef Mengele als Pathologe in dem neu eingerichteten Sektionsraum des Krematorium II eingesetzt. Bei der Evakuierung des Lagers Mitte Januar 1945 mit einem folgenden Todesmarsch in Richtung KZ Mauthausen überlebte Nyiszli im Nebenlager KZ Ebensee, wo er Anfang Mai von amerikanischen Truppen befreit wurde.
Nach der Rückkehr in seine Heimat verfasste Nyiszli innerhalb weniger Monate seinen Erinnerungsbericht. Er wurde 1946 in ungarischer Sprache unter dem Titel Ich war der Pathologe von Dr. Mengele im Auschwitzer Krematorium veröffentlicht. Nyiszlis Memoiren waren der erste Bericht über die tragische Zwangsarbeit der jüdischen „Sonderkommandos“ in Auschwitz-Birkenau und über den bewaffneten Häftlingsaufstand in Auschwitz. Wesentliche Teile seiner Berichte wurden im Film von B. Nelson „Die Grauzone (Orig: The Grey Zone)“ (USA 2001) verarbeitet.
Im Oktober 1947 sagte Nyiszli in Nürnberg als Zeuge im I. G.-Farben-Prozess über seine Zeit im Sonderkommando im KZ Auschwitz-Birkenau aus. Nyiszli starb 1956 nach langer Krankheit an einem Herzinfarkt.
Schriften
- Dr. Mengele boncolóorvosa voltam az auschwitz-i krematóriumban. Debrecen 1946 (Ungarisch und Rumänisch; 1951 ins Französische, 1960 ins Englische und 2004 ins Deutsche übersetzt).
- englische Übersetzung: Auschwitz. An eyewitness account of Mengele’s infamous death camp. Translated by Tibère Kremer and Richard Seaver. Seaver, New York 1986 (Erstauflage 1960).
- deutsche Übersetzung: Im Jenseits der Menschlichkeit. Ein Gerichtsmediziner in Auschwitz. Übersetzt von Angelika Bihari. Hrsg. von Friedrich Herber. Verlag Karl Dietz Berlin, Berlin 1992. ISBN 3-320-01791-8
- Im Jenseits der Menschlichkeit. Ein Gerichtsmediziner in Auschwitz. Hrsg. von Friedrich Herber. 2. Auflage überarbeitet von Andreas Kilian und Friedrich Herber. Karl Dietz Verlag Berlin, Berlin 2005, ISBN 3-320-02061-7.
- Sonderkommando. In: Hans Günther Adler, Hermann Langbein, Ella Lingens-Reiner (Hrsg.): Auschwitz. Zeugnisse und Berichte. 6., überarbeitete Auflage. CEP Europäische Verlagsanstalt, Hamburg 2014 (Erstauflage 1962), ISBN 978-3863930608, S. 74–77.
Literatur
- Eric Friedler, Barbara Siebert, Andreas Kilian: Zeugen aus der Todeszone. Das jüdische Sonderkommando in Auschwitz. dtv, München 2005, ISBN 3-423-34158-0.
- Gideon Greif: Stufen der Auseinandersetzung im Verständnis und Bewusstsein der Shoah in der israelischen Gesellschaft, 1945–2002. In: Psychosozial. Nr. 93 (Heft 3/2003).
- Bernhard André und Andreas Kilian: Film-Heft Die Grauzone. Hg. Vom Institut für Kino und Filmkultur im Auftrag der Bundeszentrale für politische Bildung, Köln 2005.
Weblinks
- Literatur von und über Miklós Nyiszli im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Kiran Klaus Patel: Verdrängen wir die Menschlichkeit? Die Vernichtung der europäischen Juden als Thema der Geschichtswissenschaft und einer Ausstellung des DHM. Vorlesungsankündigung, Humboldt-Universität zu Berlin, Wintersemester 2001/02
- Biografische Hintergrundinformationen zu Miklos Nyiszli aus dem Presseheft zum Film „Die Grauzone“: Andreas Kilian: Als Arzt im Zentrum der Massenvernichtung: https://sonderkommando-studien.de/publikationen/#hintergrundinformationenmenschlichkeit