Mevlüde Genç
Mevlüde Genç (* 5. Februar 1943 in Amasya, Türkei)[1] ist eine deutsche Friedensbotschafterin[1], die 1993 bei dem Mordanschlag von Solingen zwei Töchter, zwei Enkelinnen und eine Nichte verloren hat.
Leben
Ihren Herkunftsort Mercimek in der türkischen Provinz Amasya, nach dem in Solingen ein Platz benannt ist, verließ Genç mit 27 Jahren.[2][3] „Ich lebe in Deutschland, also will ich Deutsche sein“, begründete Genç ihren Schritt, nach der rechtsextremistisch motivierten Tat dennoch die deutsche Staatsbürgerschaft anzunehmen. Für ihre Bemühungen um Versöhnung nach dem Anschlag wurde ihr 1996 das Bundesverdienstkreuz am Bande verliehen.[4]
Daneben wurde sie bei den Deutsch-Türkischen Kulturwochen der Friedrich-Ebert-Stiftung 2003 mit dem Freundschaftspreis ausgezeichnet. Genç habe ihrer Heimatstadt Solingen
„… trotz allem die Treue gehalten und kämpft seither gegen Rassismus. Sie gründete u. a. einen Kindergarten und unterstützt vor allem das Bewusstsein, das bereits bei kleinen Kindern von Anfang an geschult werden sollte – nämlich dass Rassismus in Deutschland keine Chance haben darf. Für dieses Engagement und den Mut, trotz allem weiterzumachen, aufzustehen und etwas zu tun, verleiht die DTF seinen diesjährigen Preis in der Kategorie ‚Solidarität‘ an Mevlüde Genç.“[5]
hieß es in der Begründung der Jury.
Ein Rundfunkinterview des WDR mit Genç, Kraft zur Versöhnung: Ein Besuch bei Mevlüde Genc, von Sefa İnci Suvak erhielt 1995 den Civis-Medienpreis.
Im Februar 2012 wurde Mevlüde Genç vom nordrhein-westfälischen Landtag auf Vorschlag der Landtagsfraktion der CDU als Wahlfrau in die 15. Bundesversammlung gewählt,[6] an der sie am 18. März 2012 teilnahm.[7]
2015 wurde sie mit dem Verdienstorden des Landes Nordrhein-Westfalen ausgezeichnet.[8]
Mevlüde-Genç-Medaille
Die Landesregierung des Landes Nordrhein-Westfalen hat am 18. Dezember 2018 für besondere Verdienste um Toleranz, Versöhnung zwischen den Kulturen und um das friedliche Miteinander der Religionen die „Mevlüde-Genç-Medaille“ gestiftet. Die Auszeichnung wird an Einzelpersonen oder Gruppen verliehen. Die Medaille wird in der Regel jährlich durch den Ministerpräsidenten verliehen und ist mit 10 000 Euro dotiert. Der Preis und damit das Preisgeld können geteilt werden. Neben der Medaille in einer Schatulle und dem Preisgeld erhalten die Preisträger eine Urkunde.[9]
Sonstiges
Gençs Medienpräsenz führte zu Neid und Missgunst in Teilen der Solinger Gesellschaft. In diesem Zusammenhang wurden unter anderem Gerüchte gestreut, der Brandanschlag von Solingen habe die Familie, deren Wohnort heute geheim gehalten werden muss, reich gemacht, bis hin zum Verdacht, die Überlebenden könnten das Feuer selbst gelegt haben.[10][11][12]
In Bezug auf die Ermittlungen um die rechtsextreme Mordserie des NSU an Migranten bekundete Genç ihr Vertrauen gegenüber dem deutschen Staat.[13]
In Oldenburg wurde der Mevlüde-Genç-Weg als Ergebnis eines Kooperationsprojektes des Fördervereins internationales Fluchtmuseum e.V., der AG „Schule ohne Rassismus-Schule mit Courage“ der IGS Kreyenbrück (beide Oldenburg) und der Stadt Oldenburg eingeweiht. Ein Schaukasten gibt nähere Auskünfte zum Anschlag in Solingen.[14]
Einzelnachweise
- Mevlüde Genç. In: 50 YIL 50 İNSAN 50 JAHRE 50 MENSCHEN. Präsidium für Auslandstürken und verwandte Völker (YTB), Kemal Yurtnaç im Namen des YTB, Juni 2012, S. 141–143, abgerufen am 3. Februar 2021 (deutsch, türkisch).
- Armin Laschet: Laschet: "Mevlüde Genç ist die beeindruckendste Frau, die ich je kennengelernt habe", Westdeutsche Zeitung, 25. Mai 2018
- Mevlüde Genç mahnt 25 Jahre nach Solinger Anschlag zu Versöhnung (Memento vom 28. Juni 2018 im Internet Archive), Bayerischer Rundfunk, 16. Mai 2018
- Erwin Koch: Drei Jahre nach Solingen: „Ich bin tot und lebe noch.“ Gespräch mit Mevlüde Genç. In: Die Zeit, Nr. 23/1996
- Deutsch-Türkische Kulturwochen – Verleihung der Freundschaftspreise 2003. (Memento vom 28. September 2007 im Internet Archive) bayernforum.de, Presseinformation 14/2003, 12. Mai 2003
- Landtag bestimmt Vertreter zur Wahl des Präsidenten. In: Westfälischer Anzeiger. 28. Februar 2012, abgerufen am 19. März 2012.
- Gordon Repinski: Wahl des Bundespräsidenten – Frau Genc und Herr Gauck. In: die tageszeitung. 18. März 2012, abgerufen am 19. März 2012.
- NRW ehrt Mevlüde Genç: Außergewöhnliche Haltung und menschliche Größe. In: MiGAZIN, 17. April 2015.
- Recht NRW, abgerufen am 18. Januar 2019.
- Pascal Beucker: Solingen ist meine Heimat. In: die tageszeitung. 29. Mai 2003, abgerufen am 19. März 2012.
- Ingo Blankenburg: Zehn Tage. Roman. 2004, S. 26, tiscali.de (Memento vom 25. August 2007 im Internet Archive)
- Stefan Willeke: Mord aus der Mitte. In: Die Zeit, Nr. 22/2008
- Ayten Hedia: "Ich vertraue unserem Staat", Süddeutsche.de, 3. Mai 2013.
- Ein Zeichen gegen Hass und Rassismus setzen. In: www.nwzonline.de. Nordwest-Zeitung Verlagsgesellschaft mbH & Co. KG, 17. Juli 2021, abgerufen am 15. November 2021.