Merle-Faktor
Der so genannte Merle-Faktor (kurz Merle) ist eine der vielen verschiedenen Farbvariationen des Fells bei Hunden und besonders in der Colliezucht stark verbreitet. Die Grundfarbe des Felles ist bei Merles stellenweise aufgehellt in der Weise, dass unregelmäßige, zerrissen wirkende Flecken in der Grundfarbe auf einem aufgehellten Grund zu sehen sind.
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Genetik
Der Merle-Faktor ist auf das Merle-Gen im Erbgut des Hundes zurückzuführen. Es ist eine Mutation des Silver-Locus-Gens (Pmel17), das sich beim Haushund auf Chromosom CFA10 befindet.
Das Merle-Gen hellt nur Eumelanin auf, während es Fellbereiche, in denen ausschließlich Phäomelanin vorkommt, unverändert lässt.
Wenn ein heterozygotes Allel des Merle-Gens vorliegt, wird der Merle-Faktor statistisch gesehen zu 50 % exprimiert und es sind andersfarbige Welpen zu erwarten. In der Praxis sind normalerweise unter 50 % Merle-Welpen. Bei einem homozygoten Allel liegt eine volle Mutation des Gens vor und kann sich in einem krankhaften Phänotypen äußern.
Aussehen
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Von links nach rechts: 1. Schwarz Rot und Weiß ohne Merle-Gen; 2. Braun, Rot und Weiß mit Merle-Gen, 3. Schwarz, Rot und Weiß mit Merle-Gen, 4. Braun, Rot und Weiß ohne Merle-Gen.
Die durch Phäomelanin verursachten hellbraunen („roten“) Abzeichen um das Maul und an den Beinen werden durch das Merle-Gen nicht beeinflusst, während die durch Eumelanin verursachten schwarzen oder dunkelbraunen Bereiche bei den Merlehunden unregelmäßig aufgehellt sind. Die reinweißen Flecken unter dem Bauch, die Blesse im Gesicht und die weißen Füße gehen auf ein anderes Scheckungsgen zurück.
Eumelanin verursacht die schwarze Fellfarbe. Durch eine Mutation des Braun-Locus entsteht ein unvollständiger okulokutaner Albinismus Typ 3 (OCA3). Dadurch werden Fellbereiche, in denen ausschließlich Eumelanin produziert wird, zu Braun oder Grau (silbergrau) aufgehellt.
Die auf Eumelanin beruhenden Farben wie Schwarz und Braun können durch das Merle-Gen aufgehellt werden. In den so gefärbten Bereichen oder einzelnen schwarzen oder braunen Haaren entstehen weiße Abzeichen. Sie können als große Flecken oder als feine Sprenkelung vorkommen. Manchmal wird das Schwarz auch zu einem Grau aufgehellt, das von einem dunklen Graublau über rosastichig bis hin zu einem zarten Hellgrau variieren kann. Entsprechend kann das durch den Braun-Locus entstandene Braun zu helleren Brauntönen aufgehellt werden.
Die Augen können einfarbig braun, einfarbig blau, oder gemischtfarbig sein – wobei es Hunde gibt, die ein blaues und ein braunes Auge haben, als auch solche, die beide Farben in einem Auge vereinen.
Das rezessive „Allel e“ (englisch recessive yellow) des Extension-Locus bewirkt bei homozygotem Vorliegen ("ee"), dass ein Hund am gesamten Körper nur das gelb oder rötlich-braun aussehende Phäomelanin produziert und deshalb einfarbig rotbraun bis goldfarben ist. Da das Merle-Gen das Phäomelanin nicht beeinflussen kann, zeigen Hunde mit dieser braunen Färbung an keiner Stelle des Körpers die typische Merle-Zeichnung. In Rassen mit Vorkommen von Merle ist deshalb bei Tieren dieser Farbe Vorsicht geboten, da man sonst unwissentlich zwei Träger der Merle-Gens miteinander verpaaren könnte. Durch Phäomelanin braun gefärbte Fellbereiche bei anderen Fellzeichnungen, wie der Brand bei Hunden mit roter Zeichnung in Gesicht und an Beinen oder wie die hellen Haare im Fell der geflammten Hunde, werden ebenfalls nicht durch das Merle-Gen aufgehellt.[1]
Gesundheitliche Auswirkungen der homozygoten Form
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Das Merle-Gen wird intermediär vererbt. Hunde, die das Gen nur einmal aufweisen, also heterozygot sind, sind meist gesund. Das Merle-Gen führt neben einem größeren Weißanteil im Fell in einigen Fällen zu Fehlbildungen des Innenohrs mit Taubheit. Bei reinerbigen (homozygoten) Tieren sind 10 % einseitig und 15 % auf beiden Ohren taub. Von den mischerbigen Tieren sind 2,7 % einseitig, 0,9 % vollständig taub. Vor allem bei homozygoten Tieren können auch Fehlbildungen der Augen auftreten. Betroffene Tiere können in der Entwicklung hinter Wurfgeschwistern zurückbleiben, verminderte Lebensfreude zeigen und sterben manchmal vor der Geschlechtsreife.
Aus Tierschutzgründen wird daher die Verpaarung zweier Träger des Merle-Faktors nicht empfohlen. Die gezielte Zucht mit einem Gendefekt aus rein ästhetischen Beweggründen ist stark umstritten. Im „Gutachten zur Auslegung von §11 des Tierschutzgesetzes (Verbot von Qualzuchten)“ (BMELV) wird generell die Empfehlung ausgesprochen, auf die Zucht mit dem Merle-Gen zu verzichten. (Tierschutzgesetz § 11 Abs. 1: "Es ist verboten, Wirbeltiere zu züchten, wenn damit gerechnet werden muss, dass bei der Nachzucht oder deren Nachkommen erblich bedingt Körperteile oder Organe für den artgemäßen Gebrauch fehlen oder untauglich sind ... und hierdurch Schmerzen, Leiden oder Schäden auftreten".)
Rassen
Merle kommt bei Deutschen Doggen und Dackeln der Farbe „Tiger“, Collies, Shelties und anderen mit der Farb-Bezeichnung Blue Merle, Corgies, Foxhoundschläge, Catahoula Leopard Dog, Dunkerhunden, einigen Hütehundeschlägen wie Mudi, Bergamasker Hirtenhund, Border Collies, Bobtails, Australian Shepherds und Farbschlägen des Altdeutschen Hütehundes, dem Beauceron, dem Chihuahua, dem Prager Rattler und dem Jack Russell Terrier vor sowie auch bei von der FCI nicht anerkannten Züchtungen anderer Rassen.
Literatur
- D. Dausch, W. Wegner, W. Michaelis, I. Reetz: Augenveränderungen beim Merlesyndrom des Hundes. In: Graefe's Archive for Clinical and Experimental Ophthalmology. Band 206, Nr. 2, 1978, S. 135–150, doi:10.1007/BF00414621.
- Rainer Brinks: Defektgen Merle-Faktor. Auf: Hundezeitung.de. 2001 ().
- Leigh Anne Clark, Jacquelyn M. Wahl, Christine A. Rees, Keith E. Murphy: Retrotransposon insertion in SILV is responsible for merle patterning of the domestic dog. In: Proceedings of the National Academy of Sciences. Band 103, Nr. 5, 2006, S. 1376–1381, doi:10.1073/pnas.0510714103. PMID 16407134.
- Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (BMELV): Gutachten zur Auslegung von §11 des Tierschutzgesetzes (Verbot von Qualzuchten).
- B. Hédan, S. Corre, C. Hitte, S. Dréano, T. Vilboux, T. Derrien, B. Denis, F. Galibert, M. D. Galibert, C. Andre: Coat colour in dogs: identification of the Merle locus in the Australian shepherd breed. In: BMC Veterinary Research. Band 2, Nr. 1, 2006, S. 9, doi:10.1186/1746-6148-2-9., PMID 16504149.
- G. M. Strain, L. A. Clark, J. M. Wahl, A. E. Turner, K. E. Murphy: Prevalence of deafness in dogs heterozygous or homozygous for the merle allele. In: J Vet Intern Med. 2009 Mar-Apr;23(2), S. 282–286. Epub 2009 Feb 3. PMID 19192156.
Weblinks
- Rainer Brinks: Defektgen Merle-Faktor. Hundezeitung.de vom 16. Mai 2001
- Sheila Schmutz: Dog Coat Color Genetics. Merle. aktualisiert am 29. November 2007.