Max Mühlhäuser
Max Mühlhäuser (* 13. Juni 1957 in Pforzheim) ist ein deutscher Informatiker und Professor an der Technischen Universität Darmstadt[1].
Leben
Max Mühlhäuser studierte von 1976 bis 1981 an der Universität Karlsruhe (heute KIT) Informatik, an der er auch weiterhin bis zum Abschluss seiner Promotion 1986 (mit Auszeichnung) als wissenschaftlicher Mitarbeiter arbeitete.
Danach gründete und leitete Mühlhäuser ab 1986 die erste Europäische Forschungsstätte des damals zweitgrößten Computerherstellers Digital Equipment Corporation (DEC), das Campus-based Engineering Center (CEC) Karlsruhe. Nach kurzer Rückkehr an die Universität Karlsruhe als Gruppenleiter bei Gerhard Krüger folgte er 1989 dem Ruf auf eine Professur für Informatik an der Universität Kaiserslautern. Drei Jahre später ging Mühlhäuser kurzzeitig an die Universität Montréal (UdeM), um dort die Forschungs- und Technologietransfer-Konzepte des Centre de recherche en informatique de Montréal (CRIM) weiterzuentwickeln und gemeinsame Forschungsarbeiten durchzuführen, bevor er 1992 erneut zur Universität Karlsruhe zurückkehrte. Im Jahr 1993 gründete er dort die Forschungseinrichtung Telecooperation Office (TECO), die Maßstäbe auf dem Gebiet der Ubiquitous-Computing-Forschung in Europa setzte. 1995 boten sich Mühlhäuser Möglichkeiten sowohl bei der Universität Linz als auch beim Institut Eurecom. Er entschied sich nach Linz zu gehen, da sich dort die Gelegenheit bot, das Ars Electronica Center (AEC) ganz wesentlich mit zu gestalten.
Forschungsaufenthalte und Gastprofessuren führten Professor Mühlhäuser u. a. nach Kanada, Frankreich, die USA und Australien (Universität Montréal, University of California, San Diego, Stanford University, Palo Alto Research Center PARC, Queensland University of Technology), was ihm die Möglichkeit bot, seine Forschung und sein Technologietransfer-Wissen an führenden amerikanischen Universitäten zu etablieren. Im Jahr 2000 wurde Mühlhäuser an die Technische Universität Darmstadt berufen, wo er bis heute forscht und lehrt. Dort ist er Leiter des Telecooperation Lab am Fachbereich Informatik. Sein Lehrstuhl forscht an intelligenten Ubiquitous Computing-Umgebungen für das "pervasive Future Internet" in vier Arbeitsgruppen: Human Computer Interaction, Smart Ubiquitous Networks, Intelligent Systems und Smart Protection in Infrastructures. 2011 erhielt er zusätzlich ein Adjunct Professorship an der Queensland University of Technology.
Bereits Mitte der achtziger Jahre beschäftigte sich Mühlhäuser mit Kernfragen heutiger Softwaresysteme wie etwa der verteilten objektorientierten Softwareprogramme, dem Nutzen von Hyperlink-Systemen (Vorgänger des WWW) und computergestützten neuen Ansätzen für Lernen und Wissensarbeit – dem E-Learning. Mühlhäuser forschte zunächst an der Entwicklungsunterstützung für verteilte Software; das umfasste die simulative Leistungsbewertung, Entwurf- und Programmiersprachen, Werkzeuge und Dienste sowie Middleware.
Während seines Postdoktorats in Südfrankreich arbeitete Mühlhäuser zusammen mit einigen Firmen an Hypertext- und Hypermedia-Konzepten. Er trug hierzu vor allem Konzepte zur Ausdehnung auf Computernetzwerke bei. Diese Arbeiten und Konzepte fanden über das Unternehmen Digital Equipment, das seinerzeit größter Computerlieferant des CERN war, auch ihren Weg nach Genf, wo wenig später die Grundlagen für HTML und das World Wide Web gelegt wurden.
Mühlhäuser hat das Konzept Campus-naher Forschungs- und Transferzentren der Industrie entwickelt und erstmals implementiert. Diesen Transfer prägte er durch neue organisatorische Ansätze, Formate und Strukturen. Mit seinen wissenschaftlichen Beiträgen trug er auch inhaltlich vielfach zum Technologietransfer bei. Eine von ihm und seinem Team erforschte und entwickelte Middleware für intelligente Produkte und das Internet der Dinge fand Eingang in die Automobil-, Luftfahrt- und Konsumgüterindustrie sowie in Software-Lösungen für vernetzte computergestützte Notfall- und Katastrophenbewältigung. Mühlhäuser brachte seine Konzepte u. a. bei Daimler-Benz und SAP, bei Einrichtungen wie dem Computer Research Institute of Montréal (CRIM), dem Distributed Systems Technology Center der australischen Regierung und bei universitären Instituten wie Eurecom ein. Insbesondere bei Technologietransfer-Zentren von Digital Equipment, SAP und der Kanadischen Öffentlichen Hand (CRIM) beriet Mühlhäuser über viele Jahre hinweg sowohl in strategischen Fragen des Technologietransfers als auch im Hinblick auf Forschungsinhalte.
Im Rahmen mehrerer längerer Aufenthalte im Silicon Valley beriet er industrielle Forschungsinstitute u. a. Xerox, Fuji und SAP bei der Weiterentwicklung ihrer Forschungstransfer-Organisationen und Forschungsagenden. Inhaltlich brachte Mühlhäuser nicht zuletzt im Rahmen von Leuchtturm-Projekten des Bundes und der Europäischen Union forschungs- und industrieseitige Aspekte großer IT-Innovationen zusammen.
Um den Transfer von Spitzenforschung in die Industrie noch reibungsloser zu gestalten, ergänzte er das Konzept der von der Industrie geleiteten Institute an Universitäten mit demjenigen industriegeförderter Forschungsgruppen in Universitäten. So entstand 1993 das Telecooperation Office TECO an der Universität Karlsruhe. Mühlhäuser gründete das TECO mit Unterstützung von SAP[2], leitete es bis zu seiner Wegberufung nach Linz und betreute auch nach seinem Weggang noch laufende Forschungsarbeiten und Promotionen weiter. Auch das mit dem TECO erprobte neue F&T-Konzept fand außerhalb Darmstadts Beachtung und Nachahmung, wie etwa in der Gründung des IT Transfer Office (ITO) der Technischen Universität Darmstadt. Vergleichbare Einrichtungen wurden im Verlauf der Jahre gegründet, u. a. in Australien, Kanada und Singapur.
Während seiner Zeit in Linz entwickelte und realisierte Mühlhäuser mit seinem Lehrstuhl ein komplettes Stockwerk des Ars Electronica Center. Die Ausstellungsstücke machten Forschungsresultate insb. zu computergestütztem vernetztem Lernen, interaktivem Musizieren und Gestensteuerung erfahrbar. In der Folge trug Mühlhäuser auch zu den Exponaten des Hauses der Musik in Wien bei. Als größter Erfolg erwies sich ein Exponat, das er mit Jan Borchers (damals sein Mitarbeiter, heute Professor an der RWTH Aachen) konzipierte. Dieser „Virtuelle Dirigent“[3][4] ist bis heute der Publikumsliebling und wurde von Borchers jüngst in der dritten Neuaufnahme eingespielt.[5] Die Konzeption beinhaltete auch Innovationen der Multimedia-Forschung, die zu Spitzenpublikationen führten.
In den vergangenen fünfzehn Jahren hat Mühlhäuser mit seinem Lehrstuhl zahlreiche Publikationen im Bereich der Mensch-Computer-Interaktion für Ubiquitous Computing veröffentlicht. Nach Arbeiten mit elektronisch aufgerüsteten Kugelschreibern und früher Forschung zur Interaktion mit roll- und faltbaren Displays konzentrierten sich die Arbeiten auf neue Ansätze für Erweiterte Realitäten in Smart Cities und auf 3D-gedruckte interaktive Objekte. Die entstandenen Publikationen wurden mehrfach auf der führenden Fachkonferenz CHI (Human Factors in Computing Systems) ausgezeichnet. Zudem ist er Mitbegründer einer Multimedia-Konferenz der IEEE (ISM: International Symposium on Multimedia).
Seit über zehn Jahren forschen Mühlhäuser und sein Team auch intensiv an Fragen der Sicherheit und des Privatheit-Schutzes für Ubiquitous Computing. Im 2008 gegründeten Sicherheits-Forschungszentrum CASED war Mühlhäuser Direktoriumsmitglied, in der Nachfolgeorganisation, dem nationalen Zentrum für angewandte Sicherheitsforschung ATHENE, leitet Mühlhäuser einen Forschungsbereich. Zum Thema “Privatheit und Vertrauen für mobile Nutzer” steht er als Sprecher einem Graduiertenkolleg (Doktorand*innen-Schule) vor[6]. Es gelang mehrfach der Technologietransfer, u. a. für Forschungskonzepte zur computergestützten Sicherheitsbewertung und zur Analyse und Stilllegung weltumspannender Angreifer-Netzwerke (Botnets).
Auszeichnungen
- Mitglied der Deutschen Akademie der Technikwissenschaften (seit 2016)
- Ehrendirektor des CEC Karlsruhe
- ACM Distinguished Member for Outstanding Scientific Contributions to Computing (2021)
Werke (Auswahl)
Mühlhäuser veröffentlichte bis 2021 ca. 800 Fachkonferenz- und Zeitschriftenartikel, Bücher und Buchbeiträge. Dazu gehören u. a.:
- M. Mühlhäuser, C. Meurisch, M. Stein, J. Daubert, J. Von Willich, J. Riemann, and L. Wang: Street Lamps as a Platform, Communications of the ACM (IF: 6,99), vol. 63, no. 6, 75–83, May 2020. doi:10.1145/3376900.
- F. Müller, S. Günther, and M. Mühlhäuser, „Around-Body Interaction: Interacting While on the Go, IEEE Pervasive Computing (IF: 4,42)“, vol. 19, no. 2, pp. 74–78, 2020. doi:10.1109/MPRV.2020.2977850.
- L. Wang, L. Jiao, J. Li, J. Gedeon, and M. Mühlhäuser: MOERA: Mobility-Agnostic Online Resource Allocation for Edge Computing, IEEE Transactions on Mobile Computing (IF: 5,11), vol. 18, no. 8, pp. 1843–1856, 2019. doi:10.1109/TMC.2018.2867520.
- M. Schmitz, J. Steimle, J. Huber, N. Dezfuli, and M. Mühlhäuser: Flexibles: Deformation-Aware 3D-Printed Tangibles for Capacitive Touchscreens, in Proc. of the 2017 CHI Conference on Human Factors in Computing Systems (Core A*), New York, NY, USA: Association for Computing Machinery, 2017, 1001–1014, ISBN 978-1-4503-4655-9.
- E. Vasilomanolakis, S. Karuppayah, M. Mühlhäuser, and M. Fischer: Taxonomy and Survey of Collaborative Intrusion Detection, ACM Computing Surveys (IF: 7,99), vol. 47, no. 4, May 2015. doi:10.1145/2716260.
Einzelnachweise
- Prof. Dr. Max Mühlhäuser, Short Bio Technische Universität Darmstadt, abgerufen am 28. Dezember 2021
- Multidisciplinary Column: An Interview with Max Mühlhäuser, abgerufen am 28. Dezember 29021
- Der neue "Virtuelle Dirigent" im Haus der Musik. Abgerufen am 22. November 2021.
- Der neue 'Virtuelle Dirigent' im Haus der Musik. Abgerufen am 22. November 2021.
- 4 Etage - Der virtuelle Dirigent. Abgerufen am 22. November 2021.
- Current Research Training Groups. Abgerufen am 22. November 2022.