Maurice Audin
Maurice Audin (* 14. Februar 1932 in Béja, Französisch-Tunesien; † wahrscheinlich 21. Juni 1957 in Algier) war ein französischer Mathematiker. Er war ein kommunistischer politischer Aktivist gegen die französische Kolonialregierung und einer derjenigen, die während der Schlacht von Algier gewaltsam „verschwanden“.
Audin war Assistent an der Universität Algier. Er war Mitglied der kommunistischen Partei und unterstützte die FLN im algerischen Unabhängigkeitskampf.
Am 11. Juni 1957 wurde er in seinem Haus von französischen Fallschirmjägern verhaftet und zuletzt einen Tag später von einem Mitgefangenen (dem Zeitungsherausgeber Henri Alleg) gesehen. Er wurde in die Villa des Tourelles im gehobenen Vorort El Biar gebracht (dem Verhörzentrum der Fallschirmjäger), dort gefoltert und starb vermutlich wenig später. Nach dem Historiker Pierre Vidal-Naquet, der ein Buch über die Affäre schrieb (L’Affaire Audin, 1958, Neuauflage éditions de Minuit, 1989), starb er unter der Folter durch die Hand des Leutnants André Charbonnier (gestorben 1995).[1]
Seiner Frau Josette (geborene Sempé, 1931 – 2. Februar 2019), mit der er drei Kinder hatte, wurde mitgeteilt, er sei bei einer Überführung mit dem Jeep geflohen. 1957 griffen die Zeitungen den Fall auf und 1959 bis 1962 fand in Rennes eine gerichtliche Untersuchung statt, die ohne Ergebnis endete. Ebenfalls 1962 gab es in Frankreich eine Generalamnestie für Straftaten der Armee und Polizei im Rahmen des Algerienaufstandes. Eine Berufung der Witwe gegen das Urteil von Rennes wurde 1966 abgelehnt. Audin wurde 1963 in Algier für tot erklärt. Die Witwe versuchte noch 2007 vom französischen Staatspräsidenten Aufklärung zu erhalten. 2012 versprach Präsident François Hollande anlässlich eines Besuchs in Algerien für Aufklärung zu sorgen und ließ in den Archiven nachforschen. 2014 erklärte er, dass die genauen Umstände seines Todes zwar nicht geklärt werden konnten, er aber in Haft starb und nicht entkommen war, wie gelegentlich behauptet wurde.[2] Nach einem Buch des Journalisten Jean-Charles Deniau[3] wurde Audin auf Befehl des Hauptmanns der Fallschirmjäger und späteren Generals Paul Aussaresses getötet.
Am 2. Dezember 1957 wurde er bei Laurent Schwartz in absentia promoviert (Über lineare Gleichungen in einem Vektorraum). Auch Schwartz bemühte sich vergeblich um Aufklärung und schrieb das Vorwort zu dem Buch von Vidal-Naquet über die Affäre.
Seine Tochter Michèle Audin ist ebenfalls Mathematikerin. 2009 lehnte sie wegen der mangelnden Aufklärung des Todes ihres Vaters die Annahme der Ehrenlegion ab.
2018 bat der französische Präsident Emmanuel Macron im Namen Frankreichs um Entschuldigung für den Tod Maurice Audins.[4]
Ein Platz im Zentrum von Algier ist nach ihm benannt mit einer Stele, die an ihn erinnert. Laurent Schwartz sammelte für einen mit 500.000 Franc dotierten, nach Audin benannten Mathematik-Preis. Alle fünf Preisträger (Michel Lazard, Paul-André Meyer, André Néron, Jean-Pierre Kahane, Pierre Cartier) waren im Widerstand gegen den Algerienkrieg der Franzosen.
Literatur
- Michèle Audin, Une vie brève, Paris, Gallimard, coll. „L'arbalète“, 2013, ISBN 978-2070140015
- Pierre Vidal-Naquet, L'Affaire Audin, Paris, Éditions de Minuit, 1958
- Pierre Vidal-Naquet, L'Affaire Audin, 1957-1978, éditions de Minuit, 1989
Weblinks
Einzelnachweise
- L'affaire Audin, un mensonge d'Etat. Abgerufen am 29. Dezember 2021 (französisch).
- Message du Président de la République à l’occasion de la remise du prix Maurice Audin pour les mathématiques, 2014 (Memento vom 13. August 2014 im Internet Archive)
- Deniau, La vérité sur la mort de Maurice Audin, Des Equateurs 2014, nach Paul-Francois Paoli: Guerre d'Algérie : l'énigme Maurice Audin résolue ?, Le Figaro, 30. Januar 2014
- Algerien-Krieg: Frankreich gibt „System“ der Folter zu. In: ORF. 13. September 2018, abgerufen am 14. September 2018.