Mathematikgebäude der Technischen Universität Berlin
Das Mathematikgebäude der Technischen Universität Berlin ist ein Universitätsgebäude in Berlin-Charlottenburg. Andere Bezeichnungen lauten Gebäude des Instituts für Mathematik[1] sowie Gebäude des Instituts für Mathematik und EDV-Grundausbildung.[2]
Vorplanung
Die Technische Universität Berlin schrieb 1967 einen Wettbewerb zur Erweiterung des Campus aus. Eine Jury prämierte zwar die eingereichten Entwürfe, die im Laufe der Bearbeitungszeit von 1967 bis 1968 entstanden waren, jedoch wurde keiner direkt umgesetzt.[3] Stattdessen vergab die TU-Berlin einzelne Direktaufträge, unter anderem für das Mathematikgebäude. Die Zweitplatzierten des Campus-Wettbewerbs, Georg Kohlmaier und Barna von Sartory, erhielten den Auftrag für den Neubau eines Institutsgebäudes für Mathematik. Die Planung an dem Gebäude begann 1973.
Entwurf
Kohlmaier und von Sartory entwarfen ein Hochhaus auf H-förmigem Grundriss, leicht zurückgesetzt von der Straße des 17. Juni. Eine Besonderheit des Entwurfs ist, dass das bereits vorhandene Hörsaalgebäude für das Institut für Elektrotechnik in das Mathematikgebäude integriert wurde.[2] Der Elektrotechnik-Hörsaal stammt von Karl Wilhelm Ochs und wurde 1960–1963 errichtet. Direkt an der Straße des 17. Juni – dem Mathematikgebäude südwestlich vorgelagert – steht ein länglicher Hallenbau des Instituts für Wasserbau und Wasserwirtschaft. Diese Halle stammt von Helmut Bressler und wurde 1958–1959 errichtet.[4]
Das auffälligstes Merkmal des Mathematikgebäudes ist seine Hülle aus Glas. Metallplatten an der Fassade sind in leuchtendem Blau und Rot lackiert. Zum Zeitpunkt seiner Planung wurde diese Art von Architektur als besonders ökologisch bezeichnet, da man hoffte, dass der hohe Glasanteil der Fassaden zur Wärmegewinnung dienen könnte. Eine Überlegung, die aus dem Gewächshausbau stammte. Der Entwurf von Kohlmaier und von Sartory ist ein sehr frühes großmaßstäbliches Beispiel von Solararchitektur und ökologischem Bauen. Die Fassade wurde als Dreifachverglasung ausgeführt um Wärmeverluste zu verringern.[5] Zum Zeitpunkt der Planung des Mathematikgebäudes waren zwar schon zahlreiche große Gebäude mit Glasfassaden errichtet worden,[6] aber diese waren nicht darauf hin optimiert, Energie zu sparen. Bauteile im Inneren des Hauses wurden in massiven Beton ausgeführt und unverkleidet belassen, damit diese als Wärmespeicher dienen können. Da im Inneren rohe und rauhe Materialien wie Beton zu sehen sind, gehört das Gebäude zumindest teilweise zum Stil des Brutalismus. Eine Mitarbeiterin von Kohlmaier und von Sartory bei dem Projekt war die Architektin Helma Karau.[1]
Eine formale Verwandtschaft besteht zu den Entwürfen von James Stirling, die als Red Trilogy bezeichnet werden: das Engineering Building der University of Leicester (1959–1963), die Seeley Historical Library der University of Cambridge (1964–1967) und das Florey Building, Studierendenwohnheim des Queen's College in Oxford (1966–1971). Die Bauten der Red Trilogy besitzen ebenfalls große Glasflächen sowie gebrochene Gebäudekanten mit 45-Grad-Winkeln.
Bau
Die Ausführung des Baus begann 1976 und dauerte mehrere Jahre. Das Datum der Fertigstellung lässt sich nicht genau festlegen, es variiert je nach Quelle zwischen 1981, 1982 und 1983. Die Verwendung von Dreifachverglasung war 1976 die erste für ein Bürogebäude. Insgesamt stellt das Mathematikgebäude ein Bindeglied zwischen verschiedenen Architekturrichtungen dar. Es verbindet Elemente von High-Tech-, Solar- und Pop-Art-Architektur sowie Brutalismus. Innen ist das Gebäude mit Stilmitteln und Materialien des Brutalismus gestaltet, hauptsächlich Beton, vor Ort gegossen oder als Leichtbeton-Mauerwerk. Der dem Hochhaus vorgelagerte Hörsaal – direkt an der Straße des 17. Juni – ist für den Brutalismus typisch klobig, geschlossen und mit Beton gestaltet. Ungewöhnlich für ein Institutsgebäude ist, dass dieses Haus zwei Kantinen enthält. Unter dem Hörsaal direkt an der Straße des 17. Juni befindet sich eine Mensa für Studierende. Im obersten Geschoss befindet sich die Personalkantine der Technischen Universität.[7]
Zukunft
Die Zukunft des Mathematikgebäudes ist ungewiss. Die Technische Universität plant ein neues Gebäude für das Institut für Mathematik.[8] Bei den Ideen für Umnutzungen des alten Mathematikgebäudes stellt sich die Frage, wie viel von der originalen Bausubstanz erhalten werden kann. Auch wenn der Entwurf in den 1970er Jahren verhältnismäßig ökologisch war, erfüllt er heutige Anforderungen nicht.
Weblinks
Einzelnachweise
- Rolf Rave, Hans-Joachim Knöfel, Jan Rave: Bauen der 70er Jahre in Berlin. Kiepert, Berlin 1981, ISBN 3-920597-40-0.
- Doris Mollenschott, Martin Wörner, Karl Heinz Hüter, Paul Sigel: Architekturführer Berlin. 5., überarb. und erw. Auflage. Reimer, Berlin 1997, ISBN 3-496-01180-7.
- Miranda Rigby: Mathegebäude feat. G. Kohlmaier. In: Marktplatz M – platform for (ex)change. 9. Mai 2021 (issuu.com).
- Arne Schirrmacher, Maren Wienigk, Wissenschaft in der Stadt Projekt, Jovis Verlag GmbH: Architekturen der Wissenschaft die Entwicklung der Berliner Universitäten im städtischen Raum. Berlin 2019, ISBN 978-3-86859-595-6, S. 284.
- BauNetz: Besuch im Fun Palace der Mathematik – Georg Kohlmaiers Ökomoderne in Berlin. 25. November 2015, abgerufen am 20. Januar 2022.
- Großflächige Verglasung war seit den 1950er Jahren ein wichtiges Merkmal des International Style. Bekannte Beispiele sind das UNO-Hauptquartier und das Lever House, beide in New York City. Mit der Erfindung des Floatglas-Prozesses 1959 nahm die Verwendung von Glas als Fassadenmaterial noch einmal zu.
- Personalkantine der Technischen Universität. Abgerufen am 27. Januar 2022.
- Christina Camier: Das „alte“ Mathematikgebäude als Pilot für praxisorientierte Lehre. In: Themenportal Studieren. Technische Universitär Berlin, März 2021, abgerufen am 27. Januar 2022.