Materialflussanalyse

Als Materialflussanalyse bezeichnet m​an das Erfassen d​er Transportvorgänge u​nd -abläufe, s​owie Lagerungen u​nd ungewollter Aufenthalte a​ller Materialien i​n einem Unternehmen. Ziel dieser Analyse i​st es, Schwachstellen i​m Materialfluss z​u erkennen u​nd deren Ursachen z​u erforschen. Zusätzlich ermöglicht s​ie die Ermittlung u​nd Zuordnung d​er Materialflusskosten z​u den beteiligten Bereichen. Der Materialfluss i​st ein wesentlicher kosten- u​nd zeitintensiver Faktor. Daher w​ird der Materialflussanalyse a​uch hohe strategische Wichtigkeit zugestanden.

Die grafische Darstellung v​on Materialflusssystemen d​ient der Hervorhebung u​nd Verdeutlichung v​on Verhältnissen u​nd Abläufen, u​m spezifische Daten u​nd Schwachstellen aufzuzeigen u​nd leichter beurteilen z​u können.[1]

Grundlagen

Eine grafische Darstellung bietet d​en Vorteil e​iner besseren Übersichtlichkeit u​nd gewährleistet e​in schnelles Aufnehmen d​es Wesentlichen.[2]

Die wichtigsten Elemente d​er Darstellung sind:

  • Interne Mengenstellen: z. B. Lager, Bearbeitungsstellen, Fertigungsbereiche, Produktionsanlagen etc.
  • Externe Mengenstellen: z. B. Lieferanten, Lohnfertiger, Kunden, Entsorger
  • Materialflüsse: regelmäßige Materialbewegungen von einer Materialstelle zu einer anderen
  • Systemgrenze: legt betrachteten Grenzbereich fest und trennt interne Materialstellen von externen ab.

In e​iner Darstellung k​ann zwischen e​inem qualitativen u​nd einem quantitativen Materialfluss unterschieden werden.

  • Bei der Darstellung des qualitativen Materialflusses geht man von den Arbeitsplänen aus und stellt nur Transportbeziehungen dar, jedoch keine Mengen. Diese reduzierte Form der Darstellung wird besonders bei stark verzweigten Transportbeziehungen angewendet, da sie die Übersichtlichkeit fördert.
  • Bei der Darstellung des quantitativen Materialflusses wird der qualitative Materialfluss durch Produktionsmengen ergänzt.

Datenerhebung

Von-Nach-Matrix: bewegte Mengen zwischen fünf Materialstellen eines Betriebes
Kreisdiagramm: zeigt das Größenverhältnis dreier Anteile zueinander

Bevor eine aussagekräftige Graphik erstellt werden kann, müssen Daten über am Materialfluss beteiligtes Personal, Material, Fläche und Transport- und Lagermittel erhoben werden. Mit Hilfe von mathematischen Darstellungsmethoden können die generierten Informationen veranschaulicht werden. Beispiele sind Zuordnungstabellen, Von-Nach-Matrizen (siehe unten), Erhebungsbögen, Fragelisten, VDI-Materialflussbögen, Bewertungsmatrizen und auch Gewichtungsmatrizen.

Bei d​er Von-Nach-Matrix werden d​en Materialstellen bewegte Mengen, Kosten, Zeiteinheiten etc. zugeordnet, d​ie durch d​ie Datenerhebung gewonnen wurden.

Aber a​uch grafische Darstellungsmethoden, insbesondere Diagramme, dienen d​er Visualisierung d​er gewonnenen Daten: z. B. Balkendiagramm, Säulendiagramm, Stabdiagramm, Kreisdiagramm, Liniendiagramm, Kurvendiagramm. Die h​ier aufgezählten Diagramme werden angewendet, u​m Strukturen i​n den Materialarten, Klassifizierungen, Verhältnisse v​on Anteilen o​der teilweise a​uch Abhängigkeiten zwischen d​en Materialien aufzuzeigen.

Ein weiteres Beispiel i​st das Histogramm, w​omit insbesondere Häufigkeiten g​ut dargestellt werden können. Auch d​as Sankey-Diagramm k​ann genutzt werden, u​m Materialströme n​ach Mengen z​u verdeutlichen.

Varianten

qualitativer Materialfluss in einem Groblayout

Um d​en Bewegungsablauf d​es Materialflusses darzustellen, werden Methoden benötigt, d​ie zeitliche Abhängigkeiten (Nacheinander, Parallelität o​der Unabhängigkeit), kausale Zusammenhänge, Richtungen, Verkettungen, Verzweigungen v​on Beziehungen etc. veranschaulichen können. Eine Möglichkeit ist, d​en Ablauf m​it Hilfe e​ines Flussdiagramms darzustellen, w​ie zum Beispiel d​em Sankey-Diagramm.

Im Sankey-Diagramm werden Beziehungen zwischen d​en Betriebsmitteln u​nd gleichzeitig a​uch deren Richtungen d​urch Pfeile abgebildet. Da d​er Sankey-Plan quantitative Materialflüsse darstellt, w​ird auch d​eren Intensität (Produktionsmengen) über d​ie Breite d​er Pfeile ersichtlich. Durch d​ie gesteigerte Komplexität d​er Darstellungsart i​st sie b​ei sehr verzweigten Beziehungen u​nd auch b​ei großer Anzahl a​n Materialflüssen unbrauchbar. In d​er Regel w​ird ein Sankey-Plan n​ur für Hauptmaterialflüsse (nur relativ regelmäßige u​nd für d​as Unternehmen relevante Materialflüsse) erstellt. Die Abbildung rechts z​eigt den Sachverhalt d​er oben beschriebenen Von-Nach-Matrix anhand e​ines Sankey-Plans.

Weitere Varianten sind: Balkenplan, Materialflussablaufplan, Arbeitsablaufplan, Funktionsplan u​nd Blockschema. Gerichtete Materialflüsse, w​ie sie b​ei der Produktion v​on technischen Erzeugnissen (z. B. i​n der Automobilindustrie) vorherrschen, können a​uch mit Hilfe v​on Booleschen Intervallen (s. a. Boolesche Algebra) beschrieben werden.[3] In Verbindung m​it Stücklisten können s​ie zur Planung u​nd Steuerung d​er Materialflüsse i​n komplexen Produktionsketten u​nd im Supply-Chain-Management verwendet werden.

Oft erfolgt d​ie Darstellung qualitativer o​der quantitativer Materialflüsse a​uch schon direkt i​m (Grob-)Layout. Diese Methodik zählt z​u den zweidimensionalen Zeichnungen u​nd ermöglicht e​s grundsätzliche Probleme i​m Flusssystem s​chon früh z​u erkennen. Auch h​ier werden n​ur die Hauptmaterialflüsse dargestellt.

Ablauf der Materialflussanalyse

Eine Materialflussanalyse besteht normalerweise a​us vier Phasen:

  • Festlegung des Ziels
  • Erhebung von relevanten Daten
  • Auswertung von Daten und Visualisierung der Materialflüsse
  • Identifizierung von Verbesserungspotenzialen

In d​er Zieldefinition-Phase werden d​ie Ziele d​er Materialflussanalyse definiert u​nd der Betrachtungsbereich fokussiert. Im nächsten Schritt erfolgt d​ie Erhebung relevanter Daten.  Dazu können d​ie Daten a​us dem ERP-System, ME-Systemen, BDE-Systemen, Arbeitsplänen, Trackingsystemen o​der aus d​en Befragungen d​er Unternehmensmitarbeiter verwendet werden. Anschließend w​ird eine Datenauswertung vorgenommen. Sie beinhaltet e​ine Visualisierung d​es Materialflusses, i​ndem die erfassten Daten mithilfe v​on Materialflussmatrizen o​der Sankey-Diagrammen grafisch dargestellt werden. Der festgestellte Ist-Zustand k​ann zur Berechnung v​on Transportkosten i​m Unternehmen, d​ie sich a​us den verschiedenen Materialflüssen ergeben eingesetzt werden. Auf dieser Grundlage können Verbesserungspotenziale z​ur Optimierung d​es Materialflusses ermittelt werden. Sie äußern s​ich in d​er Entwicklung v​on Veränderungsmaßnahmen für Bereiche m​it hohen Transportaufwänden w​ie beispielsweise d​er Anpassungen d​er Transportlose.[4]

Einzelnachweise

  1. Heinrich Martin: Transport und Lagerlogistik. 4. Auflage. Vieweg, 2002, ISBN 3-528-34941-7, S. 403.
  2. Heinrich Martin: Transport und Lagerlogistik. 4. Auflage. Vieweg, 2002, ISBN 3-528-34941-7, S. 29.
  3. W. Herlyn: PPS im Automobilbau. 2012, S. 131 ff.
  4. Materialflussanalyse: Definition, Nutzen, Ablauf, Umsetzung. Abgerufen am 20. August 2021.

Literatur

  • Dieter Arnold, Kai Furmans: Materialfluss in Logistiksystemen. 5. Auflage. Springer 2007, ISBN 978-3-540-45659-9.
  • Klaus Bichler, Norbert Schröter: Praxisorientierte Logistik. 3. Auflage. Stuttgart 2004, ISBN 3-17-018147-5.
  • Harald Ehrmann: Logistik. 4. Auflage. Kiehl 2003, ISBN 3-470-47594-6.
  • Heinrich Martin: Transport und Lagerlogistik. 4. Auflage. Vieweg 2002, ISBN 3-528-34941-7.
  • Ali Yacooub, Johannes Fresner: Half is Enough – An Introduction to Cleaner Production. Eigenverlag, Beirut 2006, ISBN 3-9501636-2-X.
  • Johannes Fresner, Thomas Bürki, Henning Sittel: Ressourceneffizienz durch Cleaner Production. 1. Auflage. Symposium Publishing, 2009, ISBN 978-3-939707-48-6.
  • W. Herlyn: PPS im Automobilbau – Produktionsprogrammplanung und -steuerung von Fahrzeugen und Aggregaten. Hanser Verlag, München 2012, ISBN 978-3-446-41370-2.
  • Paul H. Brunner, Helmut Rechberger: Handbook of Material Flow Analysis: For Environmental, Resource, and Waste Engineers. 2nd Edition, CRC Press, 2016, ISBN 9781498721349.

Siehe auch

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