Marienbibliothek
Die Marienbibliothek zu Halle an der Saale ist eine wissenschaftliche evangelische Kirchenbibliothek in Halle (Saale). Sie ist die älteste und größte ununterbrochen öffentlich zugängliche Bibliothek ihrer Art in Deutschland.
Marienbibliothek zu Halle an der Saale | |
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Exlibris der Marienbibliothek | |
Gründung | 1552 |
Bestand | 30.000 Bände |
Bibliothekstyp | Wissenschaftliche Bibliothek |
Ort | Halle (Saale) |
ISIL | DE-Ha32 (Marienbibliothek) |
Betreiber | Hallesche Marktkirchengemeinde |
Leitung | Anke Fiebiger |
Website | www.marienbibliothek-halle.de |
Geschichte
Die Marienbibliothek wurde 1552 von Sebastian Boetius, dem Oberpfarrer der St. Marienkirche, der heutigen Marktkirche Unser Lieben Frauen, gegründet. Boetius kaufte dazu auf der Leipziger Messe mit dem Geld aus einer Spende einige Bücher. Durch Schenkungen und Ankäufe vergrößerte sich der Buchbestand sehr rasch. Die Marienbibliothek war bis zur Gründung der Universitätsbibliothek Halle im Jahr 1696 die einzige öffentliche Büchersammlung der Stadt, die bis dahin auch von den Studenten und Professoren der neu gegründeten Universität benutzt werden musste. Auch danach konnte die nur langsam wachsende Universitätsbibliothek den Literaturbedarf nicht abdecken. Gestützt von einem kurfürstlichen Benutzungsprivileg aus dem Jahr 1697 bevorzugten die Professoren auch weiterhin die umfangreichere Marienbibliothek.
Gebäude
Die Bestände der Bibliothek waren ursprünglich im südlichen Hausmannsturm der Marktkirche untergebracht. Zu Beginn des 17. Jahrhunderts war der Bestand jedoch so weit angewachsen, dass man 1607–1609 südlich der Kirche ein neues Bibliotheksgebäude baute. Dieses neben der Marktkirche gelegene Renaissancehaus, in dessen Obergeschoss sich der von einem Gewölbe getragene Bibliothekssaal befand, diente auch als Pfarrhaus und Superintendentur.
In den Jahren 1887/88 erfolgte durch Reinhard Knoch & Friedrich Kallmeyer ein Neubau An der Marienkirche 1 (im Hof der Pfarrhäuser der Marktkirche). Dieser machte das alte Bibliotheksgebäude überflüssig, und es wurde 1889 abgebrochen. Im neuen zweigeschossigen Backsteinrohbau befinden sich im Erdgeschoss die als Traukirche errichtete Gertraudenkapelle und im Obergeschoss hinter großen Rundbogenfenstern das Magazin. Das selbsttragende Regalsystem erstreckt sich über drei Zwischengeschosse. Es wurde platzsparend mit gusseisernen Stützen und Eisenrosten als Geschossböden bzw. -decken nach dem seinerzeit neuen und modernen französischen Magazinsystem angelegt.
Bestände
Die Bibliothek umfasst heute ca. 30.000 Bände vorwiegend aus dem 15. bis 18. Jahrhundert. Darunter befinden sich über 435 Inkunabeln, 308 Handschriften und 229 Urkunden aus dem 13. bis 18. Jahrhundert.[1] Von besonderem Interesse sind die Torarolle aus dem frühen 14. Jahrhundert und die umfangreichen Sammlungen von Flugschriften aus dem 16. und 17. Jahrhundert. Zum Bestand gehören außerdem Bibeldrucke (darunter solche mit eigenhändigen Eintragungen Luthers), theologische Literatur aber auch frühe Editionen zur Philosophie, Jura, Medizin, Astronomie und Astrologie. Auch das Archiv der Marktkirche einschließlich der Bestände der ehemaligen Gemeinden St. Ulrich, St. Moritz und St. Georgen lagert hier. Es umfasst den Zeitraum vom 16. Jahrhundert bis in die Gegenwart. Die darin enthaltenen Kirchenbücher – u. a. mit Händels Taufeintrag – sind für die Benutzung durch Dritte gesperrt. Sie sind jedoch als Mikrofilme im Archiv der Evangelischen Kirche der Kirchenprovinz Sachsen, einem EKM-Archiv in Magdeburg, verfügbar.
Die Marienbibliothek besitzt weiterhin vier umfangreiche geschlossen erhalten gebliebene Gelehrtenbibliotheken aus dem 17. und 18. Jahrhundert. Es sind die Bibliotheken von Friedrich Hoffmann (1660–1742) mit 760 Bänden, von Johann Christlieb Kemme (1738–1815) mit 3650 Bänden, von Christian Gottlob Zschackwitz (1720–1767) mit 2000 Bänden und von Joachim Oelhafen (1603–1690). Außerdem besitzt sie mit der Bibliothek von Karl Christian Lebrecht Franke (1796–1879) eine Pfarrerbibliothek aus dem 19. Jahrhundert.
Seit 1986 verwahrt die Bibliothek als Depositum die historischen Buchbestände der drei Kirchenbibliotheken von Sangerhausen (St. Ulrici), Weißenfels (St. Marien) und Schneidlingen (St. Sixti).
2009 kamen als Folge der Vereinigung der Evangelischen Kirche der Kirchenprovinz Sachsen und der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Thüringen zur Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland die Gesangbuchsammlung des Evangelischen Konsistoriums Magdeburg und mit der Auflösung der Evangelischen Kirche der Union die Gesangbuchsammlung dieser Kirche mit zusammen ca. 6.000 Bänden als Depositum in die Marienbibliothek. Zu den 1.400 halleschen Gesangbüchern kam 2009 zusätzlich die Thüringer Sammlung mit 700 Gesangbüchern. Seitdem besitzt die Marienbibliothek mit rund 8.000 Exemplaren eine der größten Gesangbuchsammlungen Deutschlands.[2]
Die Marienbibliothek ist eine Präsenzbibliothek. Sie zählt zusammen mit der Bibliothek der Franckeschen Stiftungen und der Universitäts- und Landesbibliothek Sachsen-Anhalt zu den drei bedeutendsten Büchersammlungen der Saalestadt.
- Magazin im Obergeschoss
- Magazin
- Magazin
Ausstellungen
- 2002/03: 450 Jahre Marienbibliothek zu Halle. Kostbarkeiten und Raritäten einer alten Büchersammlung. Im Historischen Waisenhaus der Franckeschen Stiftungen in Halle (Saale).
- 2007: Die Marienbibliothek in Halle. Ausstellung im Foyer des Landtags in Magdeburg.
- 2016/17: Wissensspeicher der Reformation. Die Marienbibliothek und die Bibliothek des Waisenhauses in Halle. Im Historischen Waisenhaus der Franckeschen Stiftungen in Halle (Saale).
Kabinettausstellungen in der Bibliothek
- 2011: Religions-Sachen – Zur materiellen Kultur protestantischer Frömmigkeit.
- 2012: „So klingt es schön in meinem Liede“ – Gesangbücher und Musikdrucke aus 500 Jahren.
- 2013: Die Hallensia-Sammlung – Stadtgeschichte in der Marienbibliothek.
- 2014: „Hoffnung mein Trost“ – Die Schätze der Frau von Selmenitz.
- 2015: Aus den Wissensgebieten der Marienbibliothek.
- 2016: Sonne, Mond und Sterne ... Einblicke in die astronomisch-astrologische Sammlung der Marienbibliothek.
- 2017: Die Marienbibliothek im Laufe der Jahrhunderte.
- 2018: Erlebte Fremde. Reiseberichte aus der Frühen Neuzeit in der Marienbibliothek.
- 2019: Leben in Halle durch die Jahrhunderte – Spurensuche in den Beständen der Marienbibliothek.
- 2020: Das Wirken der Familie Olearius in Halle a. d. Saale.
Einzelnachweise
- Heinrich L. Nickel, Karsten Eisenmenger: Die Marienbibliothek der Marktkirche Unser Lieben Frauen zu halle an der Saale. (Flyer, hrsg. vom Freundeskreis der Marienbibliothek zu Halle e. V.)
- Heidi Jürgens: Schatz findet neue Heimat. In: Mitteldeutsche Zeitung. 26. Januar 2009, abgerufen am 16. August 2021.
Literatur
- Die Marienbibliothek zu Halle. Kostbarkeiten und Raritäten einer alten Büchersammlung. Heft 1. Hrsg. von Heinrich L. Nickel. Selbstverlag. Halle 1995 (2. Aufl. 1998).
- Die Marienbibliothek zu Halle. Kostbarkeiten und Raritäten einer alten Büchersammlung. Heft 2. Hrsg. von Heinrich L. Nickel. Selbstverlag. Halle 1998.
- Ute Bednarz, Folkhard Cremer, Hans-Joachim Krause: Handbuch der deutschen Kunstdenkmäler. Sachsen-Anhalt II. Regierungsbezirke Dessau und Halle. Deutscher Kunstverlag, München 1999, S. 260 f., ISBN 3-422-03065-4.
- Heinrich L. Nickel (Hrsg.): 450 Jahre Marienbibliothek zu Halle an der Saale. Kostbarkeiten und Raritäten einer alten Büchersammlung. Hrsg. im Auftrag des Freundeskreises der Marienbibliothek zu Halle e. V., Stekovics, Halle 2002, ISBN 3-89923-018-3.
- Ulrich Richter: Der Himmelsglobus des Willem Janszoon Blaeu in der Marienbibliothek zu Halle. Hrsg. vom Freundeskreis der Marienbibliothek zu Halle e. V., Halle 2007, ISBN 978-3-00-023005-9.
- Die Marienbibliothek zu Halle (Saale). Deutscher Kunstverlag, München 2009, ISBN 978-3-42202198-3.
- Karsten Eisenmenger: Die Marienbibliothek im 18. Jahrhundert. in: Katrin Dziekan, Ute Pott (Hrsg.): Lesewelten – Historische Bibliotheken. Seite 41–49; Mitteldeutscher Verlag, Halle 2011; ISBN 978-3-89812-538-3.
- 20 Jahre Freundeskreis der Marienbibliothek zu Halle an der Saale 1991-2011. Vorträge anlässlich des 20. Gründungsjubläums des Freundeskreises der Marienbibliothek e. V. am 16. April 2011. Dokumentation zur Gründung und Geschichte des Freundeskreises. Hrsg. von Mechthild Hofmann. Selbstverlag. Halle 2012.
- Die Bibliothek der Felicitas von Selmenitz und ihres Sohnes Georg von Selmenitz. Eine Büchersammlung aus der Reformationszeit in der Marienbibliothek zu Halle an der Saale. Hrsg. vom Freundeskreis der Marienbibliothek zu Halle e. V., Red. von Jutta Eckle. Halle 2014, ISBN 978-3-00-045514-8.
- Auf einer anderen Erde und unter einem anderen Himmel. Zu den Kalendern, Praktiken, Prognostiken und Kometenschriften aus der Frühen Neuzeit in der Marienbibliothek zu Halle an der Saale. Hrsg. im Auftrag des Freundeskreises der Marienbibliothek zu Halle e. V. von Jutta Eckle, Halle 2016, ISBN 978-3-00-052539-1.
- Wissensspeicher der Reformation. Die Marienbibliothek und die Bibliothek des Waisenhauses in Halle. Hrsg. von Doreen Zerbe. Verlag der Franckeschen Stiftungen, Halle 2016, ISBN 978-3-447-10672-6.
- Erlebte Fremde. Reiseberichte aus der Frühen Neuzeit in der Marienbibliothek zu Halle (Saale). Hrsg. von Jutta Eckle im Auftrag des Freundeskreises der Marienbibliothek zu Halle e. V. Halle 2018, ISBN 978-3-00-058806-8.
- Die Gelehrten der Familie Olearius zu Halle an der Saale. Hrsg. von Jutta Eckle im Auftrag des Freundeskreises der Marienbibliothek zu Halle e. V. Halle 2020, ISBN 978-3-00-065007-9.
- Peter-Henning Haischer und Jutta Eckle: Vom Codex zum Prachtdruck. 800 Jahre Buchgeschichte in Beispielen aus der Marienbibliothek in Halle an der Saale und dem Wieland-Forschungszentrum in Oßmannstedt. Halle 2020, ISBN 978-3-00-062629-6.
Infoflyer
- Die Marienbibliothek zu Halle an der Saale. (2018)
- Die mittelalterliche Torarolle in der Marienbibliothek zu Halle an der Saale. (2019)
Weblinks
- www.marienbibliothek-halle.de
- Online-Katalog der Marienbibliothek im OPAC der Universitäts- und Landesbibliothek Halle
- Eintrag in der online-Ausgabe des Handbuch der historischen Buchbestände