Marianne Fiedler
Marianne Fiedler (ab 1900 verheiratete Müller; * 23. April 1864 in Dresden; † 14. Februar 1904 in Mainberg, Bayern) war eine deutsche Malerin und Lithografin.
Leben und Wirken
Herkunft und Ausbildung
Marianne Fiedler kam aus einer Pfarrers- und Juristenfamilie: Ein Großvater, ein Urgroßvater und mehrere Onkel waren Pfarrer; der Vater Karl Moritz Fiedler (1831–1924) hatte als Jurist eine leitende Position im sächsischen Kultusministerium und die Mutter Adele Sophie, geb. Hänel (1839–1923), war die Tochter des Juristen und königlich-sächsischen Geheimen Rates Moritz Christian Hänel (1800–1890). Sie wuchs mit einem jüngeren Bruder in großbürgerlichen Verhältnissen in Dresden auf. Ihr Zeichentalent wurde früh erkannt und so studierte sie in Berlin Malerei, besuchte in Dresden die Kunstakademie und ab 1888 in München die Damenakademie, wo Ludwig Herterich ihre Malklasse leitete.[1] Eine ihrer Kommilitoninnen war bis 1890 Käthe Kollwitz – damals noch Schmidt. Zusammen mit einigen anderen „Höheren Töchtern“ waren sie unabhängig und studierten leidenschaftlich Malerei. Sie nannten sich die „Malweiber“ und redeten sich – auch später noch – nur beim Nachnamen an. Sie feierten gern und ausgiebig und fuhren auch zusammen in Urlaub.[2]
Nach der gemeinsamen Zeit an der Münchener Kunstschule trennten sich Fiedlers und Kollwitz’ Wege. Käthe Kollwitz heiratete und ging mit ihrem Mann nach Berlin. Marianne Fiedler unternahm bis 1892 mit Otto Greiner eine Studienreise nach Florenz und Rom.[3] Er hatte ihr seine Liebe gestanden hatte und wollte sie heiraten, bekam aber von Fiedler eine Absage. Nach einer Zeit in London ging sie zurück nach Dresden.[4]
Künstlerin
Fiedler widmete sich zunächst der Landschaftsmalerei. So entstanden etwa seit 1892 die Aquarelle Motiv aus Fiesole, Mainlandschaft, Rothenburg o. T. und Blick von Loschwitz bei Dresden. Seit 1893 hat sie sich dem Künstlersteindruck gewidmet und gilt neben Georg Lührig als Begründerin einer neuen Epoche der Künstlerlithografie in Deutschland. Sie realisierte in dieser Technik Porträts und Landschaften mit überwiegend italienischen Motiven. Diese Landschaften kolorierte sie häufig. Ab 1893 folgten Ausstellungen in Dresden, Berlin, München und Wien. 1894 veranstaltete das Königliche Kupferstichkabinett in Dresden eine Einzelausstellung mit ihren Lithografien. Das Kupferstichkabinett besitzt den größten Teil ihrer Kunstblätter. Der Dresdner Verlag Wilhelm Hoffmann brachte Werke von ihr als Postkarten heraus und Breitkopf & Härtel veröffentlichten ihre Lithografien in der Reihe Zeitgenössische Kunstblätter.[3]
Sie führte ein unabhängiges Leben und verschrieb sich ganz der Kunst.[4]
Ehe und Tod
Im Sommer 1900 lernte Marianne Fiedler Johannes Müller (1864–1949) kennen. Fiedler war zu diesem Zeitpunkt eine bekannte und erfolgreiche Malerin und Lithografin. Sie stellte ihre Werke aus und erhielt zahlreiche Malaufträge. Müller war eine charismatische Erscheinung, „Lebensberater, völkischer Prophet und Gründer von Schloss Elmau“.[5] Obwohl Fiedler vorher das Künstlerdasein für nicht vereinbar mit Ehe und Mutterschaft gehalten hatte, heiratete sie Müller und zog mit ihm in das Amtshaus in Mainberg. Bis 1904 bekamen sie drei Kinder; kurz nach der Geburt des dritten Kindes starb Marianne Fiedler an den Folgen einer Lungenentzündung.[6] Johannes Müller heiratete noch im selben Jahr die Bildhauerin Irene Sattler (1880–1957), eine enge Freundin von Marianne Fiedler. Sie zog Marianne Fiedlers Kinder groß und hatte mit Müller noch acht weitere Kinder.[7]
Nach ihrem Tod geriet Marianne Fiedler in Vergessenheit. Sie hatte in ihrer Ehe kaum noch künstlerisch gearbeitet. Erst 2014 bekam sie wieder Beachtung, als ihre Enkelin Micaela Händel in ihrem Nachlass neben einem farbigen Aquarell auch eine Originalzeichnung von Käthe Kollwitz entdeckte, deren erstes Selbstporträt. Diese Werke hatte Käthe Kollwitz offenbar Marianne Fiedler geschenkt, weshalb von einer engen Freundschaft zwischen den beiden Frauen ausgegangen werden kann.[8]
Literatur
- Ernst Sigismund: Fiedler, Marianne. In: Ulrich Thieme (Hrsg.): Allgemeines Lexikon der bildenden Künstler von der Antike bis zur Gegenwart. Begründet von Ulrich Thieme und Felix Becker. Unveränderter Nachdruck der Originalausgaben Leipzig 1913 und 1916. 11 und 12. Deutscher Taschenbuch Verlag; Lizenzausgabe der E. A. Seemann Verlags-GmbH, München 1992, ISBN 3-423-05908-7, S. 539.
- Brigitte Birnbaum: Kathusch. Ein Buch über Käthe Kollwitz. Edition digital 2013.
- Ulrike Leutheusser (Hg.): Frauen im Schatten von Schloss Elmau. Mit Beiträgen von Micaela Händel, Harald Haury, Ulrike Leutheusser und Benedikt Maria Scherer. München 2016.
- Sonya und Yury Winterberg: Durch und durch echt, ein freier Geist. Marianne Fiedler und Käthe Kollwitz. In: Käthe-Kollwitz-Museum Berlin (Hrsg.): Käthe Kollwitz und ihre Freunde: Katalog zur Sonderausstellung anlässlich des 150. Geburtstages von Käthe Kollwitz. Berlin 2017.
- Sabine Reithmaier: Vergessene Protagonistinnen. In: Süddeutsche Zeitung, 6. März 2017 (Digitalisat).
Weblinks
- Katja Sindemann: Wahrhaft echt und ungefärbt. „Die Seele nach außen“ im Käthe Kollwitz Museum – Kunst 01/17. choices.kunst.kino.köln 2017.
- Susanne Wiedemann: Ohne Mainberg kein Elmau. Main-Post 5. Juni 2015.
- Tilmann P. Gangloff: „Leider war ich ein Mädchen“. Frankfurter Rundschau 6. Juli 2017.
Film
- Kollwitz – Ein Leben in Leidenschaft. Dokumentation von Henrike Sander, Yury Winterberg (Regie) und Sonya Winterberg (Buch). Deutschland 2017. (Digitalisat). (In dieser Dokumentation wird u. a. auf das Leben der „Malweiber“ zwischen 1888 und 1890 sowie die Freundschaft zwischen Käthe Kollwitz und Marianne Fiedler eingegangen).
Werke
- Staatliche Kunstsammlung Dresden. Online Collection.
Einzelnachweise
- Katja Klee: Frauen im Schatten von Schloss Elmau. kultur vision aktuell, 2018, abgerufen am 22. November 2020.
- Sabine Reithmaier: Vergessene Protagonistinnen. In: Süddeutsche Zeitung. 6. März 2017, abgerufen am 22. November 2020.
- Ernst Sigismund: Thieme/Becker. Band 11 und 12, 1992, S. 539.
- Sonya Winterberg und Yury Winterberg: Durch und durch echt, ein freier Geist. In: Käthe Kollwitz und ihre Freunde. Käthe Kollwitz Museum Berlin, 2017, abgerufen am 22. November 2020.
- Harald Harry: Lebensberater, völkischer Prophet und Gründer von Schloss Elmau. In: Frauen im Schatten von Schloss Elmau. 2017, abgerufen am 22. November 2020.
- Katja Klee: Frauen im Schatten von Schloss Elmau. Kultur Vision Aktuell, 2018, abgerufen am 22. November 2020.
- Ulrike Leutheusser: Frauen im Schatten von Schloss Elmau S. 11. Ulrike Leutheusser, 2016, abgerufen am 22. November 2020.
- Tilmann G. Gangloff: „Leider war ich ein Mädchen“. In: Frankfurter Rundschau. 6. Juli 2017, abgerufen am 22. November 2020.