Madonna im Grünen
Die Madonna im Grünen (Madonna del Prato) ist ein Marienbildnis von Raffael aus dem 16. Jahrhundert. Es befindet sich im Kunsthistorischen Museum Wien. Seine Entstehungszeit ist zwischen 1505 und 1506. Das großformatige Gemälde, 113 × 88,5 cm ist in Öl auf Pappelholz gemalt. Es ist auch bekannt als Madonna vom Belvedere.[1] Raffael hat zwei weitere Gemälde mit ähnlichem Motiv gemalt: die Madonna mit dem Stieglitz (1505–1506, in Florenz ausgestellt) und Die schöne Gärtnerin (1507–1508, im Louvre ausgestellt). Die Madonna im Grünen ist das früheste Gemälde der drei Marienbilder aus der Florentiner Zeit.[2]
Madonna im Grünen |
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Raffael Santi, 1505–1506 |
Öl auf Pappelholz |
113 × 88 cm |
Kunsthistorisches Museum Wien, Wien |
Das Werk
Eine Figurengruppe, bestehend aus Maria und den Kindern Jesus und Johannes, bildet eine formatfüllende Dreieckskomposition. Der Gruppenaufbau hat durch die Kinder und den rechten Fuß Marias eine sehr breite Basis, die sich bis zum Kopf Marias zuspitzt. Fast in der Mittelachse des Bildes ist die Figur des Jesusknaben platziert. Links von ihm der kniende Johannes.
Maria sitzt erhoben, möglicherweise auf einem Felsen. Zu ihren Füßen sind die beiden Kinder. Sie hat nach hinten gekämmtes und geflochtenes blondes Haar, über ihrem Kopf befindet sich ein hauchdünner goldener Kreis als Symbol eines Heiligenscheines. Sie trägt ein rotes, anliegendes Kleid mit einer Bordüre am Halsausschnitt. Ein fließendes blaues Tuch bzw. ein Mantel mit goldener Bordüre und goldenem Rand fällt von ihren Schultern, umschließt ihre Knie und bildet einen Kontrast zum Kleid. Maria dreht sich mit ihrem Oberkörper leicht nach rechts zu den Kindern hinunter. Ihre Hände stützen und führen Jesus bei ersten Schritten auf den älteren Johannes zu. Dieser reicht Jesus einen Kreuzstab, der als Spielzeug angesehen werden kann und gleichzeitig als Zeichen auf seine Passion hinweist. Jesus ergreift ihn spielerisch. Beide Kinder tragen jeweils einen Heiligenschein.
Eingebettet wird die Gruppe in eine phantastische Seenlandschaft mit verschiedenen Pflanzen und einer Stadtansicht mit Burg auf einem Berg. Farblich komponiert in olivgrün im Vordergrund nach blassblau von Horizont und Himmel ausklingend. Die Erdbeerpflanze (Fragaria) mit Früchten am unteren Rad gehört zu den Rosengewächsen und symbolisiert die Tugenden Marias.[3] Konkretisiert werden diese durch das Gänseblümchen (Bellis perennis) am unteren linken Bildrand, welches die Attribute der Reinheit und Bescheidenheit verkörpert.[4] Die rote Mohnblume symbolisiert in der christlichen Ikonographie infolge ihres kreuzförmigen Stempels in der Blüte und ihrer roten Farbe das vergossene Blut Christi, die Passion, die Auferstehung und das Ewige Leben.[5] Nach oben wird das Bild links und rechts durch Wolken abgeschlossen, die sich in der Mitte zum Blau des Himmels öffnen und den Oberkörper Marias hinterfangen.
- Madonna del Granduca 1506
- Madonna mit dem Stieglitz 1505–1506
- Die schöne Gärtnerin 1507–1508
- Madonna Tempi 1508
Deutung
Die Blickrichtung der beiden Kinder zueinander und der liebevolle Blicke Marias zeugen von tiefer Zuneigung der drei Personen zueinander. Trotzdem geht das Bild weit über eine Genredarstellung einer Mutter-Kind-Szene hinaus. „Es ist nur die reinste Schönheit des Weibes und des Kindes, die den Gedanken an das Übernatürliche erweckt. Die Kunst ist … auf derjenigen Höhe angelangt, wo ihre Gestalten von selbst und ohne alle Zutaten als etwas Ewiges und Göttliches erscheinen.“[6] Die Figuren sind zudem versetzt in eine zeitlos scheinende Landschaft,[7] in der Himmel und Erde in einen stillen Dialog miteinander treten. Gemalt in der Technik des Sfumato Leonardo Da Vincis. Religion, Emotion und Natur dargestellt als Einheit machen dieses Werk zu einer „Ikone der neuen Geisteshaltung der Renaissance“[8].
Die besondere Plastizität dieser Figurengruppe lässt darauf schließen, das Raffael im „Wettstreit der Künste“[2] Stellung für die Malerei beziehen wollte.
Provenienz
Nach Vasari war die Madonna im Grünen ein Geschenk Raffaels an den Patrizier Taddeo Taddi aus Florenz.[9] Die Erben Taddis verkauften das Bild 1662 an Erzherzog Ferdinand Karl von Österreich. Das Bild gelangte dann 1773 in die kaiserliche Galerie Belvedere.[10]
Literatur
- Georg Kauffmann: Propyläen Kunstgeschichte. Die Kunst des 16. Jahrhunderts. Berlin 1990, S. 14 ff.
- Wolfgang Schad (Hrsg.): Die Madonnen des Rafael Santi Von Urbino. Raffael Verlag, Ittingen 2008.
- Wibke von Bonin (Hrsg.): 100 Meisterwerke aus den Museen der Welt. Band 2. Köln 1986.
- Oskar Fischel: Santi (Sanzio), Raffaello. In: Hans Vollmer (Hrsg.): Allgemeines Lexikon der Bildenden Künstler von der Antike bis zur Gegenwart. Begründet von Ulrich Thieme und Felix Becker. Band 29: Rosa–Scheffauer. E. A. Seemann, Leipzig 1935, S. 432–446 (hier S. 435).
- Christof Thoenes: Raffael 1483–1520. Die Erfindung der Hochrenaissance. Taschen, Köln 2016.
Weblinks
Einzelnachweise
- Mario Dal Bello: Raffael Madonnenbilder. 1. Auflage. Schnell und Steiner, Regensburg 2012, ISBN 978-3-7954-2593-7, S. 48.
- Anton Springer: Raffael und Michelangelo. In: Robert Dohme (Hrsg.): Kunst und Künstler Italiens. Band 2. E. A. Seemann, Leipzig 1887, S. 75.
- Engelbert Kirschbaum (Hrsg.): Lexikon der christlichen Ikonographie. Band 4. Herder, Freiburg im Breisgau 2015, S. 620.
- Blumen und ihre Bedeutung für die Kirche. Abgerufen am 10. Februar 2020.
- Mohn in der bildenden Kunst – Eine Pflanze zwischen Traum und Tod. 26. Januar 2003, abgerufen am 10. Februar 2020.
- Jacob Burckhardt: Der Cicerone. 3. Auflage. E. A. Seemann, Leipzig 1874, S. 992.
- Madonna im Grünen. Abgerufen am 10. Februar 2020.
- Madonna im Grünen. Abgerufen am 9. Februar 2020.
- Giorgio Vasari: Lebensbeschreibungen der ausgezeichneten Maler Bildhauer und Architekten der Renaissance. Hrsg.: Ernst Jaffé. Julius Bard, Berlin 1910, S. 287.
- Artur Rosenauer: Raffael Die Madonna im Grünen. In: Kunsthistorisches Museum Wien (Hrsg.): Das Meisterwerk. Band 2. Wien.