Ludwig Lugmeier
Ludwig Lugmeier (* 31. Juli 1949 in Kochel am See in Oberbayern) ist ein deutscher Schriftsteller und „Millionendieb“.
Leben
Aufgewachsen als Sohn eines Maurers im Nachkriegsdeutschland und angeregt durch Piratengeschichten, Filme und Bücher (wie beispielsweise die Abenteuergeschichten von B. Traven) entschloss sich Lugmeier bereits als Kind den Lebenslauf eines Gangsters einzuschlagen. Mit 14 Jahren begann er auf Drängen seines Vaters ebenfalls eine Maurerlehre, verübte aber bereits zu dieser Zeit kleinere Einbrüche, die ihm eine Jugendstrafe von 10 Monaten einbrachten.
Er flieht aus der Jugendstrafanstalt, fährt als Anhalter nach Italien und versucht vergeblich in Palermo bei der Mafia anzuheuern. Nach seiner Rückkehr in die Heimat kommt er bei einem Zirkus als Bärendompteur unter, wird aber bald wieder von der Polizei aufgegriffen. Zu diesem Zeitpunkt beginnt er im Gefängnis mit ersten Schreibversuchen. Nach seiner Haftentlassung heuert er 1967 auf einem Schiff nach Nordafrika an. Er strandet in Takoradi, wird dort aber ausgewiesen und gelangt über Istanbul nach Afghanistan, wo er beim Versuch, eine Karriere als Heroinschmuggler zu beginnen, scheitert. Zurück in Deutschland wird er in München nach dem Diebstahl einer Madonnenfigur aus einer Kirche erneut verurteilt und gerät in das Umfeld von Hans Georg Rammelmayr, der 1971 – anders als sein Partner Dimitri Todorov – bei der ersten großen Geiselnahme in der Bundesrepublik erschossen wird.
Zur Zeit der Geiselnahme von München während der Olympischen Spiele 1972 gelingt ihm mit seinen Komplizen ein Überfall auf einen Geldtransporter in München. Es folgt eine Flucht durch ganz Europa und ein erneuter aufsehenerregender Raubüberfall auf einen Geldtransport der Landeszentralbank in Frankfurt am Main. Sein Weg führt ihn nach Mexiko, wo er 1974 von Reportern des Stern ausfindig gemacht wird. Dies führt zu seiner Verhaftung und der Auslieferung nach Deutschland. 1975 gelingt ihm während seiner Gerichtsverhandlung in Frankfurt die spektakuläre Flucht durch ein offenes Fenster des Gerichtsgebäudes. Er baut sich mit dem geraubten Geld unter dem Namen John Michael Waller eine Existenz auf. Von England gelangt er über die Bahamas und Rio de Janeiro nach Reykjavík, wo er müde und ausgebrannt erneut verhaftet wird.
Während seiner Haft von 1977 bis 1989 beginnt er ernsthaft zu schreiben. Es entstehen Tagebücher, Porträts seiner Mithäftlinge, Gedichte und Geschichten. Heute lebt er als Schriftsteller, Radio-Essayist und Märchenerzähler in Berlin.[1] Nachdem er genügend Abstand zu seinen Abenteuern gewonnen hat, vereint er 2005 in seiner Autobiographie literarisch „die zwei Bilder, die von mir in der Öffentlichkeit existieren – Gangster und Schriftsteller …“.
2009 erwirbt Imbissfilm die Rechte an der Geschichte, um einen Kinofilm zu produzieren.
In seinem 2017 veröffentlichten „Faktenroman“ Das Leben des Käpt’n Bilbo behandelt er die Lebensgeschichte des als Hugo Cyrill Kulp Baruch 1907 in Berlin geborenen und 1967 dort gestorbenen Jack Bilbo. Der aus wohlhabendem jüdischen Elternhaus stammende Bilbo schlug sich unter wechselnden Identitäten und fiktiven Rollen durch’s Leben. Er war zu seiner Zeit ein gefeierter Schriftsteller, provokativer Maler, Galerist und Kneipier. Bilbo, der unter anderen mit Kurt Schwitters, Max Schmeling und Henry Miller befreundet war.
Auch im Feuilleton von Tagesmedien meldet Lugmeier sich zu Wort, so in der linken jungen Welt[2] oder in der taz.
Werke
Schriften
- Flickstellen. Mink, Speyer 1988, ISBN 3-923034-02-4.
- Wo der Hund begraben ist. Stroemfeld / Roter Stern, Basel 1992, ISBN 3-87877-407-9.
- i. Ackerpresse, Berlin 1998[3]
- Der Mann der aus dem Fenster sprang. Kunstmann, München 2005, ISBN 3-88897-410-0.
- Neu erschienen als Taschenbuch bei: Heyne, München 2008, ISBN 978-3-453-81059-4.
- Die Leben des Käpt’n Bilbo. Faktenroman. Verbrecher Verlag, Berlin 2017, ISBN 978-3-95732-279-1.
Hörspiele und Features
Hörbuch
- Der Mann der aus dem Fenster sprang. (Gelesen vom Autor. Musik Torsten Papenheim.) Kunstmann, München 2005, ISBN 3-88897-410-0
Einzelnachweise
- Torsten Hampel: Der Abenteurer-Roman In: Der Tagesspiegel vom 19. März 2006
- Siehe etwa: Der Zorn des Kaisers. Jede Stimme stimmt. Herbert Kapfers ungewöhnlicher Erzählstrom "1919", in: junge Welt, 9. Mai 2019.
- Bov Bjerg über ‚i‘. scheinschlag-online. Ausgabe 3, 1999. Abgerufen am 29. März 2011.
Weblinks
- Literatur von und über Ludwig Lugmeier im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- „Ich sehnte mich nach Kampf.“ Interview in netzeitung vom 14. Dezember 2005 (Memento vom 23. Dezember 2005 im Internet Archive)
- „Der Dieb muss den Schlaf seines Opfers behüten.“ zweiter Teil des Interviews in netzeitung vom 15. Dezember 2005 (Memento vom 2. Juni 2013 im Internet Archive)