Ludwig Gabillon
Johann Otto Ludwig Gabillon (* 16. Juli 1825[1] in Neu Strenz[2]; † 13. Februar 1896 in Wien) war ein Burgschauspieler und Regisseur.
Leben
Ludwig Gabillon stammte aus einer nach Mecklenburg eingewanderten Hugenottenfamilie. Sein Vater war der katholische Steuersekretär (Johann Otto) Ludwig Gabillon (1784–1847), seine Mutter die Hausfrau Dorothea Hentze oder Uentze.[3] Als Gymnasiast erlebte er in Güstrow eine Aufführung der Oper Die Stumme von Portici durch die Theatergesellschaft von Karl Friedrich Bethmann. Er war begeistert und mit Erlaubnis seiner Eltern schloss er sich dem Bethmann’schen Ensemble an und konnte bereits Ostern 1844 als „Indianer“ erfolgreich debütieren.
Als 1846 sein Vertrag endete, ging Gabillon nach Oldenburg (Oldenburg) zu Julius Mosen, dem Intendanten des großherzoglichen Hoftheaters. Dieser engagierte ihn bis Ende Juni 1848 und mit Wirkung zum 1. Juli wechselte er nach Schwerin, ans dortige Hoftheater. In Schwerin heiratete er am 11. Juni 1847 in erster Ehe, die Schauspielerin Jeanette von Zahlhaas; diese Ehe, aus der ein Sohn hervorging, wurde bereits 1852 oder 1854[4] wieder geschieden.
Nächste Station war Hoftheater Kassel, wo er bis Frühjahr 1851 Mitglied des Ensembles war. Anschließend wurde er bis Frühjahr 1853 ans Opernhaus Hannover engagiert. Zu dieser Zeit traf er Heinrich Laube, der ihn ans Burgtheater nach Wien verpflichtete.
Im Sommer 1853 absolvierte Gabillon zusammen mit Ludwig Dessoir, Gustav Emil Devrient und Lina Fuhr ein sensationelles Gastspiel am Her Majesty's Theatre (St. James Theatre) in (London). Die Kritiker überschlugen sich und im Feuilleton der Times war zu lesen:
„Wenn der Verstand diese schönen Mittel zu einem künstlerischen Ganzen geordnet, und er aus dem grünen Zustande seiner glücklichen Anfängerschaft herausgetreten swein wird, wird Gabillon bei jedem Theater sein Glück machen und sein Name bald in der Reihe der ersten Künstler glänzen dürfen.“
Am 10. Oktober 1853 verabschiedete sich Gabillon als „Carl Moor“ und bereits am 3. Dezember desselben Jahres war er als „Sonnenkönig“ erstmals in Wien zu sehen. In Wien heiratete Gabillon am 27. Juni 1856 seine – ebenfalls aus Güstrow stammenden – Kollegin Zerline Würzburg. Das Paar hatte zwei Töchter: Dora (* 1850) und Helene (* 1857). Dora heiratete den Historiker August Fournier, Helene den Literaturwissenschaftler und Schriftsteller Anton Bettelheim. Helene Bettelheim-Gabillon war als Schriftstellerin und Grafikerin tätig.[5] Dorotheas Tochter Christine Olden, seine Enkelin, war eine bekannte Psycho- und Kinderanalytikerin.
Im Februar 1863 spielte er den „Hagen“ in der Uraufführung von Hebbels Nibelungen. Publikum, wie auch die offizielle Theaterkritik waren begeistert; Hebbel selbst bezeichnete Gabillons Auftritt als personifiziertes Gewitter („... alles was er sprach zündete, jedes Wort schlug ein ...“). Zwischen 1875 und 1895 fungierte Gabillon am Burgtheater auch als Regisseur.
Mit der Zeit avancierte das Schauspielerehepaar Ludwig und Zerline Gabillon zu den berühmtesten Schauspielern ihrer Zeit. Mit einem Repertoire von rund 300 Rollen war Ludwig Gabillon der bekannteste Charakterdarsteller; zu seinen bekanntesten Rollen gehörte die imposante Darstellung des Hagen in Hebbels Die Nibelungen. Für die von Gabillon verkörperten Helden-Rollen prägte sich in der Theaterwissenschaft der Begriff der sogenannten Gabillonrollen ein.
Im Januar 1895 sah man Gabillon noch als „Giacomo Neri“. Als er von seiner im Anschluss angetretenen Sommerfrische Ende August 1895 nach Wien zurückkam, übernahm er die Rolle des „Erdgeists“. Bei den Proben erlitt er einen Schlaganfall. Gabillon starb mit über siebzig Jahren in Wien und fand seine letzte Ruhestätte auf dem evangelischen Friedhof Wien-Matzleinsdorf (Gruft Mitte oben, Nummer 034).
Den Nachruf verfasste der Theaterkritiker Paul Schlenther:
„... ein Mann, der nicht geht, sondern schreitet. Eine Stimme, die nicht spricht, sondern schallt. Ein Auge, das nicht blickt, sondern blitzt. Eine Lippe, die nicht schlürft, sondern leert. Ein Herz, das nicht fühlt, sondern glüht. eine Hand, die nicht faßt, sondern fesselt. ein Arm, der den Spieß schwingt, einen Spieß, der trifft. Ein Schauspieler im Großen, ein Mensch im Freskostil: das war Ludwig Gabillon ...“
Ehrungen
- Nach Ludwig und Zerline Gabillon ist die Gabillongasse im 16. Wiener Bezirk Ottakring benannt.
- Gemälde von Ludwig und Zerline Gabillon befinden sich in der Burgschauspieltheatergalerie.
Rollen (Auswahl)
- Indianer – Die Sonnenjungfrau (August von Kotzebue)
- Melchthal – Wilhelm Tell (Friedrich Schiller)
- Ingomar – Der Sohn der Wildnis (Friedrich Halm)
- Wilhelm – Leonore (Karl von Holtei)
- Kosinsky – Die Räuber (Friedrich Schiller)
- Don Cesar – Donna Diana (Joseph Schreyvogel)
- Romeo – Romeo und Julia (William Shakespeare)
- Cäsar – Julius Cäsar (William Shakespeare)
- Hinko – Hinko (Charlotte Birch-Pfeiffer)
- Ferdinand – Egmont (Johann Wolfgang von Goethe)
- Hagen – Die Nibelungen (Christian Friedrich Hebbel)
- Sonnenkönig – Urbild des Tartüffe (Karl Gutzkow)
- Don Lope – Der Richter von Zalamea (Pedro Calderón de la Barca)
- Don Pedro – Preciosa (Pius Alexander Wolff)
- Delobelle – Fromont & Risler (Alphonse Daudet)
- Kattwald – Weh dem, der lügt! (Franz Grillparzer)
Literatur
- Helene Bettelheim-Gabillon: Ludwig Gabillon. Tagebuchblätter, Briefe, Erinnerungen. Wien 1900 (Digitalisat).
- Anton Bettelheim: Verzeichnis der Rollen, die Ludwig Gabillon als Mitglied des Hofburgtheaters in den Jahren 1853-93 gespielt hat. 1893
- Felix Czeike: Historisches Lexikon Wien. 2. Band. Wien 1993.
- Ludwig Eisenberg: Großes biographisches Lexikon der Deutschen Bühne im XIX. Jahrhundert. Verlag von Paul List, Leipzig 1903, S. 300 f., (Textarchiv – Internet Archive).
- Lajos Hevesi: Zerline Gabillon. Ein Künstlerleben. Bonz, Stuttgart 1894 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche-USA).
- Konrad Schrögendorfer: Gabillon, Johann Otto Ludwig. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 6, Duncker & Humblot, Berlin 1964, ISBN 3-428-00187-7, S. 5 f. (Digitalisat).
- Alexander von Weilen: Gabillon, Ludwig. In: Allgemeine Deutsche Biographie (ADB). Band 55, Duncker & Humblot, Leipzig 1910, S. 477–479.
- Ludwig Gabillon. In: Österreichisches Biographisches Lexikon 1815–1950 (ÖBL). Band 1, Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, Wien 1957, S. 386.
Weblinks
Einzelnachweise
- Das Geburtsdatum folgt der Angabe seiner Tochter, Helene Bettelheim-Gabillon: Ludwig Gabillon. Tagebuchblätter, Briefe, Erinnerungen. Wien 1900, S. 29 (Digitalisat), die in der Literatur weit verbreitet ist. - In einigen Quellen wird als Geburtsjahr auch 1828 genannt.
- heute Ortsteil von Güstrow
- So die Angabe in der NDB!
- NBD
- Webseite „Die Arbeitslosen von Marienthal“ abgerufen 23. Januar 2009