Lothar Lockl
Lothar Lockl (* 5. Dezember 1968 in Wien)[1] ist ein österreichischer Unternehmer, Strategie- und Politikberater. Bekanntheit erlangte er als Wahlkampfleiter von Alexander Van der Bellen bei der österreichischen Bundespräsidentenwahl 2016.
Werdegang
Lockl beteiligte sich 1984 in jungen Jahren an der Besetzung der Hainburger Au. Er studierte Politik- und Kommunikationswissenschaft an der Universität Wien.[2] Zwischen 1989 und 1999 war er bei der österreichischen Umweltschutzorganisation Global 2000 als Pressesprecher und politischer Koordinator tätig.[3] Dabei organisierte er unter anderem Kampagnen gegen die Atomkraftwerke Bohunice und Mochovce, die sich nahe an der österreichischen Grenze befinden.[4] 1997 war Lockl Mitorganisator des Gentechnik-Volksbegehrens, dem mit über 1,2 Mio. Unterschriften bis heute zweiterfolgreichsten Volksbegehren in Österreich (Stand 2020).[5][6]
2000 wechselte er in die Politik zu den Grünen, wo er zuerst als Kampagnenleiter, dann als Kommunikationschef und ab Herbst 2006 als Bundesparteisekretär tätig war.[7] Er war unter anderem für die Nationalratswahlkampagne 2006 verantwortlich, bei der die Grünen auf Bundesebene ihr bis dahin bestes Ergebnis erreichten, erstmals die 10-Prozent-Hürde übersprangen und drittstärkste Kraft wurden.[8]
2009 verließ er die Politik und machte sich als Kommunikations-, Strategie- und Politikberater selbständig.[9] Er war Wahlkampfleiter für Alexander Van der Bellen bei der österreichischen Bundespräsidentenwahl 2016.[10] Er ist weiterhin als externer Berater für diesen tätig.[11]
Unternehmen
Die Kommunikationsagentur Lockl & Keck[12] berät Unternehmen und Politiker. Es zeigt sich dabei ein auffallend hoher Summenanteil an Vergaben an die Agentur Lock & Keck im Vergleich zu anderen Kommunikationsagenturen, wie aus parlamentarischen Anfragen der Neos und SPÖ hervorgeht. So gingen bereits im Jahr 2018 15 Prozent der Werbeausgaben des Umweltministeriums an das Konsortium Lockl & Keck / Brainbows Informationsmanagement GmbH, deren Geschäftsführerin die Ex-Grünen Politikerin Monika Langthaler ist.[13] Zwischen Juni und Dezember 2019 sowie 2020 erhielt das Konsortium mit jeweils rund 300.000 Euro erneut die mit Abstand höchst dotierten Aufträge im Bereich Öffentlichkeitsarbeit des Bundesministeriums für Nachhaltigkeit und Tourismus.
Auch aus dem Umweltministerium (Leonore Gewessler, Grüne) erhielt das Konsortium Lockl & Keck/Brainbows im ersten Halbjahr 2020 einen Auftrag in der Höhe von rund 300.000 Euro[14] und im zweiten Halbjahr einen Auftrag in der Höhe von rund 350.000 Euro[15]. Auch im ersten Halbjahr 2021 erhielt die beiden Agenturen die mit rund 300.000 Euro höchst dotierten Aufträge.[16] Auch Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) zählt zu den Kunden von Lockl & Keck.[17]
Politik
Lothar Lockl galt im Vorfeld der Regierungsverhandlungen zwischen ÖVP und Grünen 2019 als potenzieller Kandidat der Grünen für ein Ministeramt.[18][19]
Im März 2020 wurde er von der Regierung in den ORF-Stiftungsrat bestellt ("Grüner Freundeskreis")[20] Lockl unterstützte die Wahl des neuen ORF-Generalintendanten Roland Weißmann,[21] da dieser laut Lockl einen politisch unabhängigen ORF stärken wolle. Lockl war bereits 2020 im Gespräch, die Funktion des ORF-Stiftungsratsvorsitzende zu übernehmen.[22] Kritiker sehen mögliche Interessenskonflikte: Lockl ist zugleich Berater des Bundespräsidenten[23] und berät auch Grünen-Politiker.[24]
Durch die "Sideletter-Affäre" wurde im Jänner 2022 bekannt, dass Grüne und ÖVP in einem geheimen Regierungsabkommen diverse Personalentscheidungen vereinbart hatten. So sicherten sich die Grünen das Vorschlagsrecht für den Vorsitzenden des ORF-Stiftungsrates ab, während die ÖVP an der Einführung eines Kopftuchverbots für Lehrerinnen festhielt.[25]
Funktionen
- Seit 2020: Mitglied des ORF-Stiftungsrates[26]
- 2018 bis 2021: Mitglied im Verwaltungsrat des Fußballklubs FK Austria Wien[27]
- 2010 bis 2012: Generalsekretär der International Advertising Association (IAA) Österreich[28]
Privates
Seit seiner Jugend spielt Lockl Schach. Er war Wiener Jugendstadtmeister, erreichte eine Elo-Zahl von 2280 und spielte in der österreichischen Staatsliga.[29][30]
Lockl ist Vater eines Sohnes. Er lebt getrennt von der österreichischen Journalistin Claudia Reiterer.[31]
Weblinks
Einzelnachweise
- Van der Bellen-Vertrauensmann verlässt die Politik. In: derStandard.at. 6. Februar 2009, abgerufen am 9. November 2019.
- Lothar Lockl – der Präsidentenmacher. In: trend.at. 16. Dezember 2016, abgerufen am 9. November 2019.
- Van der Bellen-Vertrauensmann verlässt die Politik. In: derStandard.at. 6. Februar 2009, abgerufen am 9. November 2019.
- Von Global 2000 zu den Grünen. In: orf.at. Abgerufen am 9. November 2019.
- Alle Volksbegehren der zweiten Republik. In: Bundesministerium für Inneres. Abgerufen am 21. Dezember 2020.
- Lothar Lockl, der türkis-grüne Pendeldiplomat. In: trend.at. 8. November 2019, abgerufen am 9. November 2019.
- Wiener Zeitung Online: Grüne wollen ihr Image aufpeppen. Abgerufen am 11. August 2020.
- Lothar Lockl, der türkis-grüne Pendeldiplomat. In: trend.at. 8. November 2019, abgerufen am 9. November 2019.
- Lothar Lockl: Beim Schachspiel Strategie gelernt. In: diepresse.com. 14. Juli 2009, abgerufen am 9. November 2019.
- Florian Gasser: Wahl in Österreich: Die Präsidentenmacher. In: Die Zeit. 15. Dezember 2016, abgerufen am 11. August 2020.
- Lockl wechselt nicht in die Hofburg. In: kurier.at. 23. Januar 2017, abgerufen am 9. November 2019.
- Aus Agentur "Lockl Strategie" wird "Lockl & Keck". Abgerufen am 5. Februar 2022 (österreichisches Deutsch).
- Antwort von Elisabeth Köstinger (ÖVP), Bundesministerin für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus: Parlamentarische Anfrage-SPÖ, 6. März 2020. 6. März 2020, abgerufen am 8. November 2020.
- Beantwortung der Parlamentarischen Anfrage der Neos, 21.8.2020. Leonore Gewessler (Grüne), Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie der Republik Österreich, 10. Oktober 2020, abgerufen am 5. Februar 2022.
- Leonore Gewessler Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie der Republik Österreich: Beantwortung Parlamentarische Anfrage der Neos vom 12.2.2021. 1. Februar 2021, abgerufen am 5. Februar 2022.
- Leonore Gewessler Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie der Republik Österreich: Beantwortung Parlamentarische Anfrage der Neos vom 22.9.2021. 22. November 2021, abgerufen am 5. Februar 2022.
- Werner Kogler Vizekanzler (Grüne): Beantwortung der Parlamentarischen Anfrage NEOS, 12.2.2021. 12. April 2021, abgerufen am 5. Februar 2022.
- Sie sollen grüne Minister werden. 11. November 2019, abgerufen am 5. Februar 2022.
- Elisalex Henckel: Österreichs Wahlsieger: Wagt Sebastian Kurz jetzt das schwarz-grüne Experiment? In: DIE WELT. 31. Oktober 2019 (welt.de [abgerufen am 5. Februar 2022]).
- ORF at/Agenturen red: Regierung bestellte neue ORF-Stiftungsräte. 11. März 2020, abgerufen am 5. Februar 2022.
- Wie die ORF-Wahl die Grünen entzweit. Abgerufen am 5. Februar 2022 (österreichisches Deutsch).
- Bernhard Baumgartner: Medien - ORF könnte erstmals grünen Stiftungsratsvorsitz bekommen. Abgerufen am 5. Februar 2022.
- Süffiges Sommertreffen von Van der Bellen und Kurz. 19. August 2020, abgerufen am 5. Februar 2022.
- "ORF muss mit dem Geld auskommen": Neuer Stiftungsrat Lockl gegen GIS-Debatte. Abgerufen am 5. Februar 2022 (österreichisches Deutsch).
- ORF at/Agenturen red: Postenaufteilung: Grüner Ärger über Sideletter-Leak. 30. Januar 2022, abgerufen am 5. Februar 2022.
- Regierung bestellte neue ORF-Stiftungsräte. In: orf.at. 11. März 2020, abgerufen am 5. April 2020.
- FK Austria Wien - Verein. In: FK Austria Wien. Abgerufen am 16. August 2021.
- Der Jahresauftakt der Branche. In: horizont.at. 4. Februar 2013, abgerufen am 9. November 2019.
- Der Schachspieler hinter Van der Bellen. Abgerufen am 21. Dezember 2020.
- Lothar Lockl, Bundesparteisekretär der Grünen. Abgerufen am 21. Dezember 2020.
- Claudia Reiterer und Lockl seit Frühjahr getrennt. Abgerufen am 14. November 2019.